Flüchtlingspolitik Spaniens Bürokratie treibt Flüchtlinge nach Deutschland

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In Integration wird nicht investiert

Iglesias kritisiert, dass diese bürokratischen Barrieren für die Immigranten nicht abgebaut werden und dadurch eine wirkliche Integration der Ausländer nicht möglich wird: „Das gilt auch für diejenigen, die schon viele Jahre hier sind. Die meisten wollen aber arbeiten, deswegen machen sie sich auf nach Deutschland, wo Fachkräfte gesucht werden. Wer sich nicht um die Integration von Ausländern kümmert, muss sich nicht über eine steigende Kriminalität auf den Straßen wundern“, mahnt der Uni-Professor. Der auch kritisiert, dass sich die spanische Regierung und die spanischen Medien zu wenig mit der Problematik befassen: „Sicher auch weil das Thema Katalonien derzeit die Nachrichten beherrscht“.

2018 wird eine große Herausforderung für Spanien

Für Spaniens Steuerzahler bedeutet der Weiterzug der Immigranten eine Entlastung. Zwar wendet die spanische Regierung mit monatlich 1000 Euro pro Flüchtling im ersten Jahr fast genauso viel auf wie Deutschland, die staatliche Begleitung dauert allerdings nur 18 Monate an. Danach sind die Menschen auf sich selbst gestellt. Der Staat zieht sich weitgehend zurück und Hilfsorganisationen wie UNHCR, Mensajeros de la Paz, Asilim, CEAR oder Caritas übernehmen die Versorgung der Obdachlosen. „Wir bieten in unserer Kirche Gratis-Essen an und versuchen auch, die Menschen irgendwie von der Straße zu holen“, erzählt Pater Ángel, Gründer der Mensajeros de Paz: „Wir schneiden ihnen auch gratis die Haare, pflegen die Füße. Sie können sich bei uns duschen und wir helfen ihnen bei administrativen Sachen.“

Das Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) rechnet damit, dass Spanien in diesem Jahr eines der Hauptankunftsländer für Afrikaner sein wird und sich deren Zahl verdoppeln könnte. Für den in Barcelona lebenden Abuy Nfubea, afrikanischer Experte für Immigration und Buch-Autor, ist dieses wachsende Interesse an Europa normal: „Angesichts der enormen Korruption und Gewalt in vielen afrikanischen Ländern, teilweise auch mitverursacht durch deutsche und spanische Waffenlieferungen, wundert es nicht, dass diese Menschen sich in die Hände von Organisationen begeben, die ihnen den Weg nach Europa möglich machen. In den europäischen Medien wird es so dargestellt, dass diese Kriminelle sind. Aber: Sind das wirklich Mafiosi? Oder ist das einfach ein wirtschaftlicher Mechanismus von Nachfrage und Angebot?“

Die in Marokko liegenden spanischen Exklaven Ceuta und Melilla praktizieren zwar in einer gesetzlichen Grauzone die direkte Abschiebung (devolución en caliente) von afrikanischen Einwanderern, aber dennoch steigt auch hier der Druck. Zwischen Spanien und Marokko sowie Algerien gibt es ein Abkommen, das vorsieht, dass die Grenzen in beiden Ländern möglichst dichtgehalten werden und algerische oder marokkanische Einwanderer direkt in die Heimat deportiert werden können.

„Wir kennen den Kooperationsvertrag allerdings nicht genau. Es ist ungewöhnlich, dass viele Monate nichts passiert und jetzt wieder viele Menschen versuchen, über Ceuta und Melilla nach Spanien zu kommen“, sagt Iglesias. „Wir haben keines unserer Versprechen, was die internationale Flüchtlingspolitik betrifft, eingehalten. Nur 14 Prozent der von der EU auferlegten 17.000 Asylanten wurden bisher von Spanien aufgenommen -  eine sehr traurige Bilanz“.

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