Faule Kredite in Europas Banken Richtig aufräumen geht anders

Finanzkrise: Europas Banken erneut von faulen Krediten bedroht Quelle: Leander Aßmann

Zehn Jahre nach der Finanzkrise stecken in den Bilanzen von Europas Banken immer noch Milliardenrisiken. Die Politik hat das Problem der faulen Kredite nur halbherzig bekämpft.

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Am Mittwoch kann EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis eine gute Nachricht verkünden. Der Anteil fauler Kredite in der EU ist im Jahresvergleich um 1,1 Prozentpunkte auf 3,3 Prozent zurückgegangen. Der Wert nähert sich dem Niveau vor der Finanzkrise 2008, als er drei Prozent unterschritt.

Doch da hören die guten Nachrichten schon auf. Die notleidenden Kredite in der EU summieren sich nach Berechnungen der Europäischen Zentralbank (EZB) auf 786 Milliarden Euro. Seit die Bankenaufsicht (SSM) der EZB vor gut vier Jahren die Arbeit aufnahm, ist dieser Betrag zwar gesunken; damals lag der Umfang notleidender Kredite noch bei einer Billion Euro. Gleichwohl sei es dringend geboten, „noch mehr zu machen“, warnte die erste SSM-Chefin Danièle Nouy bei ihrem Abschied Ende vergangenen Jahres. Ohnehin führt der Durchschnittswert für die EU in die Irre. In Italien beläuft sich die Quote für faule Kredite auf 9,5 Prozent, in Portugal 11,3 Prozent und in Griechenland 43,5 Prozent.

Im internationalen Vergleich stehen die europäischen Geldhäuser schlecht da. Sowohl in den USA als auch in Japan sind die Altlasten deutlich geringer. Und aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die europäischen Quoten die Probleme sogar noch unterzeichnen. „In den aggregierten Daten könnten sich unerkannte Risiken verstecken“, sagt Markus Demary vom Institut der deutschen Wirtschaft. Der Ökonom hat einen Indikator für notleidende Kredite konstruiert, der sich auf die 76 systemrelevanten Banken in Europa konzentriert, die vom SSM beaufsichtigt werden. Der Index verharrt auf hohem Niveau, ein Abwärtstrend ist nicht zu erkennen.

Die Probleme der Banken strahlen auch auf die Realwirtschaft aus. Denn Institute mit einem hohen Bestand notleidender Kredite müssen höhere Rückstellungen bilden; das schmälert den Gewinn. Die betroffenen Banken haben zudem höhere Kapitalkosten, da ihnen Investoren und andere Banken ihr Geld nur mit Risikozuschlägen verleihen. Schließlich erschwert ein hoher Anteil fauler Kredite auch, dass Banken neue Darlehen vergeben. Das trifft besonders kleine und mittlere Unternehmen, die stärker von der Bankenfinanzierung abhängig sind als Konzerne, die auf den Finanzmarkt zurückgreifen können. Der Internationale Währungsfonds (IWF) kommt zu dem Schluss: Zu viele faule Kredite senken das Wirtschaftswachstum.

Amerika macht es besser

Jenseits des Atlantiks ist diese Botschaft angekommen. „Die USA haben vieles richtig gemacht“, sagt Ökonom Demary. Die USA gründeten schon 2008 eine Bad Bank (Tarp), an die Banken notleidende Kredite auslagern können. Ein Großteil der Aktiva hat sich seitdem erholt, sodass das Programm mit einem Plus abschloss.

In Europa hingegen begann die Diskussion um eine Bad Bank erst lange nach der Krise. Der heutige SSM-Chef Andrea Enria schlug vor zwei Jahren eine gemeinsame „Auslagerungsstelle“ für Problemkredite vor. Doch der Vorschlag verschwand schnell in der Schublade. „Man hätte in Europa entschiedener aufräumen müssen“, resümiert Demary. Auch die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel, Professorin für Finanzmarktökonomie an der Universität Bonn, sieht das Vorgehen der Politik kritisch. Erst im Rahmen der Bankenprüfung Ende 2014 habe man die Definition notleidender Kredite vereinheitlicht. „Und ernsthafte Bestrebungen zu deren Abbau gab es erst viel später.“

Mittlerweile gibt es zwar eine politische Einigung, wie künftige notleidende Kredite reguliert werden. Für bestehende Kredite gilt sie aber nicht. Die Auflagen sind überdies milde. Sind künftige faule Kredite mit Immobilien unterlegt, bekommen die Banken neun Jahre Zeit, um allmählich Rückstellungen aufzubauen. In den USA haben die Banken dagegen nur sechs Monate Zeit, um nicht bediente Kredite abzubauen. Ökonomin Schnabel beklagt, dass die strengeren Pläne der EU-Kommission im Gesetzgebungsprozess „verwässert“ wurden. Und sie warnt, „dass sich die notleidenden Kredite rasch wieder erhöhen, wenn eine Rezession kommt“.

Problemfall Staatsanleihen

Die EU-Kommission hat daher nachgelegt. So will sie den Sekundärmarkt von notleidenden Krediten beleben, der ohnehin an Dynamik gewonnen hat. Ein Vorschlag für eine entsprechende Richtlinie kommt aber nur langsam voran. Zudem besteht ein praktisches Problem: Sobald die Zinsen wieder steigen, dürften Investoren ihr Interesse an notleidenden Krediten verlieren, weil dann auch anderswo Erträge locken.

Umstritten sind auch die Brüsseler Pläne, Banken schnelleren Zugriff auf Sicherheiten säumiger Schuldner zu verschaffen. Ein solcher außergerichtlicher Mechanismus stößt in einigen Mitgliedstaaten auf Widerstand - obwohl Ökonomen wie Schnabel ihn ausdrücklich empfehlen. „Ohne Druck von außen wird es nicht gehen“, sagt Schnabel zum Abbau der Altlasten.

Was die Lage noch komplizierter macht: Die Risiken in den Bankbilanzen beschränken sich nicht nur auf Kredite. Ein weiteres Problem sind Staatsanleihen, da die bisher in den Büchern als risikofrei bewertet werden. Ein Rating, das wenig mit der Realität zu tun hat, wie spätestens seit der Griechenlandkrise offenkundig ist. Doch vor allem Italien und Spanien wehren sich dagegen, Staatsanleihen mit einem Risikoaufschlag zu versehen, da die dortigen Banken überproportional viele Staatspapiere ankaufen. Nach einer Studie von Dominik Meyland und Dorothea Schäfer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung entstünde allein bei italienischen Banken ein zusätzlicher Eigenkapitalbedarf von fast zwölf Milliarden Euro, würden Anleihen ihren Null-Risiko-Status verlieren.

Wenn aber die Bankenrisiken nicht konsequent abgebaut werden, rückt ein zentrales Element der Europäischen Bankenunion in immer weitere Ferne - die gemeinsame Einlagensicherung. Risiken könne man erst teilen, wenn sie zuvor gesenkt worden seien, lautete schon das Mantra von Wolfgang Schäuble, als der noch Bundesfinanzminister war. Nachfolger Olaf Scholz sieht das ähnlich. Vor allem Italiens prekäre Situation dürfte ihn bestätigen.

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