Sie sind erst Ministerin geworden, nachdem das Grundeinkommens-Experiment begonnen hatte. Finden Sie die Idee eines Grundeinkommens überhaupt gut?
Ich denke, die Idee eines Grundeinkommens hat politisch viel Akzeptanz. Viele Parteien waren dafür, es auszuprobieren. Ich bin stolz, dass wir jetzt nützliche Daten für die Zukunft produzieren. Aber ich möchte betonen, dass es sich nur um ein Experiment handelt, nicht um ein Modell. Es ist nur ein Ausgangspunkt. Umgesetzt werden könnte es so nicht, dafür ist es viel zu teuer.
Wieso teuer? Die Teilnehmer bekommen doch genau den gleichen Betrag wie vorher unter der normalen Arbeitslosenhilfe.
Beim jetzigen Grundeinkommen können die Teilnehmer die komplette Summe behalten, selbst dann, wenn sie einen Job annehmen. Dadurch ist es eine Art Helikopter-Geld. Man kann niemals genug Helikopter-Geld für alle haben. Ab einem gewissen Punkt müssten deshalb Steuern greifen. Die gibt es im jetzigen Experiment nicht, es ist also recht großzügig.
Nicht alle würden 560 Euro im Monat als großzügig bezeichnen.
Natürlich sind 560 Euro angesichts der Lebenshaltungskosten in Finnland nicht viel Geld. Der Betrag ist deshalb so niedrig, damit die Leute eine Beschäftigung aufnehmen, anstatt zu Hause zu bleiben. Aber die meisten Teilnehmer sind zufrieden. Alles, was man über sie in den Medien liest, klingt positiv.
Bislang hat sich nur eine sehr kleine Gruppe von ungefähr 20 Teilnehmern in den Medien zu Wort gemeldet. Die meisten von ihnen sind erfolgreich und gebildet und waren nur kurzzeitig arbeitslos. Was ist mit dem Rest?
Wir können die anderen nicht zwingen, an die Öffentlichkeit zu gehen. Ohnehin könnte es die Studienergebnisse verzerren, wenn jetzt schon zu viele Details bekannt würden.
Die zuständigen Forscher vom Sozialinstitut Kela hätten das Experiment gerne erweitert. Sie haben diese Bitte ignoriert, so dass es nun Ende des Jahres ausläuft. Weshalb?
Unser Budget ist begrenzt. Wir konnten nicht mehr als 20 Millionen Euro ausgeben. Deshalb konnten wir nicht mehr als 2000 Menschen einbeziehen. Aber mir ist bewusst, dass das jetzt nicht das perfekte Experiment ist, und dass es keine Blaupause sein kann.
Ihre Regierung hat beschlossen, Arbeitslose, die sich nicht um Jobs kümmern, stärker zu sanktionieren. Das hat für viel Verwirrung gesorgt, weil es dem Gedanken des Grundeinkommens diametral entgegenläuft.
Die sogenannte Aktivierung wurde von unserem Finanz- und Arbeitsministerium ausgehandelt, nicht von mir. Sie soll die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Es stimmt, Grundeinkommen und Aktivierung gehen nicht in dieselbe Richtung, vielleicht widersprechen sie sich sogar. Aber ich bin mir sicher, dass das Grundeinkommensexperiment nötig war und es immer noch ist. Um zu sehen, wie wir unser Sozialsystem vereinfachen können.
Das finnische Sozialsystem gilt vielen als Vorbild. Wieso sehen Sie es als Problem?
Unser heutiges Sozialsystem sprengt den Rahmen: Es ist gut gemeint, aber es ist zu komplex geworden. Es gibt aktuell ungefähr 30 verschiedene Sozialleistungen. Alle Parteien sind sich einig, dass das System vereinfacht werden muss.
Wenn Sie sich ein ideales System ausdenken dürften, wie würde das aussehen?
Ich würde negative Steuern einführen. Und ich würde die Sozialleistungen auf fünf oder sechs Kategorien beschränken, zum Beispiel eine für Familien, eine für Krankheit, eine für Schüler und Studenten, eine für Arbeitslose und eine fürs Wohnen. Das ist jetzt natürlich sehr kurz umrissen. Eine echte Reform wäre unwahrscheinlich komplex.
Die Welt blickt gebannt auf Ihr Experiment. Denken Sie, dass andere Länder aus den Ergebnissen lernen können?
In manchen Fällen schon. Zwischen den skandinavischen Ländern etwa gibt es viele Ähnlichkeiten. Aber in anderen Bereichen Europas sind die Wirtschaftssysteme ganz unterschiedlich, etwa in Ost- oder Südeuropa. Was in Finnland funktioniert, funktioniert nicht automatisch in Südeuropa und umgekehrt. Eine gute Lektion ist sicherlich, dass man manchmal einfach mit einem Experiment beginnen muss.