




Seit die Europäische Zentralbank (EZB) im September 2014 vorerst das letzte Mal die Zinsen gesenkt hat, hat sich der Euro im Vergleich zum US-Dollar massiv abgewertet. Im September 2013 bezahlte man etwa 1,30 US-Dollar für einen Euro, heute sind es etwa 1,07 US-Dollar. Somit hat der Euro knapp 20 Prozent seines Wertes eingebüßt.
Die Einflussfaktoren auf bilaterale Wechselkurse sind schwer zu isolieren; die Ermittlung von Gleichgewichtswechselkursen erscheint nahezu unmöglich. Sicherlich spielt die Zinssenkung sowie das im Januar 2015 angekündigte Ankaufsprogramm der EZB für Staatsanleihen der Mitglieder der Eurozone genauso eine Rolle wie die angekündigte geldpolitische Wende der US-Notenbank Fed. Anders gewendet: Die Euro-Schwäche ist auch eine Dollar-Stärke.
Das sind die Gewinner und Verlierer der Währungsschwäche
Die Geldflut der Europäischen Zentralbank (EZB) hat den Euro auf Talfahrt geschickt. Nach Einschätzung von Analysten könnte ein Euro schon bald weniger als ein US-Dollar kosten - erstmals seit mehr als zwölf Jahren. Ein schwacher Euro hilft Firmen aus der Eurozone, die Waren außerhalb des Währungsraums verkaufen wollen. Denn ihre Autos oder Maschinen werden auf den Weltmärkten günstiger - etwa in wichtigen Märkten wie Asien oder Amerika. Die Nachfrage nach Produkten „Made in Germany“ oder anderen Euro-Staaten dürfte anziehen. Schon 2014 verkaufte Deutschland so viele Waren ins Ausland wie nie zuvor. Allerdings: Immerhin 37 Prozent der deutschen Exporte gehen in die Eurozone. Dort spielt der Wechselkurs keine Rolle.
Mehr Exporte = mehr Produktion = mehr Arbeitsplätze. Ganz so einfach geht es in der Praxis nicht, aber der EZB-Kurs mit Nullzins und Geldschwemme zielt auch in diese Richtung. Allein über den Preis werden Unternehmen aus dem Euroraum dank des niedrigen Eurokurses wettbewerbsfähiger. Somit stehen die Chancen gut, dass sie mehr verkaufen und ihre Fabriken besser ausgelastet sind. Das könnte mittelfristig auch neue Arbeitsplätze schaffen. All das bringt die heimische Wirtschaft voran.
„Das Milliarden-Geschenk“ titelte das „Handelsblatt“ am 22. Januar, als die EZB ihr gigantisches Anleihenkaufprogramm beschloss. Die lockere Geldpolitik der Notenbank könnte exportstarken deutschen Konzernen nach Berechnungen der Commerzbank im laufenden Jahr zwölf Milliarden Euro zusätzlich an Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in die Kassen spülen - allein weil der Euro gegenüber dem Dollar an Wert verliert. Vom Euroverfall profitieren demnach vor allem jene Firmen, die Rechnungen und Löhne in Euro bezahlen, aber in Dollar abrechnen.
Wer Waren oder Rohstoffe aus dem Ausland bezieht, muss sich auf höhere Kosten einstellen. Denn wichtige Rohstoffe wie etwa Öl werden international in Dollar gehandelt. Wenn der Euro im Vergleich zum Dollar an Wert verliert, werden solche Importe für Abnehmer im Euroraum tendenziell teurer. Deshalb sei ein schwacher Euro für die Exportnation Deutschland auch nur auf den ersten Blick erfreulich, kommentiert der Außenhandelsverband BGA: „Ohne die niedrigen Rohstoffpreise würde der schwache Euro tiefe Spuren in unserer Importrechnung hinterlassen und somit auch die Verkaufspreise im Export erhöhen.“ In Deutschland wäre der Preisrückgang bei Benzin und Heizöl in den vergangenen Monaten noch deutlicher ausgefallen, wenn der Eurokurs nicht so stark nachgegeben hätte.
