In Oulu zeigt sich derweil die Mischung aus äußeren Einflüssen und eigenen Fehlern, die für die Krise verantwortlich sind. Als am Wochenende die IT-Konferenz Game Spring stattfand, knubbelten sich die Spieleentwickler auf der Suche nach jungen Talenten.
Mindestens 300 Spieleentwickler werden derzeit in der Stadt gesucht – ohne Erfolg. „Nachdem im IT-Sektor viele Ingenieure ihre Arbeit verloren haben, kamen internationale Firmen schlagartig nach Oulu, um sie abzuwerben“, berichtet Heikki Räisinen, Chefökonom des finnischen Arbeitsministeriums. „Das Angebot zieht die Nachfrage an wie der Honig die Bienen.“
Eine ziemlich optimistische Perspektive. Denn die finnischen Arbeitnehmer sind in der Masse zwar gut ausgebildet – müssen aber immer teurer bezahlt werden. Da Nokia in seinen besten Zeiten den Arbeitsmarkt fast leer kaufte, mussten andere Branchen nachlegen, um überhaupt eine Chance zu haben. Die Lohnstückkosten stiegen immer weiter, bis heute. Auch die Konditionen der Arbeitslosenversicherung sind gerade in den ersten Monaten so attraktiv, dass sie dem Arbeitsmarkt viel Dynamik entziehen.
Die in den fetten Jahren verwöhnten Gewerkschaften haben eine Flexibilisierung bisher erfolgreich abgelehnt. Das macht Finnland nicht nur im Vergleich zum Süden Europas unattraktiv, sondern auch gegenüber der unmittelbaren Nachbarschaft. Die Schifffahrt von Helsinki ins estnische Tallin dauert nur gut zwei Stunden – die Lohnkosten sinken auf dem kurzen Weg um zwei Drittel.
Russlandkrise spitzt Probleme zu
Solange die finnische Wirtschaft hochprofitable Innovationen hervorbrachte und die Produktivität kräftig wuchs, konnte sie sich hohe Löhne leisten. Seit Nokia keine Rolle mehr spielt, bleiben die Innovationen aber aus.
Das liegt auch daran, dass der Staat in Finnland anders als in Schweden oder Dänemark selbst in der Unternehmenswelt kräftig mitmischt. Ein Vermächtnis aus der Zeit als Frontstaat zur Sowjetunion. An elf der 25 Unternehmen im Leitindex OMX hält der Staat Anteile – beim größten Mineralölkonzern, beim wichtigsten Energieversorger und bei der Fluggesellschaft Finnair ist er Mehrheitseigner.
Die Atomkraftwerke des Landes werden von einer Gesellschaft betrieben, die teils dem Staat, teils der finnischen Papierwirtschaft gehört. Diese Verbindungen blockieren eine dynamische Veränderung der Wirtschaftsstruktur. Bis heute hängt das Land stark von Unternehmen der Forst- und Papierwirtschaft oder den Werften ab, deren mangelhafte Produktivität viel zu lange geduldet wurde.
Durch die Russlandkrise haben sich diese strukturellen Probleme zuletzt zugespitzt. Einige der angeschlagenen Unternehmen des Landes aus dem Handel, der Milch- und der Forstwirtschaft hatten massiv in den russischen Markt investiert. Die Rezession dort gefährdet sie nun in ihrer Existenz.
Noch hat Finnland viele gute Argumente auf seiner Seite: Das ausgezeichnete Bildungssystem, effiziente Behörden und eine hervorragende Infrastruktur. Auch die Gelassenheit der finnischen Wähler gibt Grund zum Optimismus.
Juha Sipilä, der aussichtsreichste Kandidat, tritt mit einem einzigen Versprechen an: Wir müssen sparen, und zwar alle. Sipilä hat bereits angekündigt, dass er bald mit den Gewerkschaften und Unternehmen über nötige Arbeitsmarktreformen sprechen will. Ein langes Zögern kann sich das Land auch nicht mehr erlauben.