Feindlicher Angriff Berlusconi bangt um sein Medienimperium

Fußballclub weg, politisch vom Thron gestoßen und jetzt auch noch ein Angriff auf sein Medienunternehmen. Italiens Ex-Ministerpräsident Berlusconi kämpft an allen Fronten um sein Erbe.

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Die Skandale des Silvio Berlusconi
Alzheimer-Patienten Geschichten vorlesen, sie bei motorischen Übungen unterstützen, sich um alte Menschen kümmern: So sahen die Freitagvormittage von Italiens Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi in den vergangenen Wochen aus. Nach zehn Monaten endet am Sonntag (8. März) sein Sozialdienst, am Freitag sollte er zum letzten Mal im katholischen Seniorenzentrum Sacra Famiglia bei Mailand arbeiten. Das bedeutet für Berlusconi auch mehr politische Freiheit - doch einige seiner großen Ziele bleiben ihm weiter verwehrt. Der Ex-Cavaliere darf nun auch ohne Genehmigung seine Heimatregion verlassen und sich am Wochenende in Rom aufhalten. Doch erst in einigen Wochen könnte seine Strafe für erledigt erklärt werden - bis dahin darf Berlusconi unter anderem weiter nicht ins Ausland reisen. Zuletzt hatte der 78-Jährige, der immer noch Leitfigur seiner Partei Forza Italia ist, vollmundig eine Rückkehr in die große Politik angekündigt: „Natürlich werde ich wieder kandidieren“, erklärte er. Doch das verhindert ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2013. Quelle: dpa
Karima el-Mahroug, bekannt als Ruby Quelle: AP
Bunga BungaBerlusconi hat nie bestritten, eine Schwäche für schöne Frauen zu haben. Da war zum einen eine junge Marokkanerin mit dem Spitznamen Ruby (im Bild), zum anderen ein Callgirl, die Tonbandaufnahmen hervorbrachte, auf denen Berlusconi sie angeblich auf seinem Anwesen in Rom bezirzt. Und dann gab es da noch eine 18-Jährige aus Neapel, die den Politiker angeblich „Papi“ nannte und der Hauptgrund sein soll, warum Berlusconis Frau ihn 2009 verließ. Er sei „kein Heiliger“, sagte Berlusconi einmal mit einem Augenzwinkern. Wegen seiner sogenannten Bunga-Bunga-Partys landete der 77-Jährige vor Gericht. Im Juni wurde er in der „Ruby“-Affäre wegen Sex mit einer Minderjährigen und Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt. Erneut reagierten viele Italiener - Männer und Frauen - entweder mit einem Achselzucken oder sogar ein wenig Bewunderung auf die Verurteilung des „Cavaliere“. Quelle: dpa
April 2014Ein Richter entscheidet, Berlusconi müsse seine Haftstrafe wegen Steuerbetrugs nicht im Hausarrest verbüßen; er kann stattdessen Sozialdienst in einem Altenheim leisten, den er im Mai beginnt. Quelle: AP
Februar 2014In Neapel beginnt ein Prozess wegen mutmaßlicher Bestechung eines linken Parlamentariers. Quelle: dpa
Oktober 2010Berlusconis beste Freunde sind womöglich am Ende auch seine größten Feinde. Ein gutes Beispiel ist die Hassliebe, die Berlusconi mit der populistischen Partei Lega Nord verbindet. Als die Lega Nord der ersten Berlusconi-Regierung nach einem Zerwürfnis die Unterstützung entzog, brach diese 1994 zusammen. Ein wackeliges Verhältnis verband Berlusconi auch mit der ehemaligen neofaschistischen Nationalen Allianz. 2010 entzog der Chef der Partei der Regierung Berlusconi seine Unterstützung, woraufhin es zu einem Misstrauensvotum kam, dass der damalige Ministerpräsident nur knapp überstand. 2011 zwang eine Rebellion von Mitgliedern der eigenen Partei Berlusconi zum Rücktritt. Dass Berlusconi auch den Rückhalt enger Verbündeter in seiner Partei Volk der Freiheit verloren hat, machte sich bemerkbar, als der Ex-Ministerpräsident einlenkte, um der Regierung Letta das Vertrauen auszusprechen. Berlusconis Versuch, die Regierung zu Fall zu bringen, war gescheitert. Der Weg für den Entzug seines Senatsmandats wurde geebnet. Quelle: REUTERS
August 2013Berlusconi wird erstmals rechtskräftig verurteilt - wegen Steuervergehen zu vier Jahren Haft. Für so ziemlich jeden anderen Politiker wäre der Richterspruch einem Todesurteil gleichgekommen, nicht aber für Berlusconi. In einem Video kündigt er an, in der Politik bleiben und die von ihm gegründete Bewegung Forza Italia wiederbeleben zu wollen. Wegen einer Amnestieregelung wurde seine Haftstrafe auf ein Jahr reduziert, Berlusconi darf zwei Jahre lang keine öffentlichen Ämter ausüben. Quelle: dpa

Die neue Regierung in Italien war gerade installiert, da kam der Angriff aus dem Ausland. So zumindest nahm man das in Italien wahr: Der französische Medienriese Vivendi kaufte sich beim italienischen Fernsehunternehmen Mediaset ein - obwohl die Italiener lautstark dagegen protestiert hatten. Wirtschaftsminister Carlo Calenda bezeichnete das Vorgehen als „feindliche Übernahme“ und versprach eine genaue Beobachtung durch die Regierung. Weil Mediaset zum Großteil Italiens Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi gehört, hat der Fall damit eine politische Dimension. Und er erzählt viel vom schleichenden Niedergang des ehemaligen „Cavaliere“.

