Außerdem fehlt es in der Flüchtlingskrise sowohl an Anreizen als auch an Druckmitteln, die Europa einsetzen könnte. Unkooperative Staaten haben bisher wenig zu fürchten. Die EU-Kommission erwägt, Strukturmittel bereitzustellen und so Anreize zu schaffen. Aber es muss sich erst herausstellen, ob es sich dabei um Anreize handelt, die attraktiv genug sind um bisher eingefleischte Haltungen zu ändern. Die EU-Kommission hat gleichzeitig darauf hingewiesen, dass sie gegen Mitgliedsstaaten vorgeht, die sich nicht an die geltenden Regeln halten. 32 sogenannte Vertragsverletzungsverfahren hat sie im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise eingeleitet. Das ist juristisch korrekt, wird zunächst jedoch wenig bringen. Die Verfahren, die zu einer Geldbuße führen können, ziehen sich über Jahre hin.





Ihr schärfstes Instrument, das ist jetzt schon abzusehen, wird die EU-Kommission mit Sicherheit nicht einsetzen. Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union erlaubt es, einem Mitgliedsstaat vorübergehend das Stimmrecht zu entziehen, wenn er die Grundrechte der EU verletzt, also etwa die Achtung der Menschenwürde, die Freiheit, die Demokratie, die Gleichheit, die Rechtsstaatlichkeit.
Schon die Mehrheitsverhältnisse sprechen dagegen, dass dieses Instrument zum Einsatz kommt. Vier Fünftel der Mitgliedsstaaten müssten zustimmen, dass ein schwerwiegender Verstoß vorliegt. Es ist unwahrscheinlich, dass sich so viele Staaten finden, die einen anderen so hart sanktionieren wollen.
Europa
EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans hat den Artikel-7-Mechanismus Anfang der Woche als „letztes Mittel“ bezeichnet, von dem er hofft, dass es niemals zum Einsatz kommen muss. Er wies darauf hin, dass die Sanktionen gegen Österreich im Jahr 2000 nach hinten losgegangen seien. Damals hatten die 14 Mitgliedsstaaten der EU beschlossen, ihre diplomatischen Kontakte mit Österreich auf ein Minimum zu beschränken, weil die als rechtsextrem empfundene FPÖ von Jörg Haider mitregierte. Bei ihrem Boykott hatten sich die Staaten nicht auf Artikel 7 berufen, aber es entstand ein Präzedenzfall politischer Sanktionen, der wenig brachte. Timmermans vertritt die Ansicht, dass es seitdem noch schwieriger geworden ist Artikel 7 zum Einsatz zu bringen. Eine Haltung, die ahnen lässt, dass dieses Instrument auf Jahre hinaus nicht angewendet werden wird.