Flüchtlingspolitik Spaniens Bürokratie treibt Flüchtlinge nach Deutschland

Flüchtlinge: 31.000 Hilfesuchende aus Afrika kamen im vergangenen Jahr nach Spanien. Quelle: imago images

Nach 18 Monaten enden in Spanien alle Sozialleistungen für Flüchtlinge. Weil der Staat wenig in die Integration investiert, ziehen afrikanische Flüchtlinge zum großen Teil weiter nach Deutschland.

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Abgesehen von wenigen Ausnahmen zeichnet sich Spanien durch eine große Toleranz gegenüber Fremden aus. Aber Flüchtlinge aus Afrika sind dort trotz aller öffentlicher spanischer Bekundungen eher nicht willkommen. Wie eine gerade veröffentlichte Studie der Madrider Elite-Universität ICAI-Icade ergibt, sind diese auch nicht sehr daran interessiert, in dem Sonnenland zu bleiben. Spanien ist nur das erste europäische Land, das sie von Marokko aus mit dem Schlauchboot erreichen können. 31.000 Hilfesuchende kamen im vergangenen Jahr über Landweg oder Meer in Spanien an, nur ein paar Hunderte davon blieben wirklich im Land.

Die spanische Sozialversicherung hat gerade bekannt gegeben, dass die Zahl der ausländischen Versicherten im Januar um fast acht Prozent gestiegen ist. Allerdings geht dies vor allem auf Rumänen, Marokkaner, Chinesen, Italiener und Lateinamerikaner zurück. Die Zahl der versicherten aus Subsahara-Afrika ist kaum gestiegen - trotz der Hunderttausenden, die seit Jahren an Spaniens Südküste oder in den Exklaven in Nordafrika ankommen.

Die Gründe sind offensichtlich, auch wenn die Regierung versucht, diese zu vertuschen: “Nicht nur die Bürokratie ist schleppend in Spanien. Es gibt auch nur sehr wenige offizielle Residenzen und Familien, um die Hilfesuchenden unterzubringen. Gerade mal etwa 8700 Personen können versorgt werden. Die Bearbeitung eines Asylantrags dauert zudem durchschnittlich sieben Monate. Manchmal gibt es auch einfach gar keine Antwort von staatlicher Seite auf die Anträge. Die Flüchtlinge rutschen deswegen nicht selten in die Obdachlosigkeit und Illegalität ab“, beschwert sich Azucena Lorenzo Melero, Präsidentin der Hilfsorganisation Asilim in Madrid.

Tausende afrikanische Immigranten kommen derzeit über den Seeweg illegal ins Land, aber die spanische Regierung integriert diese Menschen nicht. Anders als in Deutschland gibt es nach maximal 18 Monaten keine Sozialhilfen mehr. Weil die meisten aber nicht arbeiten können, rutschen sie nicht selten in die Obdachlosigkeit ab. Das ist das Resultat der Studie der ICAI-Icade.

Die von den Jesuiten gegründete und geleitete Uni will das ändern und hat deswegen sogar einen eigenen Lehrstuhl für Flüchtlingspolitik eingerichtet: „Wir sehen das Thema Migration als eine der größten Zukunfts-Herausforderungen unsere Gesellschaft, auch aus finanzieller Sicht“, sag Juan Iglesias, Leiter des Lehrstuhls. In Spanien geht seiner Ansicht nach die Bearbeitung von Asylanträgen im internationalen Vergleich besonders schleppend voran. 41 Prozent der Anträge, die seit 2105 gestellt wurden, sind gemäß Regierungsangaben noch nicht bearbeitet.

Wer es sich leisten kann, geht nach Deutschland

Von den rund 16.000, die nach Angaben der spanischen Hilfsorganisation CEAR, im Jahr 2016 in Spanien Asyl angefragt haben (darunter unter anderem aus Venezuela 3960, aus Syrien  2975 und aus der Ukraine 2570), wurde nur 355 Menschen Asyl gewährt. 90 Prozent davon waren Syrer. Deren Notwendigkeit, vor dem Krieg zu flüchten, scheint niemand zu bestreiten. „Für Menschen aus Mauretanien, Mali oder der Elfenbeinküste ist es dagegen fast unmöglich, Asyl zu erlangen“, sagt  Lorenzo Melero.

Zahl der Asylanträge in Deutschland

Wer Geld auftreiben kann, sucht ein besseres Leben. Er verlässt Spanien über die nicht kontrollierten Schengen-Grenzübergänge nach Frankreich und schlägt sich von dort aus weiter durch nach Deutschland. „Einige kommen natürlich irgendwann wieder zurück, weil ihr Erstaufnahmeland Spanien ist und sie von Deutschland oder Schweden wieder zurückgeschickt werden“, erzählt Lorenzo Melero aus ihren Erfahrungen mit den Flüchtlingen in ihren Spanisch-Sprachkursen. Das gilt sogar für solche, die vielleicht schon Asyl haben und auch die spanische Staatsbürgerschaft, die sie nach fünf Jahren beantragen können: „Es gibt hier einfach zu wenig Infrastruktur für diese Menschen“, sagt Lorenzo Melero.

Es gibt kein Kindergeld und auch Sozialwohnungen nach deutschem Muster stehen den Immigranten nicht zur Verfügung. Kein Wunder, dass die meisten nach Deutschland wollen. Dort versuchen sie zu finden, was Spanien nicht bietet: eine schnellere Abwicklung der Asylanträge, eine schnellere Bestätigung der Ausbildungszeugnisse und einen funktionierenden Arbeitsmarkt. „20 Prozent der Flüchtlinge haben einen Ausbildungsabschluss, der aber leider oft in Spanien nicht anerkannt wird. Aber abgesehen davon gibt es auch zu wenige Chancen auf unserem Arbeitsmarkt, wo immer noch 16 Prozent der Menschen keinen Job haben“, sagt Iglesias von der ICAI-Icade. Auch viele einheimische spanische Akademiker suchen schon seit Jahren ihr Glück in Deutschland, weil sie in Spanien keine Arbeit finden.

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