Frankreich Sozialisten haben die Wahl schon verloren

Die Sozialisten schicken einen Linksausleger ins Rennen, der Republikaner Fillon stolpert über eine Gehaltsaffäre, und der unabhängige Kandidat Macron hadert mit zu großer Beliebtheit.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der "ewige Zweite" auf dem Weg nach oben
François Fillon Quelle: AP
Francois Fillon Quelle: REUTERS
Francois FIllon und Vladimir Putin Quelle: AP
Fillon 2009 bei einer Privataudienz bei Papst Benedikt XVI. Quelle: REUTERS
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Premierminister, Francois Fillon 2010 Quelle: dpa
Francois Fillon mit seiner Frau Penelope Quelle: REUTERS
Francois Fillon Quelle: dpa

Diese Woche hätte phänomenal starten können für François Fillon, den Kandidaten der französischen Konservativen bei den Präsidentschaftswahlen im April und Mai. Die Wähler der Sozialisten kürten nämlich am gestrigen Sonntag den Vertreter des linken Parteiflügels zum Gegenkandidaten: Benoît Hamon. Er käme in Umfragen aktuell auf höchstens 15 Prozent der Stimmen und dessen Pläne für eine 32-Stunden-Woche und ein garantiertes Grundeinkommen von 750 Euro monatlich nach Meinung der meisten Franzosen so wenig realistisch wie realisierbar sind.

Von dort droht also keine Gefahr. Doch Fillon, der mit einem Saubermann-Image in die Kampagne zog, hat womöglich einigen Schmutz auf sich geladen und muss sich deshalb nun ernsthafte Sorgen um seinen - bis vor wenigen Tagen noch garantierten - Einzug in die Stichwahl machen. Der lachende Dritte ist Emmanuel Macron. Der sozialliberale Ex-Wirtschaftsminister ist ihm mit 21 Prozent und damit nur einem Punkt Abstand auf den Fersen.

Seit vorige Woche die Affäre um die zweifelhafte Tätigkeit seiner Ehefrau Penelope als parlamentarische Assistentin und ihr großzügiges Salär aus öffentlichen Mitteln bekannt wurde, hat Fillon erheblich an Popularität und Glaubwürdigkeit eingebüßt. Daran ändert auch nichts, dass nahezu 15.000 Anhänger am Sonntagnachmittag zu Fillons Kundgebung in Paris strömten und dessen Angriffe auf „diejenigen, die uns mit Maschinengewehrfeuer belegen“, Frankreich-Fähnchen schwingend und mit donnerndem Applaus begleiteten.

Frankreichs Präsident - das mächtigste Staatsoberhaupt

„Das ist das Aus für seinen Diskurs gegen den verschwendungssüchtigen Staat,“ urteilt Bruno Cautrès, Forscher am Zentrum für politischen Studien der Pariser Universität Sciences Po. „Seine Kommunikationsstrategie ist zu Staub zerfallen. Was seine Frau verdient hat, entspricht 250 Monatsgehältern einer Pflege-Hilfskraft am Ende ihrer Berufslaufbahn.“ Penelope Fillon hatte als angebliche Assistentin ihres Mannes zu dessen Abgeordneten-Zeiten knapp 5000 monatlich bezogen und anschließend für die Unterstützung seines Nachfolgers sogar bis zu 7900 Euro. Das ist nicht nur erheblich mehr, als parlamentarische Assistenten normalerweise verdienen. Angesichts der Einlassungen ihres Mannes, sie habe dafür seine Reden gegen gelesen und ihn bei Lokalterminen in seinem Wahlkreis vertreten, ist das Salär geradezu fürstlich. Die Justiz ermittelt inzwischen wegen des Verdachts der Scheinbeschäftigung und Verschwendung öffentlicher Mittel. Auch zwei seiner insgesamt fünf Kinder hat Fillon womöglich unrechtmäßig aus der Staatskasse entlohnt.

Die an sich legale Beschäftigung von Familienmitgliedern der Mandatsträger in Abgeordnetenhaus und Senat gab bereits in der Vergangenheit immer wieder Anlass zu Diskussionen, weil sie dem Missbrauch Tür und Tor öffnet. In Fillons Fall wiegen die Enthüllungen umso schwerer, als er sich bisher als rechtschaffener Vertreter der Politzunft angepriesen hat und den Franzosen als Präsident harte Einschnitte im Sozialwesen und Mehrarbeit ohne vollen Lohnausgleich abverlangen will. „Diese Affäre bringt die tragende Mauer seiner Kandidatur zum Einsturz,“ sagt Cautrès.

