Formel 1 Der Große Preis der Griechen

Geld haben die Griechen keines, wie die Verhandlungen mit der EU-Troika gerade zeigen. Dafür aber große Träume. Einer ist ein Formel-1-Kurs. Diese Idee könnte nun Wirklichkeit werden. Gesucht wird nur noch ein Investor.

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Die geplante griechische Rennstrecke. Sie könnte den verarmten Stadtteil Drapetsona nördlich von Piräus neu aufleben lassen. Quelle: Gerd Höhler

Drapetsona? Eigentlich zieht es keinen nach Drapetsona. Der Stadtteil nördlich von Piräus hat eine der höchsten Arbeitslosenquoten Griechenlands – eine von Armut und sozialem Elend heimgesuchte Problem-Gemeinde. Wer auf einer der Fähren zu schicken Ägäisinseln wie Mykonos, Paros oder Santorin fährt, sieht das schäbige Drapetsona bei der Ausfahrt aus dem Hafen von Piräus rechts liegen: Fabrikruinen, alte Getreidesilos, tote Schornsteine, rostige Öltanks, wilde Müllkippen.

Und doch fragt man sich: Warum liegt hier eigentlich alles brach? Ist das nicht eine 1A-Lage? Hat dieses riesige Areal am größten Passagierhafen des Mittelmeeres vielleicht ein ungeahntes Potenzial?
Athanasios Papatheodorou hat eine Vision. Er sieht Drapetsona als das Monaco Griechenlands: 5-Sterne-Hotels, eine Marina für über hundert Jachten, Luxusläden, Restaurants, ein Spielcasino.

Und die Piste: Hier soll Griechenlands erster Formel-1-Kurs entstehen. Die Pläne hat der Athener Architekt bereits in der Schublade: zehn Rechtskurven, 13 Linkskurven. 5200 Meter lang ist der Kurs, den die Formel-1-Piloten gegen den Uhrzeigersinn umrunden sollen.

So schlug sich Griechenland 2013

Schon in drei Jahren könnte das erste Rennen starten. Formel-1-Boss Bernie Ecclestone hat bereits angebissen: „Die Griechen haben Möglichkeiten“, sagt er. Nun müsse man nur noch sehen, „ob sie irgendwelches Geld haben“, so der 83-jährige Geschäftsführer der Formel-1-Holding SLEC.

„Wir sind in Kontakt mit Ecclestone“, sagte Papatheodorou gegenüber Handelsblatt Online. Der Formel-1-Boss halte die Pläne für realistisch. Träger der Initiative ist die Gesellschaft „Dielpis Formula 1“, hinter der neben Papatheodorou mehrere Politiker, Motorsportfunktionäre, Geschäftsleute vor allem aus der Autobranche, aber auch ein Reeder und drei Ärzte stehen. Der griechische Automobilklub Elpa ist ebenfalls mit an Bord.

Griechenlands Schwächen

Papatheodorou veranschlagt die Baukosten für das Projekt auf rund 800 Millionen Euro. Einschließlich der Lizenzgebühren dürften die Kosten rund eine Milliarde erreichen, meint der 53-Jährige. Mit staatlichen Geldern kann er nicht rechnen, das weiß der Architekt und Motorsportfan Papatheodorou. Schließlich hängt Griechenland am Tropf internationale Kreditgeber, muss an allen Ecken und Enden sparen.

Der griechische Finanzminister Gikas Hardouvelis dämpfte gerade erst hohe Erwartungen an eine Lockerung des Spardiktats. Die Troika aus EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) könne keine Entscheidungen auf politischer Ebene treffen, hatte der oberste Kassenhüter am Vorabend eines Treffens gesagt. Nach Informationen aus Regierungskreisen will Athen der Troika in Paris deutlich machen, dass die Bürger keine weiteren Belastungen mehr aushalten könnten. Die Konsolidierungsziele könnten nur noch mit Wachstum erzielt werden.

