
„Das Programmvolumen wird, wie von vornherein klar beschlossen, zehn Milliarden Euro betragen. Mehr als zehn Milliarden Euro Darlehen sind nicht drin“, betonte Schäuble im Interview. Würde man höhere Kredite gewähren, sei die „Schuldentragfähigkeit Zyperns nicht gewährleistet“.
Dass Zypern insgesamt 23 Milliarden Euro für eine Rettung braucht – sechs Milliarden Euro mehr als vereinbart –, sei offiziell nicht bestätigt. „Es hat diese nie als offizielle Zahlen über den gesamten Finanzbedarf gegeben. Sie beruhten auf vorläufigen, inoffiziellen Annahmen.“
Dass die Euro-Länder überhaupt Zypern Hilfszusagen machen, obwohl die Privathaushalte in Zypern nach einer EU-Studie die höchsten Vermögen besitzen, verteidigt Schäuble. Zum einen gebe es in Südeuropa oft keine vergleichbare Altersversorgung, weshalb „der Aufbau von Vermögen, insbesondere Immobilienvermögen, ein wichtiger Teil der Alterssicherung“ sei. Die Studie sei ihm aber nicht unsympathisch: „Sie widerspricht dem vielfach veröffentlichten Eindruck, die notwendigen Reformprozesse überall in der EU würden den Süden Europas in bittere Armut treiben.“ Außerdem sei es für Deutschland auch aus Eigeninteresse wichtig, Zypern zu helfen. „Wir unterstützen nicht die anderen aus Jux und Tollerei, sondern wir stützen und schützen unsere gemeinsame Währung, unsere Exportchancen und letztendlich die Stellung und die Chancen Europas in der Welt und damit auch die von uns Deutschen.“
Beteiligung der Sparer ist Vorbild für ähnliche Krisen
Nach dem Chef der Euro-Gruppe, dem niederländischen Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, hat nun auch Wolfgang Schäuble die Zypern-Rettung als Vorbild für ähnliche Krisenfälle bezeichnet. Auch in Zukunft müssten zur Rettung von Banken deren Inhaber, Gläubiger und die Sparer einen Beitrag leisten, sagte Schäuble. „Die Beteiligung von Eigentümern, nachrangigen Anleihegläubigern und dann ungesicherten Anlegern muss der Normalfall sein, wenn ein Finanzinstitut in eine Schieflage gerät“, unterstreicht Schäuble. „Ansonsten bekommen wir das Moral-Hazard-Problem nicht in den Griff, dass Banken mit riskanten Geschäften fette Gewinne machen, aber im Fall eines Scheiterns dann die Verluste der Allgemeinheit aufbürden“, erklärt der Finanzminister. „Das darf nicht sein.“
Dijsselbloem, der für ähnliche Äußerungen scharf kritisiert wurde, nimmt Schäuble ausdrücklich in Schutz. „Herr Dijsselbloem ist in der Substanz zu Unrecht gescholten worden. Und auch nicht von mir.“
"Eine gewisse Gelassenheit"
Als „unschöne Exzesse“ kritisiert Schäuble die Nazi-Darstellungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel durch Demonstranten und Medien in Südeuropa. „Das sind natürlich unschöne Exzesse, und ich finde es nicht nett, wenn die Bundeskanzlerin und auch ich in Nazi-Uniform dargestellt werden“, so Schäuble im Interview. Er mahnt dennoch zur Zurückhaltung. „In pluralistischen Gesellschaften sollte man nicht mit einem pawlowschen Reflex auf den Blödsinn Einzelner reagieren, sondern eine gewisse Gelassenheit an den Tag legen. Vor allem dann, wenn eigentlich alle repräsentativen Umfragen ganz klar zeigen, dass die Deutschen bei den Sympathiewerten in den ganz oberen Rängen wiederzufinden sind."
Keine Steuersenkungen - aber kalte Progression muss weg
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht derzeit keine Spielräume für Steuersenkungen, will aber nach einer gewonnenen Bundestagswahl einen neuen Vorstoß zur Milderung der sogenannten kalten Progression starten. „Der Spielraum für Steuersenkungen ist sehr begrenzt. Das ergibt sich schon aus der nach wie vor hohen öffentlichen Verschuldung“, dämpft Schäuble im Interview Hoffnungen auf Steuersenkungen nach der Bundestagswahl. „Außerdem ist unsere Steuerbelastung im OECD-Vergleich moderat. Selbst bei der Abgabenbelastung, also unter Einbeziehung der Sozialversicherung, stehen wir – bezogen auf die gebotene Infrastruktur von Straßen, Flughäfen, aber auch Verwaltung und Rechtsstaatlichkeit – nicht schlecht da.“
Stattdessen kündigt Schäuble an, trotz der Ablehnung im Bundesrat einen neuen Vorstoß zur Abschaffung der kalten Progression zu starten. „Wir wollen nur die Steuern, die wir auch beschlossen haben. Und wenn durch die Preissteigerung mehr Geld hereinkommt, dann müssen wir es den Bürgern zurückgeben.“ Derzeit kassiere der Staat rund drei Milliarden Euro zusätzlich als Folge der Preissteigerung. „Deshalb ist es für mich immer noch unverständlich, dass unser Vorstoß zur Abmilderung der kalten Progression aus parteitaktischen Gründen vom Bundesrat blockiert worden ist. Das hätte den Bürgern zugestanden. Aber in der nächsten Legislaturperiode werden wir es wieder probieren.“