




Die EU-Kommission will zur Entlastung von Italien und Griechenland innerhalb von zwei Jahren insgesamt 40.000 Flüchtlinge auf andere EU-Staaten verteilen. Deutschland soll mit 8763 Migranten den größten Anteil aufnehmen. Diese Zahlen nennt ein Vorschlag, der der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt. Der Entwurf, den die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel vorstellen wollte, bezieht sich nur auf schutzbedürftige Flüchtlinge, also Menschen, die Anspruch auf Asyl in Europa haben.
Die Zahl entspricht nach Angaben der EU-Behörde 40 Prozent der Asylberechtigten, die 2014 in Italien und Griechenland ankamen. Dabei handle es sich vor allem um Menschen aus Syrien und Eritrea.
Damit reagiert die EU auf die jüngsten Bootsunglücke im Mittelmeer. In dem Papier ist die Rede von einer „Notfallmaßnahme“ angesichts stark steigender Flüchtlingszahlen. Kriterien für die Berechnung des Verteilschlüssels sind Wirtschaftsleistung, Bevölkerungszahl und Arbeitslosenquote.
Über das Mittelmeer nach Europa: Zahlen zu Flüchtlingen
Trotz der lebensgefährlichen Fahrt über das Mittelmeer wagen viele Tausend Menschen die Flucht nach Europa. 219.000 Menschen flohen laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR 2014 über das Mittelmeer nach Europa; 2015 waren es bis zum 20. April 35.000.
3.500 Menschen kamen 2014 bei ihrer Flucht ums Leben oder werden vermisst; im laufenden Jahr sind es bis zum 20. April 1600.
170.100 Flüchtlinge erreichten 2014 über das Meer Italien (Januar bis März 2015: mehr als 10.100); weitere 43.500 kamen nach Griechenland, 3.500 nach Spanien, 570 nach Malta und 340 nach Zypern.
66.700 Syrer registrierte die EU-Grenzschutzagentur Frontex 2014 bei einem illegalen Grenzübertritt auf dem Seeweg, 34.300 Menschen kamen aus Eritrea, 12.700 aus Afghanistan und 9.800 aus Mali.
191.000 Flüchtlinge stellten 2014 in der EU einen Asylantrag (dabei wird nicht unterschieden, auf welchem Weg die Flüchtlinge nach Europa kamen). Das sind EU-weit 1,2 Asylbewerber pro tausend Einwohner.
...beantragten 2014 in der EU Asyl (2013: 50.000).
202.700 Asylbewerber wurden 2014 in Deutschland registriert (32 Prozent aller Bewerber), 81.200 in Schweden (13 Prozent) 64.600 in Italien (10 Prozent), 62.800 in Frankreich (10 Prozent) und 42.800 in Ungarn (7 Prozent).
Um 143 Prozent stieg die Zahl der Asylbewerber im Vergleich zu 2013 in Italien, um 126 Prozent in Ungarn, um 60 Prozent in Deutschland und um 50 Prozent in Schweden.
Mit 8,4 Bewerbern pro tausend Einwohner nahm Schweden 2014 im Verhältnis zur Bevölkerung die meisten Flüchtlinge auf. Es folgten Ungarn (4,3), Österreich (3,3), Malta (3,2), Dänemark (2,6) und Deutschland (2,5).
600.000 bis eine Million Menschen warten nach Schätzungen der EU-Kommission allein in Libyen, um in den nächsten Monaten die Überfahrt nach Italien oder Malta zu wagen.
Die Quote ist dabei für alle Länder etwas höher als bisher berechnet, weil Italien und Griechenland ausgenommen sind. Demnach soll Deutschland 21,91 Prozent - statt der bisher berechneten 18,42 Prozent - der umverteilten Migranten aufnehmen. An zweiter Stelle stünde Frankreich mit 16,88 Prozent.
Damit die Quote gelten kann, müssen die EU-Staaten zustimmen. Von dort kommt viel Widerstand. Großbritannien hat bereits angekündigt, nicht mitzumachen. Auch viele ost- und mitteleuropäische Staaten, die bislang nur selten das Ziel von Flüchtlingen aus Afrika sind, sind dagegen. Auch Frankreich und Spanien haben Einwände.
Nach dem Willen der Kommission sollen demnach 24.000 Flüchtlinge aus Italien und 16.000 aus Griechenland zunächst für 24 Monate gemäß dem Quotensystem verteilt werden. In Kraft treten solle der Vorschlag sobald wie möglich.
