Finnland Schuldenangst im Euro-Musterland

Finnland gehört mit seinem Top-Rating zu den letzten Stützpfeilern der Euro-Zone. Doch damit könnte es bald vorbei sein, warnt die finnische Zentralbank.

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Diese Staaten stecken am tiefsten in den Miesen
Japan – 245 Prozent des BruttoinlandsproduktsDer Inselstaat ist Rekordhalter unter den Industriestaaten. Dennoch kann sich Japan ohne Probleme am Kapitalmarkt refinanzieren. Die Rendite zehnjähriger japanischer Staatsanleihen liegt unter einem Prozent. Japan hat eine völlig andere Schuldenstruktur als etwa Griechenland. Der Staat verschuldet sich bei seinen eigenen Bürgern, nicht bei internationalen Investoren. Nur rund fünf Prozent der Schuldtitel gehören Ausländern. Bei den entscheidenden 95 Prozent hilft der Staat allerdings kräftig nach. Er zwingt die staatlichen Pensionsfonds mit strengen Investitionsrichtlinien, der Regierung Kredit zu geben. Sie investieren im Schnitt 55 Prozent ihres Vermögens in heimische Staatsanleihen. Quelle: dpa
Griechenland – 182 Prozent des BIPIm Gegensatz zu Schulden-Spitzenreiter Japan ist die Hohe Schuldenlast für Griechenland fatal und das Land auf Hilfskredite der Euro-Partnerländer angewiesen. Bei den Rettungspaketen für Griechenland wird vor allem um diese Schuldenquote gerungen, die bis 2020 auf 120 Prozent gedrückt werden soll. Erst bei diesem Wert kann sich ein Land nach gängiger Meinung der Ökonomen wieder selbst an den Kapitalmärkten langfristig refinanzieren. Wegen der schrumpfenden griechischen Wirtschaft dürfte die Schuldenquote Griechenlands zunächst aber weiter steigen. Quelle: dpa
St. Kitts and Nevis – 139 Prozent des BIPGriechische Verhältnisse in Karibik: Die kleine Inselföderation hat ihre Schulden in erster Linie durch das unrentable Wirtschaften der staatlichen Zuckerproduzenten aufgetürmt. Anders als Griechenland vermag es der 50.000-Einwohner-Staat aber nicht, auf den internationalen Finanzmärkten für Unruhe zu sorgen. Dazu ist sie zu bedeutungslos. Auch die gesamte Währungsunion hat der Staat, der zum britischen Commonwealth gehört, nicht in tiefgreifende Probleme gestürzt. Zusammen mit den anderen Antilleninseln Anguilla, Antigua und Barbuda, Dominica, Grenada, Montserrat, St. Lucia sowie St. Vincent und die Grenadinen bildet sie eine Währungsunion. Seit 1965 nutzen diese Staaten gemeinsam den Ostkaribischen Dollar. (im Bild: Ein Autofahrer füllt an einer Zapfsäule in der Hauptstadt Basseterre seinen Tank auf) Quelle: REUTERS
Jamaika – 140 Prozent des BIPTraumhafte Strände, traumatische Staatsverschuldung: Der Karibikstaat ging noch vor Island bankrott – fast unbemerkt von der internationalen Aufmerksamkeit. Mit Beginn der Finanzkrise brach der Tourismus ein, ebenso flossen weniger Überweisungen von Exil-Jamaikanern, was die Rezession auf der Insel verstärkte. Die Staatsverschuldung wuchs sprunghaft von 126 Prozent (2008) auf 143 Prozent (2010). Hinzu kommen hohe Kriminalität, Schutzgelderpressung und Drogenhandel. Mit Unterstützung des Internationalen Währungsfonds ging der Im Fall der Reggae- und Rastainsel in einen geordneten Konkurs. 2012 hat Jamaika seine Schuldenlast um drei Prozent gesenkt. Quelle: dpa/dpaweb
Libanon – 135 Prozent des BIPDie extrem hohe Staatsverschuldung ist eines der Schlüsselprobleme im Libanon. Für Zinszahlungen müssen mehr als 40 Prozent der gesamten Staatseinnahmen ausgegeben werden. Die Dollarisierung der Spareinlagen ist trotz des politischen Stillstands und der Weltwirtschaftskrise zurückgegangen. Die Finanzierung der Staatsverschuldung wird im Grunde dadurch gesichert, dass im Ausland lebende Libanesen und langfristig orientierte Investoren aus den Golfstaaten Vertrauen in das libanesische Bankensystem haben´ Quelle: AP
Italien – 128 Prozent des BIPItaliens Schuldenberg wächst in der Rezession weiter und weiter. Planungspapiere der Regierung belegten, dass die Verschuldung des Staates 2013 vermutlich sogar ein neues Rekordniveau von 130,4 Prozent der Wirtschaftsleistung erreicht. Schon im Mai lag die Schuldenlast Italiens bei mehr als zwei Billionen Euro. Bislang erwartete die Regierung einen Rückgang der Schuldenstandsquote. Quelle: dpa
Eritrea – 128 Prozent des BIPDie gesamte Volkswirtschaft des afrikanischen Landes müsste 1,28 Jahre arbeiten und die Erlöse vollständig an die Gläubiger des Staats abgeben, um die Staatsschuld zu tilgen (plus Zinsen, die dann weiterarbeiten). Dabei gehört das Land zu den ärmsten der Erde. Zwar erwartet Eritrea für 2013 mit ein reales Wirtschaftswachstum von acht Prozent – und damit mehr als drei Mal so viel wie 2012 – allerdings sieht es für die Wirtschaft der abgeschotteten Quasi-Diktatur jenseits der ordentlich anlaufenden Kupfer- und die Goldförderung düster aus. Schätzungsweise zwei Drittel der Bevölkerung sind auf Lebensmittelhilfen der Regierung angewiesen und müssen dennoch Hunger leiden. Die internationale Abschottung führt zudem zu hoher Inflation, Devisenknappheit und öffentlicher Verschuldung. (im Bild: Zwei eritreische Kinder spielen hinter Wasserkanistern in Dadu, 120 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Asmara) Quelle: AP

