Flüchtlingskrise Italien stimmt für Militäreinsatz vor libyscher Küste

Im Kampf gegen illegalen Menschenschmuggel stimmte die italienische Abgeordnetenkammer für einen Militäreinsatz vor der libyschen Küste. Die EU hat weiterhin keine Erlaubnis.

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Italien will vor der libyschen Küste gegen Menschenschmuggel vorgehen. Quelle: dpa

Die Mehrzahl der italienischen Abgeordneten hat für den Militäreinsatz vor der libyschen Küste zur Bekämpfung des Menschenschmuggels gestimmt. 328 von 630 Abgeordneten sprachen sich am Mittwoch für die Mission aus, die die Regierung in Rom auf Anfrage der libyschen Regierung von Fajis al-Sarradsch vergangene Woche beschlossen hatte. Italienische Soldaten sollen die Küstenwache des Bürgerkriegslandes auch innerhalb der Hoheitsgewässer technisch und logistisch unterstützen. Nun muss noch der Senat über den Einsatz abstimmen.

Noch immer trägt Italien die Hautplast der Flüchtlingskrise. Nun soll ein Einsatz vor der lybischen Küste Abhilfe schaffen. Die Europäische Union hat dafür finanzielle Unterstützung zugesagt.

Ministerpräsident Paolo Gentiloni hatte den Einsatz als möglichen Wendepunkt in der Flüchtlingskrise bezeichnet. Italien erhofft sich davon eine Stabilisierung des vom Krieg zerrütteten Landes und eine bessere Kontrolle der Flüchtlingsströme. Von Libyen aus wagen die meisten Migranten die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer nach Europa. In Italien kamen in diesem Jahr schon fast 95 000 Gerettete an. Schlepper nutzen das Chaos in Libyen, wo derzeit drei Regierungen um die Macht kämpfen.

Die EU hat weiterhin keine Erlaubnis, auch in den libyschen Küstengewässern gegen illegale Migration vorzugehen. Wie eine Sprecherin am Mittwoch mitteilte, baten die libyschen Behörden bei Gesprächen in Tripolis nicht wie zunächst erwartet um europäische Unterstützung beim Vorgehen gegen Schleuserbanden. Eine solche Anfrage wäre grundlegende Voraussetzung dafür, dass die Besatzungen von europäischen Kriegsschiffen zukünftig auch direkt vor der Küste des nordafrikanischen Landes operieren können. Italien hatte in der vergangenen Woche bilateral eine entsprechende Bitte aus Libyen erhalten.

Schiffe der Bundeswehr und anderer europäischer Streitkräfte sind im Rahmen der Operation Sophia bereits seit 2015 im zentralen Mittelmeer im Einsatz, um den Menschenschmuggel aus Libyen zu bekämpfen. Weil sie bislang nicht in den Küstengewässern des vom Bürgerkrieg zerrütteten Landes operieren dürfen, konnten dabei allerdings kaum Erfolge erzielt werden.

Als mögliche Gründe für die ausgebliebene Bitte um Unterstützung an die EU gelten innenpolitische Konflikte in Libyen, aber auch in der EU selbst. Diplomaten hatten zuletzt deutlich gemacht, dass es vor allem an der EU sei, die „Einladung“ der Libyer einzufordern und dafür Unterstützung in anderen Bereichen zu zuzusagen.

Der Auswärtige Dienst wollte sich zu diesem Thema am Mittwoch nicht näher äußern. Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini erklärte lediglich, bei den Gesprächen am Dienstag in Tripolis habe es keine Diskussion über eine Ausweitung der Operation Sophia gegeben. Man konzentriere sich darauf, was unter dem aktuellen Mandat getan werden könne.

Unter den EU-Staaten gab es zuletzt Diskussionen darüber, ob die Operation zum derzeitigen Zeitpunkt überhaupt ausgeweitet werden sollte. Kritiker verweisen darauf, dass unklar ist, was mit Migranten oder Schleusern geschehen soll, die eventuell während Einsätzen in den libyschen Hoheitsgewässern aufgegriffen werden müssen. Bislang konnten die libyschen Behörden nicht den Eindruck vermitteln, dass sie den Betroffenen faire Gerichts- beziehungsweise eine menschwürdige Unterbringung und Asylverfahren gewährleisten können.

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