
In drei Tagen wählen die Franzosen einen neuen Präsidenten. In der Stichwahl stehen sich zwei Kandidaten gegenüber, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Emmanuel Macron - ein europafreundlicher und weltoffener Kandidat - sieht sich Marine Le Pen gegenüber, die Frankreich von der Welt abschotten und den Franc wieder einführen möchte.
Maron hätte gut daran getan, sich einem TV-Duell mit Le Pen zu verweigern, wie es schon Jacques Chirac 2002 getan hatte. „Mit der extremen Rechten kann man nicht debattieren“, sagte er damals vor einem möglichen Duell mit Jean-Marie Le Pen. Nicht aus Angst einer austeilenden Marine Le Pen nicht standhalten zu können, sondern im Wissen, dass eine inhaltliche Diskussion mit der Kandidatin des Front National kaum möglich sein wird.
Und so setzte Le Pen dann auch auf populistische Sprüche, teilweise Lügen und Falschaussagen und persönliche Beleidigung, äußerte sich in der zweieinhalbstündigen Debatte aber kaum inhaltlich, obwohl sie mehrfach explizit dazu aufgefordert wurde. Insgesamt zwölf Lügen beziehungsweise Falschaussagen konnten Le Pen am Ende des Abends nachgewiesen werden.
Wirtschaftspolitische Pläne von Marine Le Pen
Er soll zugunsten einer eigenen Währung aufgeben werden - sofern sich die Mehrheit der Franzosen in einem Referendum für einen Abschied vom Euro aussprechen.
Nach einem Wahlsieg soll mit den EU-Partnern binnen sechs Monaten eine radikale Änderung der EU-Verträge vereinbart werden. Die Union soll dabei in einen lose Verbund der Mitgliedsländer umgebaut werden - ohne Euro und von Brüssel überwachte Haushaltsregeln, aber wieder mit Grenzkontrollen. Schon in den ersten beiden Monaten nach einem Wahlsieg soll das Schengen-Abkommen aufgekündigt werden, mit dem Kontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft wurden.
Sie soll bei der Rückkehr zur Landeswährung helfen und deren Kurs verteidigen. Ihr soll dabei das Recht eingeräumt werden, französische Staatsanleihen von der Regierung abzukaufen.
Bei öffentlichen Ausschreibungen sollen nur französische Unternehmen zum Zuge kommen, solange der Preisunterschied nicht allzu groß ist. Auf Importe soll eine Steuer in Höhe von drei Prozent erhoben werden. Arbeitgeber, die ausländische Mitarbeiter einstellen, sollen mit einer Extrasteuer belegt werden, die zehn Prozent des Gehaltes erreichen kann.
Das Renteneintrittsalter soll von 62 auf 60 Jahre gesenkt werden. Sehr arme Rentner sollen besser unterstützt werden.
Die 35-Stunden-Woche soll erhalten werden. Überstunden sollen steuerfrei werden.
Diese sollen für Privathaushalte gesenkt, die Sozialausgaben erhöht werden. Auch kleinere und mittelständische Firmen sollen weniger Steuern zahlen.
Macron stehe für „ungezügelten Liberalismus, soziale Brutalität, Plünderungen“ und werde von „Herrn Hollande gesteuert, der noch immer am Ruder steht“, sagte Le Pen in ihrem Eingangsstatement in einer Grobheit, die es im Wahlkampf bislang noch nicht gab und die die Kandidatin wenig präsidentiell erschienen ließ. Da half es auch nur wenig, dass sie versuchte, sich als Kandidatin des Volkes zu inszenieren und eines Staates, der Sicherheit biete und soziale Absicherung.
Macron konterte fast alle Angriffe mit Ruhe und Gelassenheit: „Sie haben gezeigt, dass sie kein offenes, demokratisches System wollen. Sie sind nicht nur die echte Erbin eines Namens, sondern auch einer rechten Ordnung.“
Er versuchte inhaltlich zu argumentieren: „Die Arbeitslosigkeit kann seit 30 Jahren nicht eingedämmt werden, weil unser Arbeitsrecht rigide und unflexibel ist, deshalb brauchen wir beispielsweise Branchentarifverträge.“ Le Pen hingegen versuchte es gar nicht erst und blieb bei ihren Anschuldigen, die sie allerdings nicht müde wurde, wieder und wieder zu wiederholen: „Warum haben Sie Hollande ihre Pläne nicht schon als Wirtschaftsminister eingeflüstert?“, fragte sie Macron.
