
Von Malte Fischer, Frank Doll, Mark Fehr, Stefan Hajek, Henning Krumrey, Niklas Hoyer, Annina Reimann, Hauke Reimer, Anton Riedl, Heike Schwerdtfeger, Cornelius Welp, Florian Zerfaß
Routiniert wie ein „Tagesschau“-Sprecher verliest Mario Draghi seine Einschätzung, souverän, kühl und emotionslos verpasst er Sparern einen Schlag mitten ins Gesicht. Die wichtigsten Leitzinssätze, sagt der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag in Frankfurt, dürften „für einen längeren Zeitraum auf dem aktuellen oder einem noch niedrigeren Niveau bleiben“.
Mickrige 0,25 Prozent Zinsen gibt die EZB derzeit vor – und für den Zentralbankpräsidenten ist das Ende der Entwicklung nach unten noch nicht erreicht? Für Sparer wird der Leitzins so zum Leidzins. Schlimmer noch: Der Niedrigzins ist nur ein Teil eines großen, düsteren Bildes. Sparer sind zum Lieblingsziel der Zentralbanker und Politiker geworden. Ob Bargeld, Wertpapiere, Aktien oder Edelmetalle, auf längere Sicht ist das Geld nirgendwo mehr sicher. Denn Sparer werden die Zeche zahlen für eine exzessive Schuldenpolitik. Je aberwitziger die Verpflichtungen werden, die Staaten bedienen müssen, desto dreister werden die Ideen, mit denen die Politik Zugriff auf unser Geld bekommen will.





Viele Instrumente aus deren Folterkammer werden noch nicht angerührt. Doch es gibt Anhaltspunkte dafür, dass sich das ändern könnte: in der öffentlichen Debatte, bei politischen Vorstößen, mit Blick auf historische Beispiele – und zum Teil sogar im Koalitionsvertrag, wenn man ihn genau liest. Die WirtschaftsWoche skizziert die markantesten Bedrohungen, denen Sparer ausgesetzt sind.
Bedrohung 1: Vom Niedrig- zum Negativzins
Auf dem Tisch der Frankfurter Notenbanker liegen weitere Vorschläge, die die Wirtschaft mit Geld fluten und die Zinsen drücken sollen, von Geldleihgeschäften für die Banken bis hin zur Absenkung des Einlagenzinses der EZB unter null. Der Einlagenzins ist der Zins, zu dem Banken nicht benötigtes Zentralbankgeld bei der EZB parken können. Früher erhielten sie dafür Zinsen, jetzt nicht mehr. Dennoch haben die Banken dort derzeit rund 50 Milliarden Euro deponiert. Senkte die EZB den Zins auf –0,1 Prozent, wie manche Beobachter erwarten, müssten die Banken 56 Millionen Euro Strafzinsen pro Jahr zahlen.

Negativzinsen, so die offizielle Begründung, sollen die Banken dazu bewegen, Kredite an Unternehmen in den Krisenländern zu vergeben. Ob das Kalkül aufgeht, ist fraglich. Zu hoch sind die Schulden, unter denen Unternehmer und Bürger dort ächzen. Daher liegt der Verdacht nahe, dass Negativzinsen für EZB-Einlagen einem anderen Ziel dienen: „Die Banken sollen mit dem Geld verstärkt in marktfähige Assets der Krisenländer, vor allem in Staatsanleihen, investieren“, sagt Johannes Mayr, Volkswirt der BayernLB.
Minuszins: Strafe für Sparer?
Dass die EZB die Zinsen tatsächlich bald auf unter null senkt, wird unter Frankfurter Bankern ernsthaft diskutiert. „Negative Zinsen halte ich heute nicht für sehr wahrscheinlich. Falls es aber dazu kommen sollte, könnten Banken ganz gut damit umgehen“, sagt Commerzbank-Vorstand Martin Zielke.