Die Rennstrecke als Riesenchance

Wer wettbewerbsfähig ist und wer nicht
Platz 57: BulgarienBulgarien wird zurecht als das Armenhaus Europas bezeichnet. Unter 60 Ländern, die die Schweizer Wirtschaftshochschule IMD (International Institute for Management Development) nach ihren wirtschaftlichen Stärken und Schwächen miteinander verglichen hat, landet Bulgarien auf Platz 57 (Platz 54 im Jahr 2012). Damit ist Bulgarien das wirtschaftlich schwächste Land der Europäischen Union. Noch schlechter stehen nur noch Kroatien (Platz 58), das am 1. Juli der EU beitreten wird, Argentinien (Platz 59) und Venezuela (Platz 60) da. Wirklich gut schneidet Bulgarien nur beim Preisniveau ab, da belegt es im internationalen Vergleich Platz vier. In Disziplinen wie Beschäftigungsrate, Arbeitsmarkt, Bildung, Infrastruktur, gesellschaftliche Rahmenbedingungen, Gesundheit und Investments schafft es das osteuropäische Land nicht einmal unter die Top 30. Quelle: dpa
Platz 55: RumänienIm gleichen Atemzug mit Bulgarien wird stets Rumänien genannt. Das Land liegt im internationalen Vergleich auf Rang 55, im Vorjahr schaffte es Rumänien noch auf Platz 53 von 60 im World Competitiveness-Ranking. Von 21,35 Millionen Einwohnern haben 10,15 Millionen einen Job, die Arbeitslosenquote beträgt 6,8 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Rumäniens liegt bei 169,4 Milliarden Euro - im internationalen Vergleich macht das Platz 48 von 60. Beim BIP pro Kopf schafft es das Land mit 16.062 Euro auf Rang 46. Wirklich glänzen kann auch Rumänien nur beim Preisniveau, da landet es auf Platz neun von 60. Die zweitbeste Wertung bekommt das osteuropäische Land für seine Beschäftigungsquote: Hier liegt es im internationalen Vergleich auf Rang 33. Fragt man Unternehmen, was sie am meisten am Wirtschaftsstandort Rumänien schätzen, nennen 78,7 Prozent die offene und freundliche Art der Menschen. Eine kompetente Regierung lobten dagegen nur 11,5 Prozent und ein wirksames Rechtssystem attestierte dem Land niemand. Dafür lobten immerhin 52,5 Prozent der Befragten die Dynamik der Wirtschaft. Quelle: dpa
Platz 54: GriechenlandAuch Griechenland gehört weiterhin zu den Sorgenkindern Europas, konnte sich aber binnen eines Jahres von Rang 58 auf 54 verbessern. Griechenland muss auch 2013 weiterhin daran arbeiten, seinen aufgeblasenen Verwaltungsapparat zu verkleinern und den Finanzsektor wieder auf die Beine zu bringen. Auch in puncto Korruptionsbekämpfung und Steuersystem hat das Land noch einiges an Arbeit vor sich. Dementsprechend rangiert Griechenland, gerade was die Gesamtsituation der heimischen Wirtschaft angeht, auf Platz 60 von 60 Staaten. Auch beim BIP-Wachstum und der Kreditwürdigkeit gibt es nur Platz 60. Allerdings hat sich in Griechenland seit dem letzten Ranking auch einiges verbessert: So konnte das Land sein Image, die Anpassungsfähigkeit der Regierungspolitik und die Staatfinanzen verbessern sowie die Bürokratie verringern. Unternehmen schätzen an Griechenland besonders die gut ausgebildeten Arbeitskräfte sowie das allgemein hohe Bildungsniveau. Quelle: dpa
Platz 46: PortugalBinnen eines Jahres ging es für Portugal im IMD-Ranking von Platz 41 runter auf 46. Jetzt soll die rezessionsgeplagte Konjunktur mit Steueranreizen aufgepeppelt werden. Bei Firmeninvestitionen von bis zu fünf Millionen Euro seien Steuererleichterungen von 20 Prozent möglich, sagte Finanzminister Vitor Gaspar. Die Investitionen in Portugal sind zwar binnen eines Jahres von 10,20 Milliarden Dollar auf 13,79 Milliarden gestiegen, das Bruttoinlandsprodukt schrumpft dennoch weiter. 2012 betrug der Rückgang noch 1,6 Prozent, 2013 waren es schon -3,2 Prozent. Dafür steht Portugal sowohl bei der technischen als auch der wissenschaftlichen Infrastruktur recht gut da. 71,9 Prozent der ausländischen Unternehmer nennen die portugiesische Infrastruktur den attraktivsten Grund, in das Land zu investieren. Weltspitze ist Portugal bei dem Verhältnis Schüler pro Lehrer und den Einwanderungsgesetzen. Auch bei den Ingenieuren belegt Portugal im Ranking Platz vier. Nur Arbeit gibt es für die Fachkräfte kaum, am wenigsten für junge Menschen (Platz 59 bei Jugendarbeitslosigkeit). Auch die Forschung und Förderung von Wissenschaft und Technik, Fortbildungen, Erwachsenenbildung, Börsengänge und der Export gehören zu Portugals Schwächen. Quelle: dpa
