




Ich besuchte in der vergangenen Woche zum ersten Mal seit April 2009 Griechenland. Dieser Besuch bot einen willkommenen Anlass, einmal darüber nachdenken, wie es um das Land steht. Hat es sich verändert? Ist die Krise allenthalben spürbar?
Zunächst zum Erscheinungsbild des Landes: Äußerlich hat sich zumindest um Athen herum im Vergleich zu damals wenig verändert, auch die Provinz scheint sich nicht wesentlich gewandelt zu haben. Es gibt nach wie vor breite, von der EU-Strukturpolitik finanzierte Autobahnen, die das Land nahezu schnurgerade durchschneiden und nur sehr wenig frequentiert, man könnte auch sagen: leer sind.
Allerdings wirken in den Dörfern der Provinz (in diesem Fall die Peleponnes) viele Häuser verlassen oder unfertig. Die Bauindustrie leidet immer noch kräftig unter der Krise, was ja auch nicht verwundern kann. Allerdings lässt sich nicht bestimmen, ob diese Leere in manchen Dörfern ein Resultat vergangener Landflucht oder der Krise ist, vermutlich eher Ersteres.
Der Tourismus boomt
Hat sich nun das Verhalten geändert? Gibt es mehr Steuerehrlichkeit? Werden Regeln nun eingehalten? Anekdotische Evidenz (meine eigene Erfahrung) legt nahe, dass nicht allzu viel passiert ist. Die Abrechnung der Reisekosten fand in bar und mit Standard-Quittungsblöcken statt, obwohl der Veranstalter öffentliches Geld verausgabte. Es war kein großer Unterschied zu früher sichtbar; vielleicht ist die Quittung neu. Geschwindigkeitsbegrenzungen, Anschnallpflichten etc. scheinen im Straßenverkehr nach wie vor niemanden zu interessieren.
Griechenlands Schwächen
Griechenlands Ruf hat in der Euro-Krise arg gelitten. Nur zwei der 60 getesteten Staaten haben ein schlechteres Image als der Pleitestaat. Die Folge: Investoren meiden das Land, die Kreditwürdigkeit ist mies.
Nur 5,7 Prozent der gefragten Experten bescheinigten Griechenland, eine kompetente Regierung zu haben. In der Tat hat es Athen nicht geschafft, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen (Rang 60), für Wachstum zu sorgen (Rang 60) und die öffentlichen Finanzen auf Vordermann zu bringen.
Auch bei der Bildung und Weiterbildung der Bürger hat Griechenland großen Nachholbedarf. Fortbildung von Angestellten gibt es quasi nicht (Platz 58), auch die Qualität der Universitäten ist schlecht (Rang 51). Demzufolge gibt es auch wenige Forscher und Wissenschaftler (Rang 49). Besser schneidet der Krisenstaat bei der Frühförderung ab: Es gibt eine Vielzahl von Lehrern, die Klassen sind sehr klein (Rang 2).
Ach, und die Menschen so gastfreundlich, uns zugewandt und angenehm wie immer. Wenn sie sich Sorgen machen, zeigen sie es den Gästen nicht. Und der Tourismus boomt, was sicherlich mit der großartigen Gastfreundschaft zusammenhängt. Auch hier muss bedacht werden, dass ich nur die Provinz besucht habe, also noch viel weniger beurteilen kann, wie die Städter empfinden.
Es könnte natürlich sein, dass der Aufschwung des Landes seit dem Euro-Beitritt und die krisenhafte Zuspitzung nach Herbst 2009 an der griechischen Provinz und den Inseln weitgehend vorbeigegangen sind und dass vor allem die Großstädte Athen und Thessalonikis betroffen sind. Dafür spricht auch vieles.
Insgesamt gibt es also nicht allzu viel Neues auf der Mikroebene zu sehen; was sich im Verborgenen abspielt, kann natürlich nicht beobachtet werden.