Frankreich-Wahl Ein Ex-Trotzkist mischt den Wahlkampf auf

Der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande steckt in den Umfragen fest. Dagegen gewinnt sein Widersacher Jean-Luc Mélenchon von der extremen Linken an Boden. Er will alle Einkünfte über 360.000 Euro dem Staat zuführen, kollektiv verwaltete Unternehmen fördern und den Freihandel in Europa beenden. Steht Frankreichs Wahlkampf vor einem Linksruck?

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Jean-Luc Mélenchon Quelle: dapd

Die Umfrageergebnisse kamen am frühen Donnerstag Morgen im Wahlkampf-Hauptquartier der Sozialistischen Partei im 7. Pariser Arrondissement an. Und sie sorgten für Unruhe in den Büros der rund 80 Mitarbeiter, die nur einige hundert Meter vom Eiffelturm entfernt liegen. Denn das erste Mal seit Beginn des Wahlkampfes hat der amtierende Staatspräsident Nicolas Sarkozy seinen Herausforderer François Hollande von den Sozialisten in der Mehrzahl der Wählerbefragungen überholt.

Laut dem Meinungsforschungsinstitut CSA erhält der Amtsinhaber für den ersten Wahlgang am 22. April 30 Prozent der Stimmen. Hollande kommt auf 26 Prozent und stagniert damit seit Wochen. Damit führt Sarkozy jetzt in fünf von acht Erhebungen der unterschiedlichen Institute. Aufgeholt hat auch, und das war die zweite beunruhigende Nachricht für Hollande, der Kandidat der extremen Linken Jean-Luc Mélenchon.

Starke Gewinne im linken Lager

Der Kandidat der „Front de Gauche“, dem als Linksfront bezeichneten Bündnis von Kommunisten und Linkspartei, startete im September mit 5 Prozent der Stimmen. Mittlerweile liegt er in den Umfragen bei knapp 15 Prozent. Über die Auswirkungen dieses Höhenflugs sind sich die politischen Beobachter einig: Die Stimmengewinne des linken Lagers, die Hollande gern hätte, um Sarkozy zu überholen, landen bei Mélenchon. So mischt der ehemalige Trotzkist einen Wahlkampf noch einmal ordentlich auf, den viele schon für entschieden hielten.

Zwar ist es unwahrscheinlich, dass es Mélenchon in die Stichwahl am 6. Mai schafft. Sein Ziel ist es vielmehr, Hollande nach links zu ziehen und Themen zu setzen. Und das könnte ihm umso besser gelingen, je mehr seine Zustimmungswerte wachsen. Schon jetzt konstatiert Eric Coquerel, Vorsitzender der Linkspartei, eine „Mélenchonisierung“ bei Hollande.

Auftakt eines wahrhaften Mélenchon-Hypes in Medien und Politik-Blogs war am Sonntag vor zwei Wochen die bisher größte Wahlkampfveranstaltung der Linksfront in Paris. Dort sprach Mélenchon – in der Art eines Volkstribuns im blauen Mantel, rotem Schal und einer Nelke in der selben Farbe im Revers – zu mehr als 100.000 Menschen auf dem Platz der Bastille. Gerechnet hatten die Veranstalter mit einem Drittel.

Begrüßt wurde der Redner mit allerlei Revolutionsfolklore: darunter bengalische Feuer, „Widerstand, Widerstand“ Sprechchöre und phrygische Mützen, wie sie 1789 und in den Jahren darauf bei den Jakobinern Mode waren.

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