Platz 45: SpanienSpanien ist binnen eines Jahres von Platz 39 auf 45 abgestiegen. Im Jahr 2007 stand das Land noch auf Platz 26 der stärksten Volkswirtschaften. Ein deutsche Hilfsprogramm im Volumen von bis zu einer Milliarde Euro soll die angeschlagene spanische Wirtschaft wieder auf die Beine bringen. Derzeit kämpft Spanien besonders mit seiner hohen Arbeitslosenquote (Platz 60 von 60), den Staatsfinanzen (Platz 59) und seinen Verwaltungsverfahren (Platz 56). Auch bei der Langzeitarbeitslosigkeit, Kapitalkosten, Sprachkenntnissen, dem Bankensektor und der Förderung von jungen Unternehmen steht Spanien mehr als schlecht da. Allerdings ist auch auf der iberischen Halbinsel nicht alles schlecht. So ist beispielsweise der Warenexport Spaniens binnen eines Jahres um 1,7 Prozentpunkte gestiegen. Insgesamt schafft es Spanien in neun Wirtschaftsdisziplinen unter die weltweiten Top Ten: Bei den Zinssätzen belegt Spanien unter 60 Ländern Platz drei, bei der Wechselkursstabilität und den Unternehmenszusammenschlüssen und -übernahmen jeweils Platz sechs, beim Export von Dienstleistungen Platz acht. Sowohl bei den Direktinvestments in die Aktien heimischer Unternehmen als auch der durchschnittlichen Lebenserwartung und grünen Technologien schafft es Spanien auf Platz neun und bei der Bilanzsumme des Bankensektors sowie der Arbeitsproduktivität Platz zehn. Quelle: dapd
Platz 28: FrankreichFrankreich dagegen, das ebenfalls wirtschaftlich zu kämpfen hat, konnte sich um einen Platz verbessern. Von Rang 29 ging es hoch auf 28. Trotzdem muss Frankreich seinen Arbeitsmarkt reformieren, wenn es die Erwerbsquote steigern möchte. Weitere Probleme der Grande Nation sind der stetig zunehmende Brain Drain, also das Abwandern von Fachkräften, das stagnierende Wirtschaftswachstum, die geringe Zahl der Beschäftigten, Arbeitsbedingungen und Wochenarbeitsstunden sowie die Haltung gegenüber der Globalisierung. Zu Frankreichs wirtschaftlichen Stärken gehören dagegen die Vertriebsinfrastruktur (Platz eins von 60), die Energieinfrastruktur und die Gesundheitsausgaben (jeweils Platz zwei) sowie die Direktinvestments in Aktien heimischer Unternehmen, der Export von Dienstleistungen, Investments in ausländische Aktien, die Gesundheitsinfrastruktur und die Zahl der Breitbandnutzer (jeweils Platz vier von 60). Insgesamt schaffte es Frankreich in 40 Kategorien 20 mal unter die Top Ten der Welt. Quelle: dpa
Platz 17: IrlandIrland, dass sonst gerne in einem Atemzug mit Italien und Spanien genannt wird, überholt sogar Frankreich, was die wirtschaftliche stärke angeht. Binnen eines Jahres konnte sich die grüne Insel im IMD World Competitiveness-Ranking um drei Plätze verbessern. Das liegt besonders an den gestiegenen Investments, dem herrschenden Zinssatz, dem Wirtschaftswachstum und der Wechselkursstabilität. Auch bei grünen Technologien hat sich Irland laut der Studie seit 2012 verbessert. Zu den besonderen Stärken des rund 4,6 Millionen Einwohner starken Landes gehören Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Unternehmen sowie deren Haltung gegenüber der Globalisierung, die Telefontarife, Belohnungen und Anreize für Investoren, dementsprechend auch die Anzahl an ausländischen Investoren und die Vergabe öffentlicher Aufträge (jeweils Platz eins von 60.) Schlecht steht es allerdings auch in Irland um die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit, sowie das BIP pro Kopf bestellt. Quelle: dpa