Geringe Schulden, ein Bildungssystem mit Vorzeigecharakter und kompromisslose Politiker in Euro-Verhandlungen: Finnland zeigt’s den Deutschen, titelten wir im August 2012. Heute, eineinhalb Jahre später, fürchtet das Land vom Vorbild zum Sorgenkind zu werden. Laut der finnischen Zentralbank droht dem Land ein starker Anstieg der Schuldenlast. Die Haushaltslage könne gar „italienische Züge“ annehmen, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg.

Wissenswertes über Finnland

Wenn die Volkswirtschaft mit den besten Ratings in der Eurozone – Finnland ist das einzige Land im Euro-Raum, das bei den drei großen Ratingagentur über die Spitzenbonitätsnote “AAA” mit stabilem Ausblick verfügt – eine Verdopplung des Schuldenniveaus in etwa 15 Jahren vermeiden wolle, müsse die Regierung dringend sparen und Reformen angehen, ergaben Berechnungen der finnischen Zentralbank in Helsinki, so Bloomberg.

Die Banker sorgen sich vor allem über den demografischen Wandel. Das nördlichste Euro-Mitglied hat mit der am schnellsten alternden Bevölkerung in der EU zu kämpfen. “Die Kosten im Zusammengang mit der Alterung werden in den nächsten zwei Jahrzehnten schneller zunehmen als anderswo”, sagte Petri Maeki-Fraenti, ein Ökonom der finnischen Zentralbank, im Interview mit Bloomberg News. Die Belastungen durch die Alterung der Gesellschaft seien ein “entscheidender” Faktor für das beschleunigte Schuldenwachstum nach 2020.

Greife die Regierung nicht ein, könnte die Staatsverschuldung bis 2030 die Marke von 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) übersteigen, warnte die Zentralbank. Zum Vergleich: Der Verschuldungsgrad belief sich 2012 auf 53,6 Prozent.

Immerhin: Die Regierung ist zum Handeln bereit. Die Sechs-Parteien-Koalition in Finnland hatte zwischen August und November ein Maßnahmenpaket zusammengestellt, mit dem die öffentlichen Ausgaben gestrafft und verringert werden sollen. Damit soll eine Finanzlücke von mehr als neun Milliarden Euro bis 2017 gestopft werden. An Änderungen bei den Renten und im Gesundheitswesen wird derzeit noch gearbeitet. Alle Maßnahmen müssen unabhängig voneinander durchs Parlament.

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