Frankreich vor den Präsidentenwahlen François Fillon sollte endlich aufgeben

Der Rücktritt des konservativen Präsidentschaftskandidaten wäre längst fällig. Doch er versucht die eigenen Skandale in einem noch größeren aufzulösen – ohne Rücksicht auf Verluste. 

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Der "ewige Zweite" auf dem Weg nach oben
François Fillon Quelle: AP
Francois Fillon Quelle: REUTERS
Francois FIllon und Vladimir Putin Quelle: AP
Fillon 2009 bei einer Privataudienz bei Papst Benedikt XVI. Quelle: REUTERS
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Premierminister, Francois Fillon 2010 Quelle: dpa
Francois Fillon mit seiner Frau Penelope Quelle: REUTERS
Francois Fillon Quelle: dpa

„Ich werde nicht zurückweichen. Ich werde nicht aufgeben. Ich werde nicht aufgeben.“ Diese drei kurzen Sätze von François Fillon haben Frankreich in einen Zustand der Verwunderung versetzt. Wie falsch der Präsidentschaftskandidat der gemäßigt rechten „Republikaner“ seine Lage beurteilt und wie sehr er seine eigene Person überhöht, machte  er durch die Behauptung deutlich, dass nicht nur „seine Person, sondern die Demokratie von der Justiz herausgefordert“ werde.

„Wer unentwegt beteuert, den Weg seiner Kandidatur ‚bis zum Ende‘ zu gehen, würde durch einen Rückzug das Gegenteil von Festigkeit und Ausdauer signalisieren“, sagt Christoph Frei, Professor für Politische Ideengeschichte an der Universität St. Gallen – „oder schlimmer noch, was unter allen Umständen zu vermeiden ist: das Eingeständnis von Schuld.“

Davon fehlt in Fillons Beteuerungen und Einlassungen bei öffentlichen Auftritten jede Spur. Stattdessen: Ein kleinlautes „Jeder Mensch habe Fehler und er eben auch“ in der ersten TV-Debatte der fünf aussichtsreichsten Kandidaten. Statt Einsicht zu äußern, wittert er öffentlich „bürgerkriegsähnliche Zustände“, die ihm den Wahlkampf erschwerten, und verkündet trotzig: „Ich habe keine Steuergelder veruntreut.“ Im Februar hatte er sogar gesagt: „Ich bin der ehrlichste und beste Kandidat für Frankreich.“ Solche Aussagen demonstrieren Arroganz.

Frankreichs Präsident - das mächtigste Staatsoberhaupt

Die Affären um die Scheinbeschäftigung seiner Frau, Zahlungen an seine Kinder und von einem Unternehmer geschenkte Maßanzüge belasten Fillons Wahlkampf schwer: In den Umfragen ist er hinter Marine Le Pen und Emmanuel Macron zurückgefallen und liegt mittlerweile nur noch knapp vor dem Linken Jean-Luc Mélenchon auf Platz drei. Dabei war er vor Bekanntwerden der Vorwürfe als Favorit in den Wahlkampf gestartet.

Frankreichs Stärken

Er galt als derjenige, der Le Pen aufhalten und damit die Europäische Union bewahren werde. Fillon, der bislang sieben Ministerämter innehatte, galt bis dahin als Inbegriff des ehrlichen Konservativen.

Fillon versucht nun eine Strategie der Gegenoffensive: „Ich werde viel weiter gehen. Ich werde den Präsidenten der Republik beschuldigen“, sagte er in einem Interview.  Fillon wirft Noch-Präsident Hollande vor, ihn und andere Personen systematisch überwacht und Informationen gezielt an die Presse weitergeleitet zu haben.

Es ist nicht das Ende der Republikaner

„Seine eigenen Affären sollen sich in einem größeren Staatsskandal auflösen“, sagt Frei. „Diese Strategie der Skandalisierung kann er nur weiter verfolgen, solange er im Rennen und damit im Scheinwerferlicht bleibt.“

Fillon kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es vor allem er selbst war, der sich und seine Unterstützer mit seinem Starrsinn in eine Krise gestürzt hat.

