Seit seiner Einführung wird der Euro von der Forderung begleitet, dass eine Währungsunion eine politische Union brauche. Geht es nach Politikern wie dem französischen Präsidenten François Hollande soll die nun tatsächlich kommen – mit einer gemeinsamen Steuer, einem eigenen Finanzminister und einem eigenen Budget. Das aber führt nicht zu einer politischen Union, sondern zu einer Fiskalunion. Und die macht alles nur noch schlimmer.
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Hans-Werner Sinn, 67, ist seit 1999 Präsident des ifo Instituts und seit 1984 Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
Eine wirkliche politische Union würde nicht mit dem gemeinsamen Geld beginnen, sondern mit einem gemeinsamen Machtzentrum, das die Entwicklung eines einheitlichen Staatswesens ermöglicht. Dazu gehören eine gemeinsame Justiz, eine gemeinsame Regierung, ein Parlament mit gleichen Stimmrechten für alle, eine gemeinsame Außenpolitik und vor allem eine gemeinsame Armee. So war es in den USA, und so war es in der Schweiz. Wenn die deutsche Politik mutig ist, wird sie Hollande beim Thema Armee festnageln, bevor es weitergeht. Dann kann er zeigen, ob er es ernst meint mit Europa oder nur an das Geld anderer Leute heran will.
Party mit geliehenem Geld
Europa hat nun schon die gemeinsame Währung, und weil die nicht funktioniert und die Völker Europas gegeneinander aufbringt, soll jetzt der Kitt eines Umverteilungssystems alles zusammenhalten. Das ist nicht unplausibel. Es liegt sogar in der Logik der bisherigen Entwicklung, und die lief so:
Nachdem der Euro eine Party mit geliehenem Geld steigen ließ, kam die Wettbewerbskrise. Viele Länder hatten über ihre Verhältnisse gelebt, waren zu teuer geworden und konnten ihre Waren nicht mehr verkaufen. Die Gläubiger rochen Lunte. Sie wollten ihr Geld zurück.
Neun Klischees über die EU – und die Wahrheit dahinter
Die EU gilt vielen als Verwaltungsmoloch. Mit rund 33.000 Mitarbeitern beschäftigt die EU-Kommission in etwa so viele Menschen wie die Stadtverwaltung München.
Seit der Einführung direkter Europawahlen 1979 hat das EU-Parlament deutlich mehr Einfluss gewonnen. Die Abgeordneten bestimmen über die meisten Gesetze mit, haben das letzte Wort beim Haushalt und wählen den Kommissionspräsidenten.
Deutschland leistet den größten Beitrag zum EU-Haushalt. 2012 zahlte Berlin netto 11,9 Milliarden Euro. Gemessen an der Wirtschaftsleistung sind Dänemark oder Schweden aber noch stärker belastet.
Zehn Jahre nach der Osterweiterung erweist sich die Angst vor dem „Klempner aus Polen“ als unbegründet. Stattdessen wächst die Wirtschaft in den neuen Mitgliedstaaten.
Neue Sanktionen gegen Russland beweisen: Die EU spielt eine Rolle in der Ukraine-Krise - ebenso wie bei anderen Krisenherden in aller Welt. Den EU-Staaten fällt es dennoch oft schwer, in der Außenpolitik mit einer Stimme zu sprechen.
Bereits seit 2009 abgeschafft, lastet die „Verordnung (EWG) Nr. 1677/88“ noch wie ein Fluch auf Brüssel. Die Vorschrift setzte Handelsklassen für das grüne Gemüse fest und gilt als Paradebeispiel für die Regulierungswut von Bürokraten.
In diesem Jahr verfügt die EU insgesamt über mehr als 130 Milliarden Euro. Das ist viel Geld, entspricht aber nur rund einem Prozent der Wirtschaftsleistung der Staaten.
Die Landwirtschaft macht einen sehr großen, aber kleiner werdenden Teil des EU-Haushalts aus. Der Agrar-Anteil am Budget ist in den vergangenen 30 Jahren von 70 auf 40 Prozent geschrumpft.
Die EU-Abgeordneten erhalten monatlich zu versteuernde Dienstbezüge von 8020,53 Euro. Hinzu kommen stattliche Vergütungen etwa für Büros, Mitarbeiter und Reisen. Ein Bundestagsabgeordneter erhält 8252 Euro, ebenfalls plus Zulagen.
Da warfen die Schuldner die Druckerpresse an, um die Gläubiger auszuzahlen. Da das prima funktionierte, druckte man gleich so viel Geld, dass man damit auch noch deutsche Autos und südkoreanische Fernsehapparate kaufen konnte. Auch die Bundesbank musste über das interne Verrechnungssystem der Notenbanken viele Griechen- und Italien-Euros in deutsche Euros umtauschen. Die Süd-Euros stehen bis heute zu Hunderten von Milliarden Euro als Forderung an das Euro-System (Target-Saldo) in ihrer Bilanz.
Im Schlaf das Geld aus der Tasche ziehen
Der Club Med hatte nun freilich die Europäische Zentralbank (EZB) statt der privaten Gläubiger am Hals. Die bedrängte die Politik, sie herauszuhauen und selbst Kredit zu gewähren. Das klappte. Es sprangen dabei für den Club auch noch genug Nord-Euros zum Leben ab.