„Sie denken nicht an das französische Volk, sondern verkaufen Unternehmen ans Ausland und haben mit Hollande eine katastrophale Politik gemacht.“ Vor allem Letzteres schien sich wie ein Mantra durch die zweieinhalbstündige Debatte zu ziehen: Macron als Marionette von Hollande.
Wirtschaftspolitische Pläne von Emmanuel Macron
Die Unternehmenssteuer soll von derzeit 33 auf 25 Prozent gesenkt werden. Die Steuergutschrift für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (CICE) soll umgewandelt werden in eine dauerhafte Entlastung für Arbeitnehmer mit niedrigen Löhnen.
An der 35-Stunden-Woche soll festgehalten werden. Allerdings könnte sie flexibler geregelt werden, indem Betriebe über die tatsächliche Arbeitszeit mit ihren Beschäftigten verhandeln.
Sie sollen von bestimmten Sozialabgaben befreit werden. Dadurch könnten Niedriglohnempfänger einen zusätzlichen Monatslohn pro Jahr in ihren Taschen haben.
Binnen fünf Jahren sollen 50 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern investiert werden. 15 Milliarden Euro davon sollen in bessere Aus- und Weiterbildung gesteckt werden, um die Einstellungschancen von Jobsuchenden zu verbessern. Ebenfalls 15 Milliarden Euro sind geplant, um erneuerbare Energien zu fördern. Weitere Milliarden sind für die Landwirtschaft, die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, für Infrastruktur und Gesundheitswesen geplant.
60 Milliarden Euro an Einsparungen sind bei den Staatsausgaben vorgesehen, die in Frankreich traditionell hoch sind. Zehn Milliarden Euro soll der erwartete Rückgang der Arbeitslosenquote von derzeit etwa zehn auf sieben Prozent bringen, indem die Ausgaben für Arbeitslosengeld sinken. Durch eine verbesserte Effizienz soll das Gesundheitswesen zehn Milliarden einsparen, weitere 25 Milliarden Euro die Modernisierung des Staatsapparates.
In Gegenden mit niedrigem Einkommen soll die Schülerzahl auf zwölf pro Klasse begrenzt werden. Lehrer sollen als Anreiz für eine Arbeit in solchen Regionen einen Bonus von 3000 Euro pro Jahr bekommen. Mobiltelefone in Schulen sollen für Kinder bis 15 Jahren verboten werden. Alle 18-Jährigen sollen einen Kulturpass im Wert von 500 Euro erhalten, den sie beispielsweise für Kino-, Theater- und Konzertbesuche ausgeben können.
Der Höhepunkt der Niederträchtigkeit war erreicht, als Le Pen, die sich einem laufenden Gerichtsverfahren wegen der mutmaßlichen Unterschlagung von EU Geldern unterziehen muss, die Unabhängigkeit der französischen Richter anzweifelte. „Sie machen sich lustig über die Richter?“, gab Macron zurück. „Der Respekt unserer Institutionen ist etwas Fundamentales und Sie sind nicht würdig, das höchste Amt des Staates zu bekleiden,“ sagte er.
Und damit hat er Recht: Le Pen hat am Donnerstagabend bewiesen, dass ihr die Diskreditierung ihres Gegenübers wichtiger ist, als eigene Lösungen anzubieten, mit inhaltlichen Argumenten zu überzeugen. Immerhin hat sie sich im ersten Wahlgang gut geschlagen und eine solide Ausgangsbasis für die Stichwahl aufgebaut.





Sie hätte viel eher auf moderate Töne setzen sollen, um vielleicht noch den einen oder anderen Wähler von Fillon oder Mélenchon abzugreifen. Mit ihrem polternden Auftritt aber, und vor allem den zahlreichen Falschbehauptungen, die sie immer wieder – fast zu offensichtlich – aufstellte, dürfte sie dieses Potential mindestens verkleinert, wenn nicht verspielt, haben.
Nach einer Blitzumfrage am Ende des Duells schnitt Macron deutlich besser ab. 63 Prozent der befragten Zuschauer fanden den unabhängigen Kandidaten überzeugender, 34 Prozent seine Konkurrentin.