
Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone würde nach Einschätzung der Vereinten Nationen zu einem drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit in Europa führen. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit in den 17 Staaten würde in diesem Fall um fast drei Punkte gegenüber dem Stand von Ende vergangenen Jahres auf 13 Prozent steigen, sagte der Chef der Prognoseabteilung der UN-Organisation für Arbeit (ILO), Ekkehard Ernst, der „Süddeutschen Zeitung“.
In Deutschland würde Ernst zufolge die Arbeitslosenquote 2014 im Vergleich zu 2011 um gut 26 Prozent auf neun Prozent zulegen und über Jahre auf diesem hohen Niveau verharren. Besonders Jugendliche seien betroffen. Nach den Berechnungen des ILO-Experten würde ein griechischer Ausstieg aus der Eurozone besonders dramatische Konsequenzen für die Krisenstaaten Spanien und Portugal haben.
Spanien müsse in diesem Szenario für das Jahr 2014 mit einer Arbeitslosenquote von 27,7 Prozent rechnen. Die Jugendarbeitslosigkeit würde sogar auf 51,3 Prozent steigen. Auch in Portugal werde die Zahl der Job-Suchenden im Vergleich zum Jahr 2011 um gut sechs Prozent höher liegen, sagte Ernst.
Zukunftsszenarien für Griechenland
Die Eurogruppe billigt einen Schuldenschnitt, die Banken erlassen dem Land daraufhin 100 Milliarden Euro. Somit gibt es auch grünes Licht für weitere Hilfen der Eurozone in Höhe von insgesamt 130 Milliarden Euro. Die Europäische Zentralbank (EZB) füllt eine Finanzlücke, damit Griechenlands Schuldenstand bis 2020 wie angepeilt sinken kann. Im Gegenzug unterwirft sich Griechenland einer strikten Überwachung der EU und gibt Kompetenzen in der Haushaltspolitik ab. Das Land leidet noch jahrelang unter Einsparungen, innenpolitischer Unruhe und Rückschlägen. Der Weg zu einer Erholung ist lang und mühsam.
Die Eurozone will zunächst keine weitere Hilfe zusagen. Problem ist der für 2020 trotz Hilfspaket und Gläubigerverzicht erwartete Schuldenstand von 129 Prozent der Wirtschaftskraft, anstatt der angestrebten 120 Prozent. Der Rettungsplan muss also überdacht werden. Zudem wählen die Griechen im April. Die Euro-Länder wollen das Votum abwarten und mit den dann regierenden Parteien Vereinbarungen über Einsparungen und Reformen treffen, bevor sie weiteres Geld überweisen. Mit restlichen Mitteln aus dem ersten Hilfsprogramm wird ein im März drohender Bankrott vorerst verhindert.
Nach zwei Jahren Schuldenkrise nimmt die Eurozone einen Kurswechsel vor: Griechenland soll kontrolliert in die Pleite geführt werden, jedoch in der Eurozone bleiben. Nun kommen Milliardenkosten nicht nur auf die privaten Gläubiger, sondern auch auf die EZB zu: Athen ändert per Gesetzesänderung die Haftungsklauseln für seine Staatsanleihen - und erzwingt einen Verzicht. Die EU arbeitet an einem finanziellen und wirtschaftlichen Neustart des Landes, der ebenfalls viel Geld kostet.
Der Rettungsplan scheitert, die Griechen haben zudem Vorschriften und Kontrolle der Euro-Länder satt. Das Land erklärt seinen Bankrott und die Rückkehr zur Drachme. Wirtschaft und Finanzbranche werden über das Land hinaus erschüttert, Firmen und Banken gehen pleite. Die Kaufkraft der Griechen nimmt massiv ab, soziale Unruhen sind die Folge. Mit der Drachme sind griechische Produkte auf dem Weltmarkt zwar billiger, ein positiver Effekt auf die marode Wirtschaft zeigt sich jedoch nur sehr langsam. Die Europäische Union bemüht sich mit Konjunkturprogrammen, den weiteren Absturz des Landes zu mildern.
Vor allem aus der CSU waren in den vergangenen Wochen immer wieder Forderungen nach einem Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro gekommen. Auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hatte erst am Donnerstag seine Äußerung bekräftigt, ein Austritt des hoch verschuldeten Landes habe seinen Schrecken verloren.
Ein vollständiges Auseinanderbrechens der Eurozone würde dem Experten zufolge die Arbeitslosenquote in Deutschland 2014 auf 11,3 Prozent steigen und über die folgenden Jahre in dieser Höhe verharren lassen. Frankreich müsste annähernd 17 Prozent Arbeitslosigkeit fürchten, Spanien sogar fast 37 Prozent. Das Auseinanderbrechen der Eurozone wäre „eine Katastrophe für die europäische Jugend“, sagte Ernst.