Nun stören freilich die Schulden bei den Rettungsschirmen. Aber die sind nicht so schlimm wie die Bankschulden, mit denen alles anfing. Statt sich mit den harten Burschen beim Pariser Club herumzuschlagen oder vor US-Gerichten zu bestehen, braucht man mittlerweile offenbar nur ein paar Demonstranten anzustacheln, um das Problem einer Lösung zuzuführen.
Von Grexit bis Graccident - die wichtigsten Begriffe zur Schuldenkrise
Der Kunstbegriff wurde aus den englischen Worten für „Griechenland“ (Greece) und „Ausstieg“ (Exit) gebildet - gemeint ist ein Ausstieg oder Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone. So etwas ist in den EU-Verträgen allerdings gar nicht vorgesehen. Die Idee: Würde Griechenland statt des „harten“ Euro wieder eine „weiche“ Drachme einführen, könnte die griechische Wirtschaft mit einer billigen eigenen Währung ihre Produkte viel günstiger anbieten.
Neuerdings wird auch vor einem unbeabsichtigten Euro-Aus der Griechen gewarnt. Das Kunstwort dafür besteht aus Greece und dem englischen Wort für „Unfall“ (Accident) - wobei das Wort im Englischen auch für „Zufall“ stehen kann. Gemeint ist ein eher versehentliches Schlittern in den Euro-Ausstieg, den eigentlich niemand will - der aber unvermeidbar ist, weil Athen das Geld ausgeht. Mittlerweile taucht die Wortschöpfung auch als „Grexident“ auf.
Staaten brauchen Geld. Weil Steuereinnahmen meist nicht ausreichen, leihen sie sich zusätzlich etwas. Das geschieht am Kapitalmarkt, wo Staaten sogenannte Anleihen an Investoren verkaufen. Eine Anleihe ist also eine Art Schuldschein. Darauf steht, wann der Staat das Geld zurückzahlt und wie viel Zinsen er zahlen muss.
Im Grunde handelt es sich ebenfalls um Anleihen - allerdings mit deutlich kürzerer Laufzeit. Während Anleihen für Zeiträume von fünf oder zehn oder noch mehr Jahren ausgegeben werden, geht es bei T-Bills um kurzfristige Finanzierungen. Die Laufzeit solcher Papiere beträgt in der Regel nur einige Monate.
Manchmal hat ein Staat so viel Schulden, dass er sie nicht zurückzahlen kann und auch das Geld für Zinszahlungen fehlt. Dann versucht er zu erreichen, dass seine Gläubiger auf einen Teil ihres Geldes verzichten. Das nennt man Schuldenschnitt. Dieser schafft finanzielle Spielräume. Allerdings wächst auch das Misstrauen, dem Staat künftig noch einmal Geld zu leihen.
Seit 2010 hatten immer mehr Staaten wegen hoher Schulden das Vertrauen bei Geldgebern verloren. Für sie spannten die Europartner einen Rettungsschirm auf. Er hieß zuerst EFSF, wurde später vom ESM abgelöst. Faktisch handelt es sich um einen Fonds, aus dem klamme Staaten Kredithilfen zu geringen Zinsen bekommen können.
In der Euro-Schuldenkrise wurde der Begriff für das Trio aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission gebraucht. Sie kontrollieren die verlangten Reformfortschritte. Im Euro-Krisenland Griechenland ist die Troika deswegen zum Feindbild geworden. In seinem Schreiben an die Eurogruppe spricht Athen nun von „Institutionen“. Auch die Europartner wollen das Wort „Troika“ nicht mehr verwenden. In offiziellen Dokumenten war ohnehin nie die Rede von der „Troika“.
Die Politiker des Nordens stehen nun vor der Alternative, ihren Wählern zu erklären, dass das Geld weg ist – oder sie von Europa träumen zu lassen und ihnen im Schlaf das Geld aus der Tasche zu ziehen, das die Schuldner brauchen, um ihre Zinsen zahlen zu können. Das nennt sich dann Fiskalunion.
Meuterei der Steuerzahler?
Das Schöne an einer Fiskalunion ist, dass man neue Schulden machen darf. Denn wo eine Steuer ist, ist auch ein Finanzminister, der erklären kann, welche Zinslasten es zu bedienen gilt. Er beschafft sich ein paar Volkswirte, die ihm genau ausrechnen, wie viele Schulden drin sind. Mit den Schulden lassen sich dann auch Transfers, die man für die Fiskalunion braucht, finanzieren.
Sind die Schulden erst einmal gemacht, werden neue Umpackaktionen schwierig. Dann ist Ideenreichtum nötig, um die Steuerschraube anziehen zu können. Es könnte sein, dass die Steuerzahler meutern, und dann wird es für die Politik ganz eng.
Die USA hatten nach Alexander Hamiltons Schuldensozialisierung und der nächsten beim Krieg gegen Britannien 1813 gerade mal 22 Jahre, weniger als vom Maastrichter Vertrag bis jetzt, bis die gemeinsame Kasse platzte und in einem großen Schuldenstreit endete, der das ganze System in den Konkurs trieb. Es brauchte dort einen Bürgerkrieg, bis wieder Vernunft im Fiskalsystem eingekehrt war und man sich auf das besann, was einen gemeinsamen Staat wirklich ausmacht: nicht die Fiskalunion, nicht die Schuldenunion, sondern eine wirkliche politisch-militärische Union – mit getrennten Kassen der Einzelstaaten.