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Freytags-Frage

Hat sich Griechenland verändert?

Ein Besuch im Krisenland zeigt: Die Menschen sind gastfreundlich wie eh und je und die Autobahnen dank der EU-Gelder in bestem Zustand. Doch ein Weg aus der Krise ist nicht sichtbar.

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Deutsche glauben nicht ans Ende der Eurokrise
Vier von fünf Bundesbürgern (81 Prozent) sind davon überzeugt, dass die Eurokrise noch nicht ausgestanden ist. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Insa im Auftrag der „Bild“-Zeitung. Dagegen glauben nur sieben Prozent der Befragten, die Krise sei beendet. Sorgenvoll verfolgen viele Bundesbürger die Entwicklung in Griechenland. Nur 34 Prozent sehen das Land auf dem richtigen Weg. Hingegen sind 39 Prozent davon überzeugt, dass Griechenland sich nicht ernsthaft um Reformen bemüht, die das Land wieder zukunftsfähig machen. „Für die überwältigende Mehrheit der Deutschen ist die Eurokrise noch nicht vorbei. Diese Befürchtung wird auch Einfluss auf die Wahlen zum Europäischen Parlament haben“, sagte INSA-Chef Hermann Binkert der Zeitung. Quelle: dpa
Der Chef des Euro-Rettungsfonds ESM hat Griechenland davor gewarnt, bei einer Rückkehr an den Finanzmarkt zu viel für frisches Kapital zu zahlen. Das hoch verschuldete Land musste als erstes unter den Rettungsschirm der Euro-Länder schlüpfen und entging nur so einem Staatsbankrott. ESM-Chef Klaus Regling sagte der Wochenzeitung "To Vima", es sei natürlich, dass Griechenland nunmehr die Märkte testen wolle. Es sollte den Investoren aber keine zu hohe Rendite zahlen, um seine Schuldenlast nicht weiter zu erhöhen. Die griechische Regierung müsse sich überlegen, welchen Preis sie bereit sei zu zahlen, sagte Regling dem Blatt. Quelle: AP
Italiens neue Regierung will sich für eine Abschwächung der EU-Haushaltsziele einsetzen. Das machten Ministerpräsident Matteo Renzi und Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan bei der Vorlage ihrer Sparpläne deutlich. Beide kündigten an, Italien werde seine im Juli beginnende EU-Präsidentschaft dazu nutzen, die Vorgaben auf den Prüfstand zu stellen. "Wir wollen mehr denn je die Richtung Europas ändern", sagte Renzi. Italien stärke aber seine Position, wenn es seine Finanzen momentan im Zaum halte. Die Äußerungen legen nahe, dass Frankreich in den Bemühungen, mehr Zeit für die Erreichung seiner Haushaltsziele zu erhalten, mit Italiens Unterstützung rechnen kann. Renzi legte Vorschläge für die Finanzierung eines 6,7 Milliarden Euro schweren Steuersenkungsprogramms vor. Ein Großteil solle durch Ausgabenkürzungen im Umfang von 4,5 Milliarden Euro erwirtschaftet werden, sagte er vor Journalisten. 2,2 Milliarden Euro würden durch höhere Mehrwertsteuereinnahmen und Bankensteuern gedeckt. Quelle: REUTERS
Investors George Soros und Ex-Bundesbank-Chefvolkswirt Otmar Issing diskutierten an der Frankfurter Universität über die Rolle Deutschlands in der Euro-Krise. Vor der Bundestagswahl hatte Soros betont: Deutschland muss seine Verantwortung für die Eurozone akzeptieren oder aus dem Euro austreten. Die erste Variante bedeutet nach Soros' Lesart: Deutschland soll mehr Geld auf den Tisch legen. Inzwischen habe sich die Wahl jedoch erübrigt. „Jetzt ist die einzige Alternative für Deutschland seine dominante Position zu akzeptieren.“ Es müsse als „wohlwollender Hegemon nach Wegen suchen, die Schuldnerländer aus der Schusslinie zu bringen", fordert er. Quelle: dpa
"Keine Nation hat zwischen 2009 und 2013 weniger auf Austerität gesetzt als Deutschland", behauptet Paul Krugman und verweist auf eine Grafik. Das Problem an der Behauptung: Deutschland hat schon Anfang des Jahrtausends mit der Agenda 2010 schmerzhafte Reformen umgesetzt. Dadurch hatte Berlin einen zeitlichen Vorteil und brauchte sich in den Krisenjahren nicht verbiegen. Quelle: REUTERS
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, Michael Hüther, sowie der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher und der Leiter der europäischen wirtschaftswissenschaftlichen Denkfabrik Bruegel, Guntram B. Wolff, haben sich in der "F.A.Z." hinter das Anleihe-Kaufprogramm und die Niedrigzinspolitik der EZB gestellt. Die Debatte um die EZB-Politik werde in Deutschland „zugespitzt und mit scharfem Ton geführt“, bemängelten die drei Wissenschaftler. Dies sei schädlich, "denn einerseits scheint es so, dass die Kritik vielfach von dem Erfahrungsgrund der Bundesbank ausgeht und die Bedingungen der Geldpolitik in einer Währungsunion verkennt, und andererseits ist die europäische Krise noch nicht überwunden.“ Die Klagen der Deutschen über zu niedrige Zinsen watschten sie ab: "Es kann nicht die Aufgabe der EZB sein, die Geldpolitik auf ein einziges Land auszurichten, sondern Geldpolitik muss für die Eurozone als Ganzes umgesetzt werden." Quelle: dapd
"Der EZB-Rat sollte sich zu umfangreicheren Wertpapierkäufen durchringen", sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger tags zuvor in einem Interview. Der Ökonom, der die Bundesregierung berät, ist sich sicher: "Damit kann man dafür sorgen, dass es erst gar nicht zu einem Abrutschen des Euro-Raums in die Deflation kommt." Für Bofinger haben die Hüter des Euro um EZB-Präsident Mario Draghi noch Nachholbedarf: "Im Vergleich hat die EZB bislang sehr konservativ agiert." Nicht kleckern, sondern klotzen ist deshalb wegen der mit 0,7 Prozent für den Geschmack vieler Ökonomen zu niedrigen Teuerung auch für Bofinger die Devise: "Maßnahmen wie eine weitere kleine Zinssenkung oder ein längerfristiges Versprechen, die Leitzinsen extrem niedrig zu lassen - meinetwegen auch verbunden mit einem konkreten Zeitrahmen -, sind alles nur Tropfen auf den heißen Stein in der aktuellen Lage." Quelle: dapd

