Fake News Macron will Urheber von Falschmeldungen entlarven

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron plant ein Gesetz gegen Falschmeldungen im Wahlkampf. Quelle: REUTERS

Wie kann verhindert werden, dass Falschmeldungen Wahlen beeinflussen? Frankreichs Präsident Macron sagt Fake News mit einem Gesetz den Kampf an. Kritiker toben: Sie fürchten, dass aus Regulierung rasch Zensur wird.

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Kann ein demokratisches Land Fake News verbieten? Frankreich versucht genau das herauszufinden. Präsident Emmanuel Macron hat gerade ein Gesetz angekündigt, mit dem falsche Informationen während Wahlkampagnen eingedämmt werden sollen. „Unmöglich zu verfolgen“, „ein Schuss, der nach hinten losgeht“ oder „ein Beigeschmack von Autoritarismus“ - die Kritik ist enorm, kommt sowohl von Medienvertretern, Technikexperten und auch vom Kreml-unterstützenden Sender Russia Today (RT).

Macrons Vorstoß könnte der Anfang einer Zensur der Meinungsfreiheit sein, sagt Xenia Fedorova, Direktorin des kürzlich gestarteten französischsprachigen RT-Programms. „Wir glauben, dass das eine sehr gefährliche Situation ist.“

Macron argumentiert: In einer Welt, in der eine Unwahrheit in kürzester Zeit Milliarden von Menschen erreichen kann und die politische Manipulation immer gewiefter wird, muss etwas getan werden.

Laut einem Bericht der Demokraten im US-Kongress hat Russland seit dem Jahr 2016 in 19 europäischen Ländern versucht, die Politik zu unterwandern - mit Cyber-Attacken, Fehlinformationen, verdeckten Social-Media-Operationen, der Finanzierung von politischen Randgruppen und in ganz extremen Fällen sogar mit Mordversuchen. Macrons Wahlkampagne im vergangenen Jahr geriet ebenfalls ins Visier von Hackern - auch wenn es laut französischer Regierung keinen Beweis für eine russische Verwicklung gibt.

Schon George Washington wurde Opfer von Fake News

Propaganda und Fehlinformation sind nicht neu und keineswegs nur auf Russland beschränkt, wie der Autor und Technologie-Historiker Edward Tenner sagt. Fake News seien so alt wie die Legende von George Washington und dem Kirschbaum - eine bis heute überlieferte, aber unwahre Geschichte, mit der die Ehrlichkeit des ersten US-Präsidenten belegt werden sollte. „Die einzige langfristige Lösung gegen das Fake-News-Problem ist eine gebildete Öffentlichkeit“, sagt Tenner. 

Macron wählt einen anderen Ansatz. In seiner Neujahrsrede vor Journalisten kündigte er ein neues juristisches Arsenal an, mit dem Nachrichtenseiten gezwungen werden sollen, ihre Besitzer und ihre Finanzierung offenzulegen. Wenn diese Medien während Wahlkämpfen Inhalte verbreiteten, um den Ausgang des Urnengangs zu verzerren, sollten ihnen der Geldhahn zugedreht und ihr weiterer Betrieb gestoppt werden können.

Das Mandat für die französische Medienaufsicht sollte so ausgeweitet werden, dass sie Medien abschalten könnten, wenn diese eine Wahl destabilisieren wollten, besonders wenn sie „von ausländischen Mächten kontrolliert oder beeinflusst werden.

Das zielt vor allem gegen Medienkanäle wie den Sender RT oder das Nachrichtenportal „Sputnik“. Der RT-Berichterstattung wurde im letzten Wahlkampf eine Nähe zur rechtspopulistischen Kandidatin Marine Le Pen nachgesagt. Sputnik erregte Aufsehen mit Berichten über eine angebliche homosexuelle Affäre Macrons. Er wies das zurück, besiegte Le Pen - aber vergessen ist die Sache wohl nicht.

RT wehrt sich gegen Macrons Vorwurf

RT-Chefin Fedorova fühlt sich zu Unrecht beschuldigt, beklagt bürokratische Hindernisse bei der Eröffnung des französischen Dienstes und sieht sich konsequent ausgeschlossen vom Élysée-Palast, seit Macron RT und „Sputnik“ im vergangenen Jahr als „Organe unter russischem Einfluss“ bezeichnet hatte. 

Die Berichterstattung von RT France erscheint weitgehend ähnlich zu der anderer französischer Sender, allerdings mit einem etwas größeren Fokus auf Gewalttaten und Flüchtlingen. Der größte Unterschied ist die ausführliche Syrien-Berichterstattung, in der die Positionen der russischen und syrischen Regierung einen großen Platz einnehmen. 

„RT steht dafür, dass wir anderen Meinungen ein Platz, eine Plattform geben. Ich persönlich glaube, dass die Vielfalt der Stimmen absolut notwendig ist, um ein umfassendes Bild zu bekommen“, sagt Fedorova. Die Pläne Macrons verfolge man vor diesem Hintergrund aufmerksam. 

Die Journalistenorganisation „Reporter ohne Grenzen“ ist ebenfalls aufgeschreckt. „Wir sind nicht gegen das Prinzip eines Gesetzes gegen Fake News“, sagt Verbandschef Christophe Deloire. „Aber der Punkt ist, wer dazu befähigt ist, ein Gesetz darüber zu verfassen, ohne die Freiheit zu gefährden, Dinge zu enthüllen.“ Eine Demokratie müsse sich zwar gegen die Welle von Falschnachrichten verteidigen - aber nicht mit den Mitteln despotischer Länder. 

Kann das deutsche Netz-DG als Vorbild dienen?

Bei der Vorbereitung des Gesetzes blickt Frankreich auch aufmerksam nach Deutschland, wo diesen Monat das Gesetz gegen illegale Hasskommentare im Internet in Kraft trat. Einige befürchten, dass damit auch legale Posts einer Löschung zum Opfer fallen könnten. Zudem kann das Schließen einer Internetseite auch nach hinten losgehen und deren Machern und Inhalten mehr Aufmerksamkeit bescheren.

Der Digitalbeauftragte der Macron-Regierung ist sich der Herausforderungen durchaus bewusst. „Das ist der Anfang der Debatte“, sagt Mounir Mahjoubi. „Wir werden nichts überstürzen.“ Er betont aber auch, dass die Regierungen in dieser Angelegenheit nicht untätig bleiben dürfen und verweist auf die anstehenden Wahlen in Italien, Russland oder für das Europäische Parlament. Es gehe darum, eine wirksame Regulierung für die Informationsflut zu finden. „Wir müssen uns diese Fragen stellen und alle gemeinsam an dem arbeiten, was getan werden kann.“

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