Fahrlässige Millionen-Entscheidung? IWF-Chefin Lagarde muss in Paris vor Gericht

Ein skandalträchtiger Wirtschaftskrimi bringt IWF-Chefin Christine Lagarde in Frankreich vor Gericht. Als Ministerin soll sie fahrlässig grünes Licht für eine Millionenzahlung gegeben haben.

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IWF-Chefin Christine Lagarde muss vor Gericht. Quelle: REUTERS

Das Magazin „Forbes“ listet sie auf seiner Rangliste der mächtigsten Frauen der Welt auf Platz sechs. Seit mehr als fünf Jahren führt Christine Lagarde den Internationalen Währungsfonds, souverän und in fließendem Englisch - die Französin ist auf internationalem Parkett hoch geachtet. Doch von kommendem Montag (12. Dezember) an sitzt die IWF-Chefin in Paris auf der Anklagebank: Lagarde muss sich wegen einer umstrittenen Millionenzahlung in ihrer Zeit als französische Finanzministerin verantworten.

Die Ermittler werfen der 60-Jährigen Fahrlässigkeit im Amt vor, mit der sie die Veruntreuung öffentlicher Gelder ermöglicht habe. Ein Delikt, das in Frankreich mit bis zu einem Jahr Gefängnis und 15 000 Euro Strafe geahndet wird. Auf dem Spiel steht auch die Glaubwürdigkeit der Finanz-Managerin - es stellt sich die Frage, ob sie im Fall einer Verurteilung an der Spitze des IWF bleiben könnte.

Ihr Prozess ist ein weiteres Kapitel eines spektakulären Wirtschaftskrimis, der in Frankreich seit Jahren für Schlagzeilen sorgt. Der Geschäftsmann Bernard Tapie sah sich beim Verkauf seiner Anteile am deutschen Sportartikelhersteller Adidas in den 1990er Jahren von der damals staatlichen Großbank Crédit Lyonnais geprellt. In einem Schiedsverfahren erhielt Tapie 2008 eine Entschädigung von mehr als 400 Millionen Euro zugesprochen.

Das ist Christine Lagarde

Betrüger und Günstlinge?

Doch inzwischen haben Gerichte den Schiedsspruch aufgehoben, gegen Tapie und mehrere weitere Beteiligte wird wegen des Verdachts auf bandenmäßigen Betrug ermittelt. Einer der drei Schiedsmänner soll enge Verbindungen zu Tapie gehabt und das Urteil in dessen Sinne beeinflusst haben. Auch Lagardes früherer Bürochef steht im Visier der Ermittler.

Welche Rolle spielte die damalige Ministerin bei der ganzen Sache? Nach der Wahl von Nicolas Sarkozy zum Präsidenten wurde die Anwältin 2007 Wirtschafts- und Finanzministerin. Wenige Monate später gab sie grünes Licht für das Schiedsverfahren. Und als der politisch gut vernetzte Tapie im Jahr darauf gut 400 Millionen Euro zugesprochen bekam, verzichtete sie auf einen Einspruch - aus Sicht der Untersuchungskommission des Gerichts eine fahrlässige Entscheidung.

Lagarde selbst hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. „Ich bin gelassen und entschlossen“, sagte sie vor wenigen Wochen dem französischen Radiosender RTL. Sie fürchte sich nicht vor dem Prozess. „Ich bin froh, dass diese Angelegenheit zum Abschluss kommt.“ In einem weiteren Interview mit dem Magazin „L'Obs“ betonte sie: „Meine Anwälte werden die juristischen Mittel finden, um dieser merkwürdigen Situation zu begegnen.“ Während der seit Jahren laufenden Ermittlungen hatte der IWF-Exekutivrat ihr stets sein Vertrauen ausgesprochen.

Umstrittenes Spezialgericht

Die IWF-Chefin hatte sich mit allen Mitteln gegen den Prozess gewehrt. Ihre Anwälte kritisierten vor allem, dass die parallel laufenden Betrugsermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Es sei daher noch gar nicht erwiesen, ob Gelder veruntreut wurden. Das höchste französische Gericht wies ihre Einsprüche im Sommer zurück - ohne sich jedoch inhaltlich mit den Vorwürfen zu befassen. „Diese Debatte wird vor dem Gerichtshof der Republik stattfinden, und ich bin überzeugt, dass dieser jede Verantwortlichkeit von Frau Lagarde ausräumen wird“, sagte ihr Anwalt damals.

Dieses Spezialgericht ist ausschließlich für Rechtsverstöße von Ministern im Rahmen ihres Amtes zuständig. An der Seite von drei Berufsrichtern werden zwölf Parlamentsabgeordnete über die frühere Ministerin urteilen. Die Institution ist deshalb umstritten. „Das ist nicht normal, dass ein Minister oder ein Präsident der Republik nicht der gleichen Gerichtsbarkeit unterworfen ist wie alle anderen“, sagte die sozialistische Senatorin Bariza Khiari, die selbst auf dem Richterstuhl sitzen wird. Sie betonte allerdings im Gespräch mit dem Sender RTL, dass die parteipolitischen Präferenzen der Richter im Prozess gegen die Konservative keine Rolle spielten: „Wir beurteilen nicht Madame Lagarde, wir beurteilen die Fakten.“

Lagarde will eine Verschiebung des Prozesses beantragen. Den Antrag auf Verschiebung kann sie zu Prozessbeginn stellen. Ihr Anwalt begründete den geplanten Antrag damit, dass noch weitere Ermittlungen in dem Fall liefen. Der Prozess soll am 12. Dezember beginnen, insgesamt sind dafür sieben Verhandlungstage bis zum 20. Dezember angesetzt. Lagarde nimmt in dieser Zeit offiziell Urlaub von ihrem Job beim IWF.

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