Freytags-Frage

Betreibt die EZB Staatsfinanzierung ohne Mandat?

Die EZB will notfalls Staatsanleihen im großen Stil kaufen, um die Euro-Krise zu mildern. Das Bundesverfassungsgericht hat Zweifel, dass die Praxis rechtmäßig ist. Zu Recht.

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Nach einer längeren Pause meldet sich die strukturelle Krise der Eurozone auf verschiedene Weise wieder zurück in das öffentliche Bewusstsein. Schon in Davos hatte EZB-Präsident Mario Draghi darauf hingewiesen. Das erneute Gezerre um die Rolle der Troika in Griechenland in Verbindung mit den vollmundigen Absichtserklärungen des griechischen Ministerpräsidenten, kein Geld aus der Eurozone mehr brauchen zu müssen, und den Äußerungen des Bundesfinanzministers, ein Schuldenschnitt sei nicht nötig, verdeutlicht eindrucksvoll, dass in Griechenland noch lange nichts in Ordnung ist.

Hinzu kommt, dass auch die scheinbar stärkeren Länder nicht zukunftsfest zu sein scheinen. Die Bundesregierung selber geht von allen erfolgreichen Reformschritten der Vergangenheit auf Abstand und signalisiert so dem Rest der Eurozone, Reformen seien unnötig. Stattdessen vermittelt sie den Eindruck, nun sei die Zeit des Prassens angesagt. Damit kann man Herrn Samaras gegenüber nun wirklich nicht glaubwürdig auftreten.

Das ist ja auch nicht nötig. Dafür sorgt die EZB, die erstens angekündigt hat, im OMT-Programm unbegrenzt Staatsanleihen von Ländern unter dem Rettungsschirm zu kaufen (es aber noch nicht getan hat), und zweitens die Zinsen so niedrig hält, dass Reformen sich nun wirklich politisch nicht lohnen. Neue Schulden sind so billig wie nie, und Altschulden werden gemächlich „weginflationiert“. Da kann man in Deutschland doch mal eben 160 Mrd. Euro für zusätzliche Rentenansprüche verplanen und in Griechenland über das Ende der Kontrolle durch die Troika schwadroniert wird.

Nun ist die EZB wieder in den Fokus der Diskussion geraten, dieses Mal ohne eigenes Zutun. Rechtzeitig vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage, ob das OMT-Programm der EZB rechtmäßig sei oder nicht, haben zunächst drei Ökonomen eine Lanze für die EZB gebrochen. Dabei haben sie erneut vor der Deflation gewarnt. In der Tat kann Deflation überaus lähmend wirken, weshalb das Inflationsziel der EZB von knapp unter 2 Prozent pro Jahr auch nachvollziehbar und schlüssig ist. Drei Probleme tauchen dabei auf:

  • Erstens ist keineswegs sicher, dass Deflation überhaupt droht. Die im Süden nötigen Strukturanpassungen erfordern die reale Abwertung des „Süd-Euros“, denn auch innerhalb einer Währungsunion kann es regional differierende reale Wechselkurse geben, in Abhängigkeit der Preisentwicklung der nicht-handelbaren Güter nämlich. Dadurch dass im Süden keine nominale Abwertung möglich ist, bedarf es der Korrektur der Preise nicht-handelbarer Güter (Immobilien, Verwaltung, lokale Dienstleistungen etc.) – Preise müssen dort fallen. Das ist aber keine Deflation, das sind relative Preisveränderungen.
  • Zweitens hat sich in der Eurozone, aber noch stärker in Japan gezeigt, dass mit der Notenpresse das Problem fallender Preise und negativer Stimmung in der Wirtschaft nicht gelöst werden kann. Im Gegenteil, die nötigen Strukturanpassungen unterbleiben, und eine Wachstumsdynamik findet nicht statt. Nachfrage wird dann weiter fallen, auch bei uns. Ein Teufelskreis beginnt.
  • Drittens gibt es ein Mandat für die EZB, dieses sieht die gezielte Staatsfinanzierung nicht vor. Nun kann man sagen, dass besondere Situationen besondere Maßnahmen erfordern. Wenn man diesen Gedanken konsequent bis zum Ende durchdenkt, braucht man keine Rechtsordnung mehr. Das Recht des Stärkeren obsiegt, und wir verabschieden uns von der Demokratie (dazu passt, dass die drei Verfasser nicht müde werden zu betonen, dass die Debatte an sich schädlich ist!).
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