
An Spot mangelt es nicht. Der Bewerber dürfe durch nichts zu erschüttern sein und müsse sich durch eloquente Phrasendrescherei auszeichnen. In dem Fall, so das französische Onlinemagazin "slate.fr", locke ein auf 20 Monate befristeter Arbeitsvertrag mit einem monatlichen Salär von 9940 Euro plus Dienstwagen und Dienstwohnung.
Frankreich sucht einen neuen Arbeitsminister, doch niemand reißt sich um den Posten. Wie auch? Das Wirtschaftswachstum beschränkte sich im zweiten Quartal auf 0,0 Prozent. Über das Jahr bräuchte es aber mindestens 1,5 Prozent Wachstum, um die stetig aufwärts strebende Kurve der Erwerbslosigkeit in die andere Richtung zu wenden - und damit die von Staatschef François Hollande vorgegebene Bedingung für dessen erneute Kandidatur 2017 zu erfüllen.
Frankreichs Schwächen
Hohe Arbeitslosigkeit und vor allem wenig Hoffnung auf Besserung am Arbeitsmarkt: 3,5 Millionen Menschen sind in Frankreich arbeitslos und es werden immer mehr. Trotz leichten BIP-Zuwachses stieg die Arbeitslosenquote zuletzt um 0,4 Prozent. Rang 49 im Ranking.
Das Leben in Frankreich ist teuer – für Privatbürger wie für Unternehmen. Die Mieten für Geschäftsimmobilien sind überdurchschnittlich hoch (Rang 38), die Energiepreise ebenso (Rang 40). Da auch die Produktionskosten hoch sind, haben es die Unternehmen schwer, konkurrenzfähig auf den Märkten zu agieren.
Eines der größten Probleme Frankreichs ist die immense Besteuerung. Nur 13 Prozent der Unternehmen bescheinigen dem Steuersystem, „wettbewerbsfähig“ zu sein. Das IMD sieht das ähnlich. Kein Land kommt bei der Steuerpolitik schlechter weg als die Franzosen (Rang 61).
In Frankreich ist – wie oben beschrieben – Arbeit teuer. Das Sozialsystem ist aufgebläht, doch die Bereitschaft der Bürger, Abstriche zu machen, ist nicht vorhanden. Im Gegenteil. Die Franzosen verrennen sich in ihrem Protest gegen die Globalisierung (Einstellung gegenüber der Globalisierung: Rang 60), sie sind wenig flexibel und anpassungsfähig (Rang 60).
So überrascht es nicht, dass es Amtsinhaber François Rebsamen nach 16 Monaten leid war, sich als Arbeitslosenminister beschimpfen zu lassen und Monat für Monat zu verkünden, dass Frankreich trotz anders lautender Zahlen auf einem guten Weg sei. Mit mehr als zehn Prozent ist die Erwerbslosenquote in Frankreich gut doppelt so hoch wie in Deutschland.
Rebsamen warf hin und gibt ab sofort lieber als Bürgermeister der Provinzstadt Dijon seinen Senf zum politischen Geschehen.
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Ein vielversprechender, weil Präsident Hollande nahestehender, Kandidat für die Nachfolge winkte gleich ab. Agrarminister Stephane Le Foll treibt sich derzeit lieber in den Schweineställen der Republik herum, als sich um den Mist zu kümmern, den er alleine ohnehin nicht wegräumen kann: „Der Arbeitsminister kann nicht im Alleingang den Anstieg der Arbeitslosigkeit hemmen“, klagte Rebsamen vor seinem Rücktritt am Mittwoch. Er hatte in seiner Amtszeit eine Abkehr von der 35-Stunden-Woche gefordert und schärfere Kontrollen für Arbeitslose. Zwei sensible Themen, die der Staatschef nicht anpacken wollte.
„Es fehlen Reformen, die den Unternehmen mehr Flexibilität geben“, urteilt auch der Arbeitsrechtler Bertrand Martinot. Vor allem Mittelständler litten unter den rigiden Vorgaben des Arbeitsrechts, dem Kündigungsschutz, den Beschränkungen bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit oder bei den Tarifverhandlungen.