Frankreichs Stärken

Da Fillons Rückzug derzeit außer Frage steht und die Konservativen auch keinen Alternativkandidaten ins Spiel bringen können, konzentriert sich die Verteidigung auf allerhand Verschwörungstheorien, die Donald Trump zur Ehre gereichten. Außerdem auf den Versuch, Konkurrent Macron als unerfahreneren Jungspunt ohne Ideen und Programm zu disqualifizieren. Nicht die politische Auseinandersetzung mit der rechtsnationalen und Europa-feindlichen Kandidatin Marine le Pen steht mehr im Zentrum wie zu Beginn des Wahlkampfs. Und das, obwohl diese in Umfragen mit 25 Prozent klar als Favoritin für die erste Wahlrunde im April gilt.

Damit scheinen sich die Konservativen arrangiert zu haben. Le Pens Name fiel bei der Kundgebung am Sonntag nur am Rande, der von Emmanuel Macron statt dessen viele Dutzend Male. Fillons Anhänger quittierten dies stets wie auf Kommando mit lauten Buh-Rufen. Denn die Konservativen müssen nun darum kämpfen, es mit Fillon überhaupt in die Stichwahl zu schaffen.

Gespaltene Sozialisten

Macron hat derweil ein anderes, nur auf den ersten Blick kleines Problem. Die Niederlage des Reformkandidaten Manuel Valls bei den gestrigen Vorwahlen der Sozialisten verschafft ihm zwar den Vorteil, dass er es nicht mit einem Konkurrenten aufnehmen muss, der ähnliche Überzeugungen vertritt, und als Premierminister bis vor wenigen Monaten Macrons Chef war.

„Valls' Niederlage bedeutet, dass Macron nun als einziger Kandidat das Erbe der sozialistischen Regierung übernehmen muss,“ sagt die Ökonomin Julia Cagé. Was dieser natürlich nicht will. Aus genau diesem Grund war er als Wirtschaftsminister zurück getreten und hatte seinen Hut als unabhängiger Kandidat an der Spitze seiner eigenen Bewegung „En Marche!“ (Vorwärts) in den Ring geworfen.

Macrons Strategie, sich als dem System fern stehender Bewerber um das französische Präsidentenamt weder politisch links noch rechts einordnen zu lassen, würde vermutlich ebenfalls Schaden nehmen, wenn nun Dutzende Reform-Sozialisten zu ihm überlaufen würden. Bereits am Dienstag wollen sich in Lyon rund 30 sozialistische Abtrünnige um den dortigen Bürgermeister Gérard Collomb versammeln.

Die Sozialisten sind tief zerstritten über ihren Kandidaten, das Volk enttäuscht von der politischen Elite, die die Probleme des Landes nicht lösen zu können scheint. Eine Bestandsaufnahme vor der Präsidentenwahl.
von Nora Jakob

„Wir haben uns zwar auf dieses Spiel der Vorwahlen eingelassen. Aber wir können heute nur konstatieren, dass aus dieser Konsultation einer Minderheit nichts Nützliches für das Land entspringt und eine politische Linie hervor bringt, die reale Zwänge missachtet und zum selben Schiffbruch führen wird, wie ihn die britischen Arbeiter erleiden müssen,“ schreiben sie in einem Kommuniqué.

Mit Jean Pisani-Ferry hatte bereits zum Jahreswechsel einer der wichtigsten wirtschaftlichen Vordenker der Regierung das Handtuch geworfen und koordiniert nun die Arbeit an Macrons Programm. In den vergangenen Wochen hatten sich zudem zahlreiche Sozialisten, heimlich oder auch ganz offen, bei „En Marche!“ gemeldet mit dem Wunsch, auf deren Liste für die im Juni geplante Parlamentswahl zu kandidieren. Nach dem gestrigen Abend könnten weitere folgen. Als höchste Amtsträgerin hat bisher Umweltministerin Ségolène Royal ohne Scheu die Seiten zu Macron gewechselt. „Fehlt nur noch, dass es der Präsident tut,“ witzeln politische Kommentatoren in Paris.

Doch die Frotzelei kann nicht einmal mäßig darüber hinweg täuschen, wie ernst die Lage tatsächlich für die Sozialisten ist. Trotz des protokollarischen Händedrucks zwischen Valls und Hamon am Sonntagabend und der zahlreichen offiziellen Statements, dass die Partei nun geschlossen hinter dem Kandidaten steht, erscheint genau das völlig undenkbar.

Frankreichs Schwächen

Es waren die Meuterer um Hamon, die Staatschef François Hollande und Premier Valls bei der Umsetzung wirtschaftsfreundlicher Reformen ein ums andere Mal Beine stellten. Hamon und Ex-Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg flogen deshalb im Sommer 2014 aus dem Kabinett. Und nun sollen Hollande, Valls und der gesamte Reformflügel der Sozialisten allen Ernstes artig die Reihen hinter Hamon schließen?

Beobachter warten statt dessen nur auf den großen Knall und die Spaltung der PS. In den vergangenen gut zwei Jahren war sie mit viel Mühe vermieden worden. Nur ein Schicksal der Sozialisten ist heute so gut wie gewiss: Den nächsten Präsidenten werden sie nicht stellen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%