Möglichkeiten zurückzutreten, gab es schließlich viele. Aber diese Momente hat er nicht genutzt. Vielmehr, so scheint es, haben die immer neuen Vorwürfe ihn sogar ermuntert, jetzt erst recht weiterzumachen.

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von Nora Jakob

Der gemäßigten Rechte, die Fillon vor dem Bekanntwerden der Vorwürfe in Vorwahlen zu ihrem Kandidaten kürte, würde im Falle seines Rücktritts jede Alternative fehlen, abgesehen davon, dass es wohl ohnehin viel zu spät wäre, mit einem anderen Kandidaten in den Endspurt des Wahlkampfes zu gehen. Nicolas Sarkozy steckt selbst in mehreren Verfahren unter anderem wegen illegaler Wahlkampffinanzierung. Alain Juppé unterlag in den Vorwahlen Fillon sehr deutlich mit nur 30 Prozent der Stimmen. Andere Kandidaten hatten kaum ernsthafte Chancen.

Hinzukommt, dass die Republikaner durch die Urwahl Geld eingenommen haben: Denn an dieser durfte jeder französische Wahlberechtigte teilnehmen, wenn er sich als Anhänger er bürgerlichen Rechten registrieren ließ und zwei Euro zahlte. Und die Wahlbeteiligung war mit mehr als 4,3 Millionen Menschen sehr hoch.

Wenn Fillon am 23. April antritt, und verliert, dann wäre es das erste Mal  seit der Gründung der fünften Republik durch de Gaulle 1958, dass kein Kandidat der gemäßigten Rechten, also der Vorgängerparteien des „Republikaner“, in die Stichwahl der zweiten Runde kommt. Ohne Zweifel eine große Blamage. Aber wäre es der Untergang einer großen Partei? Nein.

Der Revolutionär aus der Investmentbank
Emmanuel Macron zögerte lange, ehe er seine Präsidentschaftskandidatur verkündete. Quelle: REUTERS
Der amtierende französische Präsident Emmanuel Macron war zuvor bereits Wirtschaftsminister und Investmentbanker bei Rothschild & Cie. Quelle: AP
Wie andere Kandidaten für das höchste Staatsamt kritisierte auch Emmanuel Macron im Wahlkampf lautstark die politischen Eliten Quelle: dpa
Der ehemalige sozialistische Staatspräsident François Hollande und Emmanuel Macron vor dem Elysee-Palast. Quelle: REUTERS
Im Kabinett galt Emmanuel Macron als einer der beliebtesten Politiker, trat im August 2016 allerdings als Minister zurück. Quelle: REUTERS
Seit 2007 ist Emmanuel Macron mit seiner Frau Brigitte verheiratet. Quelle: REUTERS
Am 14. Mai 2017 wurde Emmanuel Macron ins Amt eingeführt. Quelle: REUTERS

Wer sind heute die Republikaner? „Wir reden von einer Hülse, die sich in den nächsten Jahren neu mit Inhalt füllen wird – und besagter Inhalt hängt von jeweils führenden Persönlichkeiten ab“, sagt Frei. Der Grad der Personalisierung ist in der französischen Politik deutlich höher als in Deutschland. Es gilt heute noch, was der Historiker Charles Seignobos nach den Parlamentswahlen von 1928 schrieb: „Jeder Kandidat präsentiert sich in seinem Namen, wählt sein Etikett, redigiert sein Programm.“

Und so handelt auch Fillon - ohne Rücksicht auf die Wähler. Denn die haben eine ganz klare Meinung: Mittlerweile sind – Umfragen zufolge – 75 Prozent der Wähler für einen Rückzug von Fillon. 90 Prozent der Franzosen gilt er als nicht aufrichtig.



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