Frankreich Deutschland wird Macron wenig abschlagen können

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Wackelige Mehrheit

Doch Berater Pisani-Ferry weiß, wie schwer die Aufgabe wird. Vor rund drei Jahren hat er gemeinsam mit dem Berliner Politikberater Henrik Enderlein ein deutsch-französisches Reformpapier für Sigmar Gabriel und Macron erstellt, damals beide noch Wirtschaftsminister. Das rüttelte unter anderem an der 35 Stunden-Woche in Frankreich, es sorgte für Empörung. Prompt distanzierte sich Macron von der Idee.

Auch nun darf Macron den Reformeifer zunächst öffentlich nicht übertreiben, schließlich ist seine Mehrheit denkbar wackelig. Neben den Anhängern von Le Pen, die auf knapp 22 Prozent der Stimmen kam, votierten in der ersten Wahlrunde noch einmal so viele Franzosen für Kandidaten, die sich gegen das „System“ aussprachen. Daher ist unklar, wie viele Anhänger anderer politischer Lager sich hinter dem Kandidaten versammeln, der gegen den Front National steht. Macrons Sieg ist keineswegs garantiert, auch wenn ihn die Umfragen derzeit deutlich vorne sehen.

Und selbst wenn er in den Präsidentenpalast einziehen sollte – dass seine Bewegung sich eine Mehrheit bei der Parlamentswahl im Juni sichert, gilt als unwahrscheinlich. Gut möglich, dass Macron sich mit einem Premierminister aus einer anderen Partei arrangieren müsste.

Der neue Präsident bräuchte dann, daran lässt Pisani-Ferry bei aller Selbstkritik keinen Zweifel, auch Hilfe aus Deutschland. Kurz vor dem ersten Wahlgang hatte Macron den „unerträglichen Handelsbilanzüberschuss Deutschlands“ öffentlich kritisiert und einen Ausgleich gefordert: „Deutschland hat ein Investitionsproblem und ein Problem niedriger Löhne“, sagt Berater Pisani-Ferry. Die Lösung könnte seiner Meinung nach ein EU-Investitionsbudget sein.

Auch zu den Defizitregeln in der Euro-Zone teilen Macron und Pisani-Ferry zwar nicht die verbreitete Argumentation, Frankreichs Probleme würden wie von Zauberhand verschwinden, müsste man sich nur nicht an die vermaledeiten Regeln halten. Doch sie sind auch überzeugt, das Pochen der EU auf strikte Haushaltsdisziplin sei zwischen 2011 und 2014 „zu früh, zu exzessiv“ gewesen.

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Derlei Töne hört man in Berlin nicht so gerne. Dort ist man zugleich eher skeptisch ob der Mahnung von Macron und Pisani-Ferry, ohne Reformen – einschließlich möglicher Vertragsänderungen – werde die EU binnen zehn Jahren implodieren. Oder über deren Werben für eine komplett umgesetzte Bankenunion, unter der zwar nicht Schulden vergemeinschaftet werden sollen, aber doch Risiken.

Doch Pisani-Ferry mag feste Überzeugungen haben, er trägt sie denkbar weich vor. Kanzlerin Angela Merkel oder Finanzminister Wolfgang Schäuble kritisiert der Politikberater nie direkt, lieber spricht er allgemein von „großen gemeinschaftlichen Fehlern“. Es wird schwer werden, dem höflichen Pisani-Ferry – und dem jungen Hoffnungsträger Macron – Entgegenkommen abzuschlagen.

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