Frankreichs Finanzminister Le Maire Ökonomen warnen vor Eurozonen-Budget

Bruno Le Maire, französischer Finanzminister, hat ein Eurozonen-Budget vorgeschlagen. Einige Ökonomen sehen das skeptisch. Quelle: imago images

Die französische Regierung will Deutschlands Zustimmung zur Einführung eines zusätzlichen Budgets für die Eurozone. Deutsche Ökonomen warnen vor den Nebenwirkungen und sehen das Problem ganz woanders.

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Der französische Finanzminister Bruno Le Maire hat im Interview mit dem Handelsblatt den Druck auf Deutschland erhöht. Um aus der EU ein „Imperium“ wie die USA oder China zu machen, müsse die Union an Souveränitätsrechten zulegen. Nicht zuletzt wiederholte Le Maire die Forderung seines Staatspräsidenten Emmanuel Macron nach einem eigenen Budget für die Eurozone, um „von außen kommende Schocks , die sich unterschiedlich auf die Länder auswirken, abzufedern“, aber vor allem solle der neue Geldtopf „die wirtschaftliche Annäherung beschleunigen, die im Augenblick zu wenig stattfindet“. Ohne diese größere Konvergenz könne die Währungsunion langfristig nicht bestehen.

Der französischen Forderung liegt die implizite Annahme zugrunde, dass staatliche, ausgleichende Zahlungen Schieflagen der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit zwischen Regionen oder Staaten ausgleichen können. Doch die historischen Erfahrungen, zum Beispiel Italiens mit seiner rund 150-jährigen Geschichte der Transfers aus dem ökonomisch dynamischen Norden in den dauerstagnierenden Süden, lassen an dieser Annahme durchaus Zweifel zu. Auch die vielen hundert Milliarden Transfers im Rahmen des „Aufbau Ost“ haben das innerdeutsche West-Ost-Gefälle nicht beseitigen können.

Dringend notwendig oder Dynamikbremse

So sind auch deutsche Ökonomen sich keineswegs einig über die Notwendigkeit eines Eurozonen-Budgets nach französischen Vorstellungen. Einerseits sind da die Unterstützer: Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hat mehrfach eindeutig Stellung für das Eurozonen-Budget bezogen: „Ich halte es sogar für dringend notwendig“, sagte er gegenüber der Saarbrücker Zeitung. „Wenn wir aus der europäischen Krise etwas gelernt haben, dann doch dies, dass man bei der Krisenvorbeugung völlig blank dastand. Die Idee eines Budgets für die Eurozone ist, Ländern, die in Schwierigkeiten kommen, schnell und unbürokratisch zu helfen.“ Ähnlich hatte sich auch schon sein Kollege Clemens Fuest vom ifo-Institut geäußert. Beide gehörten zu der Gruppe von 14 deutschen und französischen Ökonomen, die im Januar 2018 einen gemeinsamen Vorschlag zur Reform des Euroraums vorgelegt hatten, der den Vorstellungen der französischen Regierung nicht unähnlich ist.

Doch einige deutsche Ökonomen bezweifeln grundsätzlich, dass die Probleme der Eurozone durch ein gemeinsames neues Budget oder andere Formen zusätzlicher Transferzahlungen zu beseitigen sind. Für Gunther Schnabl von der Universität Leipzig wäre die Einführung eines dauerhaften Transfermechanismus, der dauerhaft Kaufkraft von Norden nach Süden verlagert, keine Lösung für das Problem der unterschiedlichen Konjunkturentwicklung in Nord- und Südeuropa: „Das lähmt sowohl das Wachstum im Süden als auch im Norden, weil die Anreize verloren gehen. Subventionen regen wirtschaftliche Dynamik nie an. Damit löst man die strukturellen Probleme im Süden nicht. Die Mittel werden im Zweifel dahin verteilt, wo die besten Beziehungen zur Regierung vorhanden sind.“

Schnabel würde daher der Bundesregierung unbedingt raten „auf die Bremse zu treten. Denn wenn wir das nicht tun, wird im Süden die Meinung bestätigt, dass all ihre wirtschaftlichen Probleme auf Kosten Deutschlands gelöst werden können. Das können wir uns jetzt schon nur noch leisten, weil die EZB die Notenpresse betreibt.“ Und genau dies ziehe immense Verwerfungen nach sich, zum Beispiel explodierende Immobilienpreise und den Abfluss von Kapital in den amerikanischen Finanzmarkt. „So bauen sich immer größere potenzielle Krisen auf, die durch kleine europäische Geldtöpfe nicht aufgehalten werden können. “

Ein monetärer Konsens fehlt

Auch Stefan Kooths vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) kritisiert die französischen Forderungen grundsätzlich: „Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum wir neben den schon bestehenden Kohäsionsfonds der EU noch ein zusätzliches Budget für die Eurozone bräuchten. Man fragt sich, was überhaupt die spezifischen Gemeinschaftsgüter der Währungsunion wären, die daraus finanziert werden könnten.“

Kooths bezweifelt, dass ein einheitlicher Währungsraum die von Le Maire angestrebte Angleichung der Pro-Kopf-Einkommen in allen Regionen überhaupt brauche. Wirklich notwendig sei etwas anderes, nämlich „eine Konvergenz des geldpolitischen Verständnisses. Wir haben keinen wirklichen monetären Konsens in Europa. Das ist das Problem. Solange sich dieses Einvernehmen nicht entwickelt, wird die Europäische Währungsunion ein zerbrechliches Gebilde bleiben. Italien ist derzeit ein besonders krasses Beispiel eines Landes, das die Regeln ganz anders zuschneiden will, als es bisher in der Währungsunion verabredet war.“

Kooths sieht zwei sehr unterschiedliche Denkrichtungen der europäischen Integration: „Die einen wollen, wie Bruno Le Maire einfach nationale Institutionen auf der europäischen Ebene nachbauen. Andere setzen wie ich darauf, dass sich die Integration evolutionär entwickelt. Ich sehe es als Vorteil, dass wir in der EU eine Vielfalt an nationalen Institutionen haben, so dass wir voneinander lernen können, was gut und was weniger gut funktioniert. Wenn wir die abschaffen, würde Europa institutionell verarmen und zurückfallen.“

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