Gesundheitlich ging es in diesem Jahr für den Mailänder Milliardär bergab. Im Juni musste sich der 80-Jährige einer Herz-OP unterziehen. Später sagte er: „Mit der Operation ist das Bewusstsein gekommen, dass ich ein Mann von 80 Jahren bin.“ Lange trat er nicht öffentlich auf, bis er zu der Kampagne für das Verfassungsreferendum im Dezember wieder überall seine Kommentare abgab.

Auch im Sportgeschäft gab es bessere Zeiten: Seinen geliebten Fußballclub AC Mailand hat Berlusconi an ein Konsortium chinesischer Investoren verkauft. Und politisch dümpelt seine Partei Forza Italia in Umfragen um die zehn Prozent herum. Diese Woche beantragte die Mailänder Staatsanwaltschaft auch noch die Eröffnung eines Prozesses wegen Zeugenbestechung gegen Berlusconi - dabei geht es um Frauen seiner ausschweifenden Partys, denen er Millionen gezahlt haben soll, um nicht gegen ihn vor Gericht auszusagen.

„Nein“ zur italienischen Verfassungsreform: Stimmen und Reaktionen

Mit dem Einstieg von Vivendi bei Mediaset droht ihm nun auch die unternehmerische Machtamputation. Die Franzosen erreichten am Mittwoch die Marke von 20 Prozent der Anteile. Man werde nicht zulassen, dass irgendjemand „unsere Unternehmerrolle beschneidet“, ließ Berlusconi wissen. Seine Unternehmensgruppe Fininvest, zu der Mediaset gehört, erstattete Anzeige wegen Marktmanipulation.

Vivendi-Vorsitzender Vincent Bolloré ist eine nicht minder schillernde Figur als Berlusconi. So geriet der schwerreiche Unternehmer vor Jahren in die Schlagzeilen, als der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy mit dem Privatjet des Geschäftsmannes nach Malta flog, um auf dessen Jacht auszuspannen.

Die neue Regierung ist auf Berlusconi angewiesen

Vivendi und Mediaset liegen seit Monaten im Streit, nachdem die Franzosen die Details einer vereinbarten Allianz neu aushandeln wollten. Eigentlich wollten die Unternehmen eine gemeinsame Plattform zum weltweiten Vertrieb von TV-Inhalten schaffen - in französischen Medien war von einem „europäischen Netflix“ die Rede.

Jetzt können italienische Kommentatoren nicht genug Kriegsrhetorik auffahren, um das Manöver zu beschreiben: Von einem „Blitzkrieg“, einer „Offensive“ und „Annektierung“ ist die Rede. Es wird befürchtet, dass sich Frankreich weiter in großem Stil in Italien einkauft. Unternehmen wie die Luxushäuser Bulgari und Fendi oder der Molkereiriese Parmalat gehören bereits zu französischen Konzernen. Vivendi ist bereits bei der Telecom Italia Großanteilseigner.

„Unser Land hat nicht nur die Pflicht, die strategischen öffentlichen Güter zu schützen, sondern auch die großen Unternehmen vor der Finanz-Kolonialisierung“, erklärte die Generalsekretärin des Gewerkschaftsbundes Cisl, Annamaria Furlan, zum Fall Mediaset.

Es sind politisch und wirtschaftlich heikle Zeiten in Italien. Die Wirtschaft lahmt seit Jahren. Die Regierung von Ex-Premier Matteo Renzi ist gerade erst über das Verfassungsreferendum gestürzt. Die Mannschaft von Renzis Nachfolger Paolo Gentiloni muss sich vorrangig um die Bankenrettung kümmern und ist für viele nur eine Übergangsregierung bis zu den nächsten Wahlen, die im Sommer stattfinden könnten. Und genau da kommt wieder Berlusconi ins Spiel.

Denn die neue Regierung könnte auch auf Berlusconis Unterstützung angewiesen sein. Vor allem beim Aushandeln eines neuen Wahlgesetzes, das eine Prämisse für Neuwahlen ist.

Offiziell heißt es zwar, man müsse sich für Unternehmen „strategisch entscheidender Sektoren“ einsetzen, und dazu gehöre der Medienkonzern. Die Opposition wittert aber politische Spielchen hinter dem Einsatz. „Warum hat die Regierung nichts gemacht, als Vivendi eine feindliche Übernahme bei Telecom Italia versucht hat? Und jetzt greift sie ein, um Mediaset zu unterstützen?“, fragte der Abgeordnete der Fünf-Sterne-Partei, Danilo Toninelli. „Die Regierung sollte immer eingreifen, um die italienischen Unternehmen zu schützen, nicht nur wenn Interessen verschiedener Art im Spiel sind.“

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