Steuergelder für eine Rennstrecke – das geht also gar nicht. Man sei aber bereits mit mehreren möglichen Investoren im Gespräch, sagte Papatheodorou Handelsblatt Online. Die Verhandlungen befänden sich in einem fortgeschrittenen Stadium und es gebe „sehr gute Aussichten, innerhalb des nächsten Monats zu einer Einigung zu kommen“.

Pläne für eine griechische Grand-Prix-Piste gab es bereits in den 1950er Jahren. Neben Fußball und Basketball gehört der Motorsport zu den großen Leidenschaften der Griechen – vielleicht gerade weil die Massenmotorisierung erst in den 1970er Jahren einsetzte und sich die meisten Griechen lange kein eigenes Auto leisten konnten.

Wenn man schon nicht selbst am Steuer sitzen kann, will man wenigstens zusehen: Die Geschichte der Rally Akropolis geht zurück bis ins Jahr 1951. Noch 1963 gab es Griechenland erst 68.000 PKW. 1976 waren es bereits 510.000 - heute sind es übrigens fünf Millionen. Damit hat statistisch fast jeder zweite Grieche ein Auto.

Rund ein Dutzend Standorte waren über die Jahrzehnte für einen Formel-1-Kurs im Gespräch, darunter Serres und Thessaloniki im Norden des Landes, Patras im Westen, die Provinz Böotien und Megara in Attika. Keines der Projekte kam aus den Startlöchern. Aber noch nie waren die Pläne so detailliert und so weit fortgeschritten wie jetzt, und erstmals ist nun nicht nur Formel-1-Chef Ecclestone eingebunden. Auch die Politik zieht mit: Ministerpräsident Antonis Samaras unterstützt das Projekt, so ein Schreiben des Premiers an den Bürgermeister von Drapetsona vom 9. April 2014.

Für die kleine Vorstadtgemeinde wäre die Rennstrecke eine Riesenchance. Drapetsona ist eine Krisen-Kommune: Die Arbeitslosenquote liegt bei gefühlten 50 Prozent. Jeder zehnte Einwohner geht zu den Armenspeisungen. Dabei schlug in den 1930er Jahren in Drapetsona das industrielle Herz der Region. Heute ist von der einstigen Blüte nicht viel übrig: Die Ruinen eines Düngemittelwerkes, die Reste einer Zementfabrik und eines Mühlenbetriebs. Der Schlot eines längst stillgelegten Kraftwerks ragt in den Himmel, riesige Öltanks rosten vor sich hin.

Doch diese verfallenen Industriebauten könnten eine großartige Kulisse hergeben für die geplante Rennstrecke, glaubt Architekt Papatheodorou. Er denkt an ein Technikmuseum, Sportanlagen, einen Freizeitpark und Kongresshallen, um den Komplex das ganze Jahr über nutzen zu können – der wichtigste Schlüssel für die Rentabilität des Projekts. Als einen weiteren Standortvorteil sieht er die unmittelbare Nachbarschaft zum Hafen von Piräus, wo im Sommer täglich mehrere Kreuzfahrtschiffe festmachen, und die Nähe zu Athen, das ab 2017 dank einer neuen U-Bahn-Linie nur noch 20 Minuten von Piräus entfernt sein wird.

Platz für mehr als hunderttausend Besucher

Bis dahin soll auch die Rennstrecke fertig sein. „Ich rechne mit zweieinhalb bis drei Jahren Bauzeit“, sagte Papatheodorou Handelsblatt Online. Der Kurs nutzt zu 70 Prozent bestehende Straßen, die nur aufgewertet werden müssen. „Das spart Zeit und Baukosten“, so der Architekt. Auf den Tribünen sollen 130.000 Besucher die Rennen verfolgen können.

Der Verkauf der Tickets dürfte kein Problem sein. Wenn es nach Benzin riecht und die Motoren aufheulen, sind die motorsportbegeisterten Griechen schnell zur Stelle. Es liegt ihnen wohl im Blut: Geschwindigkeit sei so etwas wie ein Leitmotiv schon der alten Hellenen gewesen, erklärt Athanassios Papatheodorou.

Er verweist auf die Pferderennen der Antike, aber auch auf die Trieren, die schnellen Kriegsschiffe, mit denen die Allianz der griechischen Stadtstaaten 480 vor Christus in der Seeschlacht von Salamis die persische Flotte besiegte – übrigens vor der Küste von Drapetsona.

Themistokles war damals der kommandierende General. Er überredete die zaudernden Griechen, doch noch gegen die zahlenmäßig weit überlegene persische Flotte zu kämpfen. Die Griechen gewannen die Schlacht – ein Wendepunkt der Weltgeschichte. Nach dem siegreichen Feldherren soll die geplante Rennstrecke denn auch benannt werden: Themistokles-Kurs.


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