Insgesamt musste die Hälfte abgegeben werden. Die Belastung wurde auf 30 Jahre gestreckt, pro Jahr ergab das 1,67 Prozent Abgabe. In der Regel konnten diese Raten aus laufenden Erträgen bezahlt werden, deren reale Belastung durch die Geldentwertung der folgenden Jahre noch verringert wurde. Insgesamt kamen 135 Milliarden Mark zusammen. 1960 entsprach das etwa der Hälfte der Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik. Verfassungsrechtlich wäre eine solche Abgabe heute nur in einer schweren Krise drin – in der befindet sich Deutschland nicht.
Blaupause Zypern
Viele haben die Stimme der Kanzlerin noch im Ohr: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind“, sagte Angela Merkel im Oktober 2008 und verhinderte einen Bank-Run. Damals ging es um die gesamten Spareinlagen. Der Koalitionsvertrag kippt, weitgehend unbemerkt, die Merkel-Garantie. Jetzt gilt bloß: „Sparer mit einer Einlage bis zu 100.000 Euro werden geschützt.“ Die Summe ist kein Zufall, sondern EU-weit geregelt.
Modell stand dabei ausgerechnet ein Land, das partout keines sein sollte: Zypern. Als die größten Banken im Sommer 2012 kurz vor der Pleite standen, bat Zypern die EU um Hilfe. Doch die zierte sich.
Insgesamt 17 Milliarden Euro benötigte die Insel. Zypern war jedoch als Schwarzgeldparadies für reiche Russen verpönt, Oligarchen mit Steuergeldern rauszuboxen: undenkbar. Die Europäer setzten als Bedingung für Hilfskredite durch, dass die Sparer beteiligt wurden. Nach zähem Kampf um die Höhe des Freibetrags stand fest, dass alle Guthaben ab 100.000 Euro dran waren – rund die Hälfte wurde in Aktien der Bank umgewandelt, ein weiterer Teil eingefroren.
Der niederländische Finanzminister und Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselblom bezeichnete die Lösung in Interviews als „Blaupause“ und warnte andere Länder, „seid euch im Klaren darüber, wenn Banken in Probleme geraten, kommen wir nicht automatisch, um sie zu lösen.“ Empört wiesen Politiker quer durch Europa diese Einschätzung zurück. In jedem Fall zeigt Zypern modellhaft, wie Politiker agieren: vorpreschen, austesten, den verbalen Rückzug antreten, als Einzelfall darstellen.
Der US-Ökonom Barry Eichengreen hatte bereits in einer Studie von 1989 („Vermögensabgabe in Theorie und Praxis“) anhand historischer Beispiele von der Tschechoslowakei 1920 bis Japan 1946 herausgearbeitet, wie eine erfolgreiche Zwangsmaßnahme ablaufen muss: Überraschend, schnell, ohne politische Debatten und lange Gesetzesinitiativen – sonst flieht das Kapital über die Grenzen oder in andere Anlageformen, und der Schnitt wird von Lobbygruppen verwässert: „Die wenigen erfolgreichen Vermögensabgaben ereigneten sich unter Umständen wie im Nachkriegs-Japan, wo wichtige Elemente des demokratischen Prozesses unterbunden wurden“, so Eichengreen. Die US-Besatzungsmacht hatte damals, anders als gewählte Regierungen, keinen Vertrauensverlust zu befürchten.
Zehn Prozent auf alles?
Trotz derartiger Einsichten hat die Debatte um eine Vermögensabgabe an Fahrt gewonnen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) widmete im Oktober nur eine halbe Seite einer knapp 100 Seiten umfassenden Steuerstudie der Idee einer einmaligen Abgabe auf sämtliche Vermögen. Doch der Abschnitt hat es in sich.