Status und Schutz von Flüchtlingen in Deutschland
Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Viele von ihnen dürfen nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl aus unterschiedlichen rechtlichen Gründen bleiben. Dabei reicht die Spannbreite vom Asylstatus bis zu einer befristen Duldung mit drohender Abschiebung.
Flüchtlinge, die in ihrem Heimatländern politisch verfolgt werden, haben laut Artikel 16 a des Grundgesetzes Anspruch auf Asyl. Hierfür gibt es allerdings zahlreiche Schranken, die Ablehnungsquote bei Asylanträgen liegt bei 98 Prozent. Schutz und Bleiberecht etwa wegen religiöser Verfolgung oder der sexuellen Orientierung wird auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt. Für die Praxis spielt die genaue rechtliche Grundlage allerdings keine Rolle: Anerkannte Asylberechtigte erhalten gleichermaßen eine Aufenthaltserlaubnis, die nach drei Jahren überprüft wird. Auch bei den staatlichen Unterstützungsleistungen, etwa Arbeitslosengeld II oder Kindergeld, gibt es keine Unterschiede.
Sogenannten subsidiären, also nachrangigen, Schutz erhalten Flüchtlinge, die zwar keinen Anspruch auf Asyl haben, in ihrer Heimat aber ernsthaft bedroht werden, etwa durch Bürgerkrieg oder Folter. Sie sind als „international Schutzberechtigte“ vor einer Abschiebung erst einmal sicher und erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst ein Jahr. Die Erlaubnis wird verlängert, wenn sich die Situation im Heimatland nicht geändert hat.
Eine Duldung erhält, wer etwa nach einem gescheiterten Asylantrag zur Ausreise verpflichtet ist, aber vorerst nicht abgeschoben werden kann. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn kein Pass vorliegt oder es keine Flugverbindung in eine Bürgerkriegsregion gibt. Fällt dieses sogenannte Hindernis weg, droht dem Betroffenen akut die Abschiebung. Zu den Hindernissen für eine Abschiebung zählt unter anderem auch der Schutz von Ehe und Familie. Beispielweise kann ein Ausländer, der hier mit einer Deutschen ein Kind hat, nicht ohne weiteres abgeschoben werden.
Bereits vor zwei Wochen hatte die EU-Kommission ihre Pläne in einem grundlegenden Strategiepapier präsentiert. Demnach soll es eine zweite Umverteilung geben, und zwar von anerkannten Flüchtlingen von außerhalb der EU. So sollen Menschen aus Lagern rund um Syrien umgesiedelt werden. Für diese Neuansiedlung will die EU in allen Staaten 20.000 Plätze anbieten. Für dieses Programm werden in diesem und im nächsten Jahr 50 Millionen Euro bereitstehen.
Menschenrechtsorganisationen bezweifeln, dass die Quote sich in der Praxis umsetzen lässt. Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, nannte den Vorschlag der EU-Kommission „zu kurz gedacht“. Eine starre Verteilung nach einer Quote berücksichtige nicht die legitimen Interessen der Flüchtlinge, die dorthin wollten, wo schon Familienmitglieder oder Landsleute wohnten. „Kein Syrer, dessen Familie in Deutschland lebt, wird sich freiwillig in Staaten wie Ungarn, Polen oder Estland verteilen lassen. Menschen dürfen nicht wie Stückgut in Europa hin- und hergeschoben werden.“





Der Direktor des italienischen Flüchtlingsrates (CIR), Christoph Hein, sagte im Gespräch mit hr-iNFO, dass die Flüchtlinge schon nach ein paar Tagen wieder in Bewegung sein würden: „Die Menschen werden in Länder gebracht, in denen sie niemanden kennen, wo sie nie hin wollten.“
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex weitet unterdessen ihre Triton-Mission zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer erheblich aus. Das Einsatzgebiet soll vergrößert und zusätzliche Experten, Schiffe und Flugzeuge sollen eingesetzt werden, teilte Frontex-Chef Fabrice Leggeri am Dienstagabend mit. Zum Sommer hin sollen unter anderem drei Flugzeuge, insgesamt 18 Patrouillenboote und zwei Hubschrauber zum Einsatz kommen. Damit wolle man den italienischen Behörden helfen, die Grenzen zu kontrollieren und Menschenleben zu retten. An der Triton-Mission beteiligen sich insgesamt 26 europäische Länder, darunter auch Deutschland.