„Seine eigenen Affären sollen sich in einem größeren Staatsskandal auflösen“, sagt Frei. „Diese Strategie der Skandalisierung kann er nur weiter verfolgen, solange er im Rennen und damit im Scheinwerferlicht bleibt.“
Fillon kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es vor allem er selbst war, der sich und seine Unterstützer mit seinem Starrsinn in eine Krise gestürzt hat.
Möglichkeiten zurückzutreten, gab es schließlich viele. Aber diese Momente hat er nicht genutzt. Vielmehr, so scheint es, haben die immer neuen Vorwürfe ihn sogar ermuntert, jetzt erst recht weiterzumachen.
Der gemäßigten Rechte, die Fillon vor dem Bekanntwerden der Vorwürfe in Vorwahlen zu ihrem Kandidaten kürte, würde im Falle seines Rücktritts jede Alternative fehlen, abgesehen davon, dass es wohl ohnehin viel zu spät wäre, mit einem anderen Kandidaten in den Endspurt des Wahlkampfes zu gehen. Nicolas Sarkozy steckt selbst in mehreren Verfahren unter anderem wegen illegaler Wahlkampffinanzierung. Alain Juppé unterlag in den Vorwahlen Fillon sehr deutlich mit nur 30 Prozent der Stimmen. Andere Kandidaten hatten kaum ernsthafte Chancen.
Hinzukommt, dass die Republikaner durch die Urwahl Geld eingenommen haben: Denn an dieser durfte jeder französische Wahlberechtigte teilnehmen, wenn er sich als Anhänger er bürgerlichen Rechten registrieren ließ und zwei Euro zahlte. Und die Wahlbeteiligung war mit mehr als 4,3 Millionen Menschen sehr hoch.
Wenn Fillon am 23. April antritt, und verliert, dann wäre es das erste Mal seit der Gründung der fünften Republik durch de Gaulle 1958, dass kein Kandidat der gemäßigten Rechten, also der Vorgängerparteien des „Republikaner“, in die Stichwahl der zweiten Runde kommt. Ohne Zweifel eine große Blamage. Aber wäre es der Untergang einer großen Partei? Nein.
Wer sind heute die Republikaner? „Wir reden von einer Hülse, die sich in den nächsten Jahren neu mit Inhalt füllen wird – und besagter Inhalt hängt von jeweils führenden Persönlichkeiten ab“, sagt Frei. Der Grad der Personalisierung ist in der französischen Politik deutlich höher als in Deutschland. Es gilt heute noch, was der Historiker Charles Seignobos nach den Parlamentswahlen von 1928 schrieb: „Jeder Kandidat präsentiert sich in seinem Namen, wählt sein Etikett, redigiert sein Programm.“
Und so handelt auch Fillon - ohne Rücksicht auf die Wähler. Denn die haben eine ganz klare Meinung: Mittlerweile sind – Umfragen zufolge – 75 Prozent der Wähler für einen Rückzug von Fillon. 90 Prozent der Franzosen gilt er als nicht aufrichtig.