Ich besuchte in der vergangenen Woche zum ersten Mal seit April 2009 Griechenland. Dieser Besuch bot einen willkommenen Anlass, einmal darüber nachdenken, wie es um das Land steht. Hat es sich verändert? Ist die Krise allenthalben spürbar?

Zunächst zum Erscheinungsbild des Landes: Äußerlich hat sich zumindest um Athen herum im Vergleich zu damals wenig verändert, auch die Provinz scheint sich nicht wesentlich gewandelt zu haben. Es gibt nach wie vor breite, von der EU-Strukturpolitik finanzierte Autobahnen, die das Land nahezu schnurgerade durchschneiden und nur sehr wenig frequentiert, man könnte auch sagen: leer sind.

Allerdings wirken in den Dörfern der Provinz (in diesem Fall die Peleponnes) viele Häuser verlassen oder unfertig. Die Bauindustrie leidet immer noch kräftig unter der Krise, was ja auch nicht verwundern kann. Allerdings lässt sich nicht bestimmen, ob diese Leere in manchen Dörfern ein Resultat vergangener Landflucht oder der Krise ist, vermutlich eher Ersteres.

Der Tourismus boomt

Hat sich nun das Verhalten geändert? Gibt es mehr Steuerehrlichkeit? Werden Regeln nun eingehalten? Anekdotische Evidenz (meine eigene Erfahrung) legt nahe, dass nicht allzu viel passiert ist. Die Abrechnung der Reisekosten fand in bar und mit Standard-Quittungsblöcken statt, obwohl der Veranstalter öffentliches Geld verausgabte. Es war kein großer Unterschied zu früher sichtbar; vielleicht ist die Quittung neu. Geschwindigkeitsbegrenzungen, Anschnallpflichten etc. scheinen im Straßenverkehr nach wie vor niemanden zu interessieren.

Griechenlands Schwächen

Ach, und die Menschen so gastfreundlich, uns zugewandt und angenehm wie immer. Wenn sie sich Sorgen machen, zeigen sie es den Gästen nicht. Und der Tourismus boomt, was sicherlich mit der großartigen Gastfreundschaft zusammenhängt. Auch hier muss bedacht werden, dass ich nur die Provinz besucht habe, also noch viel weniger beurteilen kann, wie die Städter empfinden.

Es könnte natürlich sein, dass der Aufschwung des Landes seit dem Euro-Beitritt und die krisenhafte Zuspitzung nach Herbst 2009 an der griechischen Provinz und den Inseln weitgehend vorbeigegangen sind und dass vor allem die Großstädte Athen und Thessalonikis betroffen sind. Dafür spricht auch vieles.

Insgesamt gibt es also nicht allzu viel Neues auf der Mikroebene zu sehen; was sich im Verborgenen abspielt, kann natürlich nicht beobachtet werden.

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