
Die Scheinbeschäftigungs-Vorwürfe gegen den konservativen französischen Präsidentschaftskandidaten François Fillon beschäftigen nun drei Ermittlungsrichter. Die französische Finanz-Staatsanwaltschaft eröffnete ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt, wie die Behörde am Freitagabend in Paris mitteilte. Bislang hatte sie lediglich in Vorermittlungen geprüft, ob die Beschäftigung von Fillons Frau als parlamentarische Mitarbeiterin ihres Mannes eine Scheinbeschäftigung gewesen sein könnte.
Der Vorwurf lautet unter anderem auf Hinterziehung öffentlicher Gelder und Vorteilsnahme. Ex-Premier Fillon hatte nach Enthüllungen einer investigativen Zeitung eingeräumt, seine Frau über Jahre hinweg im Parlament beschäftigt zu haben. Er bestritt aber mehrfach entschieden den Vorwurf einer Scheinbeschäftigung.
Den Wahlkampf des lange als klarer Favorit für den Élyséepalast gehandelten Konservativen hatten die Vorwürfe seit Ende Januar schwer belastet. Er hatte die Beschäftigung schließlich als Fehler bezeichnet, auch wenn sie völlig legal gewesen sei.
Frankreichs Präsident - das mächtigste Staatsoberhaupt
Von allen Staatsoberhäuptern der Europäischen Union hat der französische Präsident die größten Vollmachten. Seine starke Stellung verdankt er der Verfassung der 1958 gegründeten Fünften Republik, ihr erster Präsident war General Charles de Gaulle.
Der Staatschef wird seit 1965 direkt vom Volk gewählt und kann beliebig oft wiedergewählt werden. Seit 2002 beträgt seine Amtszeit noch fünf statt sieben Jahre.
Der Präsident verkündet die Gesetze, kann den Premierminister entlassen und die Nationalversammlung auflösen. In Krisenzeiten kann er den Notstandsartikel 16 anwenden, der ihm nahezu uneingeschränkte Vollmachten gibt.
Der Staatschef ist gegenüber dem Parlament nicht verantwortlich. Durch eine 2007 beschlossene Verfassungsänderung sind Staatschefs im Amt vor Strafverfolgung ausdrücklich geschützt. Das Parlament kann den Präsidenten nur bei schweren Verfehlungen mit Zweidrittelmehrheit absetzen.
Frankreichs Staatschef ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und hat in der Verteidigungs- und Außenpolitik das Sagen. Seine stärksten Druckmittel sind der rote Knopf zum Einsatz von Atomwaffen und das Vetorecht im UN-Sicherheitsrat.
Der Präsident ernennt den Premierminister und auf dessen Vorschlag die übrigen Minister, leitet die wöchentlichen Kabinettssitzungen und nimmt Ernennungen für die wichtigsten Staatsämter vor.
Seine Macht wird jedoch eingeschränkt, wenn der Regierungschef aus einem anderen politischen Lager kommt und der Präsident keine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung hat. Dieser Fall der „Kohabitation“ war bei der Verabschiedung der Verfassung nicht vorgesehen. Er trat aber bereits drei Mal ein, zuletzt 1997 bis 2002, als der konservative Staatschef Jacques Chirac mit dem sozialistischen Premierminister Lionel Jospin auskommen musste.
Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen, Favoritin im ersten Wahlgang der Präsidentenwahl, muss sich ähnlicher Vorwürfe erwehren. Sie soll mit Mitteln des Europaparlaments Assistenten für ihre Parteiarbeit bezahlt haben. Le Pen verweigert eine Befragung durch die französische Polizei, weil dies den Wahlkampf beeinflusse. Sie kann nicht zu dem Verhör gezwungen werden, solange sie parlamentarische Immunität besitzt. Anders als bei Fillon hat ihr die Affäre bisher in den Umfragen nicht geschadet.
Mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Fillon ist es wahrscheinlich, dass die Untersuchungen sich noch länger hinziehen. Fillon hatte erklärt, dass er nur dann auf seine Kandidatur verzichten will, wenn die Ermittler genug Beweise für ein Anklageverfahren gegen ihn sehen.
Nach einem Abrutschen in den Umfragen wegen der Affäre hatte Fillon zuletzt wieder Zustimmung hinzugewonnen. Er lag in jüngsten Umfragen Kopf an Kopf mit dem unabhängigen Bewerber Emmanuel Macron. Beide sind für den ersten Wahlgang die aussichtsreichsten Kandidaten hinter Le Pen. Die beiden stärksten Kandidaten im ersten Wahlgang Ende April qualifizieren sich für die entscheidende Stichwahl zwei Wochen später.
Fillon hatte erklärt, seine Frau habe „einfache, aber wesentliche“ Aufgaben für ihn übernommen - sie habe vor allem im Wahlkreis für ihn gearbeitet. Nach Angaben Fillons hatte seine Frau für mehr als 15 Jahre Tätigkeit für ihren Mann und dessen Nachfolger im Parlament gut 680.000 Euro netto aus der Parlamentskasse erhalten.