Freihandelsabkommen Russland warnt Ukraine vor Freihandel mit EU

Die Ukraine könnte im November ein Freihandelsabkommen mit der EU unterzeichnen. Auch deutsche Unternehmen sind daran interessiert. Putin möchte dies allerdings mit aller Macht verhindern und feuert einen Warnschuss.

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Ein Handelsabkommen mit der Ukraine könnte bereits Ende November unterzeichnet werden. Russland, auf das ein Viertel der ukrainischen Exporte entfällt, sitzt allerdings an einem sehr langen Hebel und möchte dies verhindern. Quelle: dpa

Es herrscht Wut an der russischen Grenze. Vor dem Grenzübergängen auf ukrainischer Seite stauen sich hunderte LKW. Die Fahrer harren zum teil nächtelang aus um ihre Ladung nach Russland zu bringen und geben verärgerte Kommentare für ukrainische Fernsehteams. "Die Ukraine wird hier eindeutig unterdrückt und das völlig grundlos", sagt einer. Andere Fahrer, kehren lieber gleich um, um es in wenigen Tagen noch ein Mal zu versuchen. Auch auf den Gleisen stauten sich zwischenzeitlich etwa 900 Güterwaggons. Seit knapp einer Woche gibt es beinahe kein Durchkommen für ukrainische Güter nach Russland.

Exporte in die Euro-Zone
Öl Quelle: dpa
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Louis Gallois und Christine Lagarde betrachten das Modell eines Airbus A350 Quelle: dpa
Obsttheke Quelle: dpa
Brot und Brötchen Quelle: dpa

Offiziell heißt es, der russische Zoll habe ukrainische Exporteure wegen Qualitätsmängeln auf eine Risikoliste gesetzt. Deshalb werde jede Ladung nun akribisch geprüft. Für Beobachter war jedoch schnell klar, dass die Verzögerungen beim Import Folge einer konzertierten Schikane von russischer Seite sind. So meldete sich vor wenigen Tagen Russlands Verbraucherschutzbehörde zu Wort und erteilte dem größten Süßigkeitenhersteller der Ukraine ein Einfuhrverbot, weil seine Produkte krebserregende Stoffe enthielten. Zuvor hatte Russland bereits die Quoten für den zollfreien Import ukrainischer Pipeline-Röhren, einem wichtigen Exportgut des osteuropäischen Landes, gestrichen. Ein halboffizielle Begründung ließ nicht lange auf sich warten. "Die verschärfte Kontrollen am russischen Zoll sind eine prophylaktische Maßnahme und ein Test für den Fall, dass die Ukraine ein Freihandelsabkommen mit der EU unterzeichnet", erklärte Sergej Glasjew, Wirtschaftsberater von Russlands Präsident Wladimir Putin.

Zahlen und Fakten zu Russland

Deutsche Unternehmen könnten von Freihandel profitieren

Das Handelsabkommen mit der Ukraine könnte bereits Ende November bei einem Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft im litauischen Vilnius unterzeichnet werden. Die Bundesregierung und auch die deutsche Wirtschaft ist durchaus daran interessiert, dass der Vertrag zustande kommt. Bei einem Treffen des Wirtschaftsministers Philipp Rösler mit Vize-Premierminister und dem Finanzminister der Ukraine Anfang August, begrüßte Rösler ein mögliches Abkommen in Vilnius. Auch der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft,  setze die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens ganz oben auf seiner Prioritätenliste für die ehemalige Sowjetrepublik.

Russland sitzt an einem sehr langen Hebel

Wie sich die Welt abschottet
US-Präsident Barack Obama Quelle: dpa
Ein Straßenhändler in Indien Quelle: REUTERS
Ein Bauer füttert seine Kühe Quelle: dpa/dpaweb
Abbau von Seltenen Erden in einer Mine in Ganxian Quelle: dpa
Die Christusstatue auf dem Corcovado Quelle: dapd
Mitarbeiter der Volkswagen AG im VW-Werk in Kaluga Quelle: AP
Arbeiter entladen importierten Reis von einem Schiff Quelle: REUTERS

In der Ukraine sind momentan ungefähr 400 deutsche Unternehmen aktiv. Für die meisten ist das nach Russland größte Flächenland Europas mit seinen 45 Millionen Einwohnern vor allem als Absatzmarkt interessant. Wegen Korruption und Rechtsunsicherheit schrecken viele davor zurück, in die Produktion in der Ukraine zu investieren. Dies könnte sich künftig ändern. So sollen nicht nur die gegenseitigen Zölle auf null gesetzt werden, sondern auch die nichttarifären Handelshemmnisse wie etwa die komplizierten Zertifizierungsverfahren für Handelsgüter in der Ukraine reduziert werden. "Es ist zu erwarten, dass vom DCFTA ein positiver Beitrag zur Verbesserung des problematischen Geschäftsklimas ausgeht", schreibt Ricardo Giucci, Wirtschaftsberater und Ukraine-Experte ein in einer Analyse. Dann könnte das Land mit seinen Durchschnittslöhnen von etwa 300 Euro und einer westliche Grenze, die weniger als 700 Kilometer von Deutschland entfernt ist, auch als Produktionsstandort interessant werden.

Moskau will Anbindung an die EU verhindern

Anders als deutsche Unternehmen und europäische Politiker sieht es offenbar Wladimir Putin. Der russische Präsident hat vor seiner dritten Amtszeit die Integration der ehemaligen Sowjetrepubliken als eines seiner wichtigsten Projekte ausgerufen. Das Ergebnis soll eine Eurasische Union mit einheitlichem Wirtschaftsraum und gemeinsamen Streitkräften sein, in der Russland die führende Rolle spielen wird. Doch das Vorhaben läuft holprig. An einer Zollunion beteiligen sich bislang nur Kasachstan und Weißrussland. "Moskau versteht es, dass die Union ohne die Ukraine unvollständig und schwach bleiben wird", meint Alexei Portanski, Professor für Weltwirtschaft an der Moskauer Higher School of Economics. Ein Abkommen der Ukraine und der EU würde Putins vorhaben einen schweren Rückschlag erteilen. Denn dies würde Kiews Beitritt zur Eurasischen Zollunion ausschließen.

Dort wurde im Mai eigens für die Ukraine ein Beobachter-Status geschaffen. Ende Juli warb Putin bei einem Staatsbesuch in Kiew noch ein Mal für die Zollunion. Während der Handel mit der Ukraine um 17 Prozent zurückgegangen sei, habe der Warenaustausch mit Weißrussland und Kasachstan zulegt, erklärte Putin. Der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch ließ sich davon offenbar nicht beeindrucken. Die Kiewer Presse bemerkte, dass das Treffen ungewöhnlich kühl verlaufen sei.

Russland, auf das ein Viertel der ukrainischen Exporte entfällt, sitzt allerdings an einem sehr langen Hebel. Die ukrainischen Wirtschaftsverbände verfielen nach den jüngsten Zollschikanen in Panik und warnten bereits vor Verlusten in Milliardenhöhe. Ein Effekt den die russische Seite wohl erreichen wollte und der als Warnschuss vorerst ausgereicht hat. Denn seit Mittwoch rollen die LKW und Züge wieder reibungsfrei über die Grenze. Doch während die Moskauer Wirtschaftspresse das Säbelrasseln kritisiert, schließlich treibe man so Kiew direkt in die Arme der EU, sieht sich der Kreml bestätigt. "Ein Freihandelsabkommen der Ukraine mit der EU wäre selbstmörderisch für das Land", erklärt Putin-Berater Glasjew.

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