Was nützt ein Arbeitsminister
Weitere Forderungen der Unternehmer wie die nach einer Senkung der Steuern und Abgaben, um Investitionen und Neueinstellungen anzukurbeln, liegen zudem nicht in der Verantwortung des Arbeits- sondern des Finanzministers. Wirtschaftsminister Emmanuel Macron wollte jüngst Abfindungen abhängig von der Größe der Firmen deckeln. Doch der Verfassungsrat pfiff ihn sofort zurück. Ein solches Vorgehen widerspräche der verfassungsrechtlich garantierten Gleichbehandlung.





Was nützt ein Arbeitsminister überhaupt, fragen die Kommentatoren in den französischen Medien. Sollte man das Ministerium nicht lieber gleich abschaffen?
Riskanter Nachfolge-Kandidat
Doch das steht nicht auf der Agenda. Zu groß wäre vermutlich der Aufschrei des linken Flügels der regierenden Sozialisten. Hollande und sein Premierminister Manuel Valls brauchen im Gegenteil dringend die Kritiker in den eigenen Reihen, um in einigen Wochen den Haushalt für 2016 durch das Parlament zu bekommen. Um diese „Frondeurs“, jene über die ihrer Meinung nach ohnehin zu unternehmerfreundliche Politik der Regierung erbosten Meuterer, zu besänftigen, kursiert statt dessen eine andere Idee: die nämlich, einen der ihren mit dem Arbeitsministerium zu betrauen.





Jean-Marc Germain wäre so ein Kandidat, auch nach dem Geschmack von Gewerkschaftschef Jean-Claude Mailly von der Force Ouvrière. „Wenn es einen gibt, von dem ich glaube, dass er ein wenig dem Wirtschaftsliberalismus widerstehen kann, dann ist es Jean-Marc Germain, sagt Mailly.
Der sozialistische Abgeordnete Germain war stellvertretender Bürochef von Martine Aubry, als diese Ende der 90er Jahre Arbeitsministerin wurde und im Kampf gegen die damalige hohe Arbeitslosigkeit die 35-Stunden-Woche einführte. Er gehörte zu den schärfsten Kritikern des 2014 geschlossenen „Pakts der Verantwortung“, der Steuererleichterungen für die Unternehmer in Höhe von 40 Milliarden Euro vorsieht, wenn diese im Gegenzug neue Arbeitsplätze schaffen.
Frankreichs Stärken
Der einzige Lichtblick auf dem Arbeitsmarkt ist die hohe Beschäftigungsquote von Frauen. Dank guter Kinderbetreuungsmöglichkeiten und aufgeschlossenen Arbeitgebern sind viele Frauen in Arbeit. Rang 9 im internationalen Vergleich.
Ein gutes Gesundheitssystem, eine gute technische Infrastruktur und hohe Energiesicherheit: Die Grundlagen für erfolgreiches Unternehmertum sind von dieser Seite her gegeben.
Genau aus diesem Grund wäre diese Besetzung doppelt riskant: Die Unternehmer lehnen Germain ab und könnten einen Minister der Meuterer als Abkehr von der eingeschlagenen Reformpolitik verstehen. Zudem hat Präsident Hollande nur zu gut das Gezänk in Erinnerung, das die Zusammenarbeit zwischen Ministern des linken und des rechten Flügels seiner Sozialisten im vergangenen Jahr nahezu unmöglich machte. Den damaligen Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg warf er deshalb im August 2014 aus dem Kabinett. Wie sollte jetzt ein Gesinnungsgenosse Montebourgs mit dem liberalen Wirtschaftsminister Macron vernünftig zusammenarbeiten?
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Er bleibe auf jeden Fall noch „die Zeit, die es braucht, um die Dossiers vorzubereiten und die Amtsübergabe, damit der- oder diejenige, der mir nachfolgt, ein funktionierendes Ministerium vorfindet“, sagte der scheidende Rebsamen am Mittwoch. In den nächsten beiden Wochen habe er noch Termine. Rebsamens Rücktritt wird formal erst wirksam, wenn Präsident Hollande das Gesuch angenommen hat. Das gibt dem Staatschef auch die Möglichkeit, die Stimmungslage in seiner Partei bei dem traditionellen Treffen der Sozialisten Ende August in La Rochelle zu prüfen.
Es sieht also danach aus, als würde ein Minister auf Abruf Ende August die vermutlich erneut schlechten Arbeitslosenzahlen kommentieren. Vielleicht drescht Rebsamen dann nicht erneut Phrasen, sondern redet einmal Klartext.