Es soll nicht verschwiegen werden, dass Freihandel auch Unternehmen bedroht. Diese verschwinden dann von den Märkten. Es kann eine Weile dauern, bis die betroffenen Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsplatz finden. Dieser Strukturwandel findet permanent statt. Wer sich dagegen wehrt, z.B. durch Protektionsmaßnahmen oder Autarkie, verschwendet wertvolle Mittel für den Erhalt von unproduktiven Arbeitsplätzen, die langfristig ohnehin nicht gehalten werden können, und bleibt hinter der technischen Entwicklung zurück. Wohin dies in letzter Konsequenz führt, hat der Zusammenbruch des Comecon vor 25 Jahren eindrucksvoll bewiesen.
Es ist allemal besser, sich diesem Strukturwandel aktiv auszusetzen und ihm mit geeigneter Bildungs- und Sozialpolitik zu begegnen als sich abzuschotten.
Was ein Freihandelsabkommen zwischen EU und USA bringt
Die Zölle zwischen den USA und den EU sind bereits niedrig. Sie liegen im Schnitt zwischen fünf und sieben Prozent, sagt der deutsche Außenhandelsverband BGA. Da jedoch jährlich Waren im Wert von mehr als einer halben Billion Euro über den Atlantik hin- und herbewegt werden, kann die Wirtschaft Milliarden sparen. Europäische Chemieunternehmen haben 2010 für Exporte in die Vereinigten Staaten fast 700 Millionen Euro in die US-Staatskasse gezahlt. Umgekehrt führten die USA gut eine Milliarde Euro nach Brüssel ab. Wirtschaftsverbände erwarten durch den Fall der Zollschranken weniger Bürokratie für mittelständische Unternehmen und mehr Geld für Investitionen, etwa in Forschung und Entwicklung.
Die deutsche Wirtschaft verspricht sich Impulse in Milliardenhöhe. "Das Freihandelsabkommen könnte unsere Exporte in die Vereinigten Staaten um jährlich drei bis fünf Milliarden Euro erhöhen", sagt der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. Die Amerikanische Handelskammer in Deutschland (AmCham) rechnet mit einem zusätzlichen Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in Höhe von 1,5 Prozent. Viele Unternehmen hoffen zudem darauf, einen besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen in den USA zu bekommen.
Fast unlösbar scheinen die unterschiedlichen Auffassungen zwischen den USA und der EU in Fragen der Landwirtschaft. "Für die Amerikaner sind Hormonfleisch und Genmais kein Problem, für Europäer ist das dagegen ein 'No-Go'", sagt der Geschäftsführer des Außenhandelsverbandes BGA, Jens Nagel. "Da kann man sich auch nicht in der Mitte treffen." Die Handelskammer AmCham empfiehlt daher, dass Thema außen vor zu lassen. "Das Thema Agrar würde die Gespräche nur belasten", sagt AmCham-Ehren-Präsident Fred Irwin. "Deshalb wäre es gut, das beiseite zu schieben."
Bei der Angleichung technischer Standards. "Das fängt bei der Länge der Stoßstangen an und hört beim Krümmungswinkel des Rückspiegels auf", sagt BGA-Experte Nagel. "Hier gibt es seit Jahrzehnten unterschiedliche Standards, die sich nicht in wenigen Jahren angleichen lassen." Die Chemieindustrie fordert, vor allem Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitsschutz stärker aufeinander abzustimmen.
Die deutschen Exporteure warnen davor, aus dem Freihandelsabkommen eine Art Wirtschafts-Nato zulasten anderer Handelspartner zu schmieden. "Uns stört das Gerede um eine Wirtschafts-Nato", sagte der Geschäftsführer des Außenhandelsverbandes BGA, Jens Nagel. "Ein Freihandelsabkommen ist nicht dazu da, sich gegen Dritte abzuschotten nach dem Motto 'Jetzt verbünden wir uns gegen die bösen Chinesen'." In der Politik wird das zum Teil genau andersherum gesehen. "Es bleibt nur noch wenig Zeit, gemeinsam mit den USA Standards zu prägen, bevor Wachstumsmärkte wie China und Indien den Takt angeben", sagte der Geschäftsführer des CDU-Wirtschaftsrats, Thomas Raabe.
Sie können Produkte billiger einkaufen, verspricht beispielsweise der Verband der Automobilindustrie (VDA). "Das würde auch die Kosten eines Autos für den Verbraucher senken", sagt VDA-Präsident Matthias Wissmann. Auch andere Branchen können mit einer Kostensenkung rechnen. Ob sie den Vorteil an ihre Kunden weitergeben oder den eigenen Gewinn damit steigern, bleibt ihnen überlassen. Produkte können außerdem schneller erhältlich sein, wenn sie einheitlich zugelassen werden - etwa wenn die US-Aufsicht FDA ein neues Medikament freigibt, das damit automatischen die Zulassung in den EU erhält. (Quelle: Reuters)
Soweit wir der Comecon vor 25 Jahren sind wir natürlich nicht, selbst wenn TTIP nicht zustande käme. Dennoch kann es nicht im Interesse der Mehrheit der Bürger hierzulande sein, offene Märkte zu verhindern. Die Proteste gegen TTIP mögen ja von guten Absichten getrieben sein. Letztlich helfen sie nur den Sektoren, die von verstärkter internationaler Konkurrenz bedroht werden. Diese kapern in gewisser Weise die Zivilgesellschaft, die sich gegen TTIP wehrt.
Dabei ist TTIP nur eine Facette. Die Doha-Runde hängt immer noch in der Luft, trotz des Bali-Abkommen aus dem vergangenen Dezember. Eine Exportnation wie Deutschland muss sich stärker für die globale Öffnung der Märkte engagieren, will sie nicht langfristig Einkommenspotentiale verlieren. Dies gilt umso mehr für eine alternde Exportnation, die einen Teil ihrer Ersparnisse im Ausland anlegen muss. Je freier der Welthandel ist und je mehr Länder an der internationalen Arbeitsteilung teilnehmen, desto bessere Investitionsmöglichkeiten bieten sich den Deutschen.
Gegen Freihandel zu votieren, kann nicht in unserem Interesse liegen!
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