Urlaube in der Schweiz oder in die USA werden teurer, wenn der Euro gegenüber anderen wichtigen Währungen an Wert verliert. Ende Januar rechnete der Bundesverband deutscher Banken (BdB) vor: Die Kaufkraft eines Euro in der Schweiz betrage nur noch etwa 55 Cent. Das heißt: Waren und Dienstleistungen waren dort zu diesem Zeitpunkt im Schnitt fast doppelt so teuer wie in Deutschland. Auch für Reisen in andere Nicht-Euroländer wie Großbritannien oder die Türkei müssen Verbraucher aus Euroländern tiefer in die Tasche greifen. Auf der anderen Seite wird für Amerikaner oder Chinesen ein Trip nach Berlin, Athen oder an die Côte d'Azur attraktiver.
Für den Ausbau ihrer Geschäfte außerhalb des Euroraums müssen Unternehmen aus dem Euroraum tendenziell mehr Geld in die Hand nehmen. Wer etwa eine Fabrik in China oder in den USA errichten will und dies in der jeweiligen Landeswährung bezahlt, legt in Euro gerechnet künftig drauf.
Während die US-Notenbank Fed ihre Geldschleusen absehbar wieder schließen will, fährt die EZB einen genau entgegengesetzten Kurs. Das erhöht die Gefahr, dass es zu einem „Währungskrieg“ kommt. Mit ihren milliardenschweren Anleihenkäufen habe die EZB „eine Tür geöffnet, hinter der die Gefahr eines Abwertungswettlaufes lauert“, kritisierte BGA-Präsident Anton F. Börner. Die Erfahrung zeigt, dass es in solchen Fällen nur Verlierer gibt.
Wenden wir uns also den Wirkungen einer Euro-Abwertung auf Wirtschaft, Regierungen und Verbraucher zu.
Eine schwächelnde eigene Währung wird in der Politik oft positiv bewertet. Denn wenn der Euro abwertet, sinken die Preise der europäischen Exportgüter für ausländische Importeure in deren heimischer Währung. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der Eurozone steigt unter sonst gleichbleibenden Bedingungen. Damit können – so der Wunsch – neue Arbeitsplätze entstehen; die Wirtschaft könnte wachsen; die Staatsschulden relativ zum BIP würden sinken. Dies ist gerade in den von der Staatsschuldenkrise gebeutelten Länder des Südens in der Eurozone dringend notwendig. Eine Verbesserung für alle, oder?
Leider ist es nicht ganz so einfach.
Die Folgen der EZB-Niedrigzinspolitik
Werden die Zinsen künstlich abgesenkt, so verringert sich der Reformdruck auf Regierungen und Banken, ihre Haushalte beziehungsweise Bilanzen zu verbessern.
Ein künstlich tief gehaltener Zins verhindert, dass unprofitable Investitionsprojekte also Fehlinvestitionen aufrecht und befördert werden.
Künstlich tiefe Zinsen lösen (inflationäre) Spekulationswellen aus, führen zu „Boom-and-Bust“-Zyklen: überhitzte Situationen, in denen, wenn niemand mehr bereit ist, Kredite zu finanzieren, alles in sich zusammenbricht.
Künstlich niedrig gehaltene Zinsen befördern die Schuldenwirtschaft, insbesondere die der Staaten und der Bankenindustrie.
- Richtig ist, dass dort, wo es eine Unterauslastung der Kapazitäten gibt, eine Abwertung preisliche Spielräume eröffnet und Exportpotentiale freisetzen kann. Neue Jobs können dann in der Tat entstehen. Allerdings hängt das Ausmaß der Erholung maßgeblich davon ab, wie stark die betroffenen Unternehmen von importierten Vorleistungen abhängen.
- Denn derselben Logik folgend werden diese natürlich nach einer Abwertung teurer. Als Konsequenz steigen die Kosten, und der Effekt der Abwertung wird reduziert, aber nicht vollständig aufgehoben.
- Wenn man die Importe durch ihre – nun ebenfalls wettbewerbsfähiger werdende – inländische Konkurrenzprodukte ersetzt, kann sich der positive Effekt auf inländische Beschäftigung sogar verstärken.
- Anders ist der Fall, wenn die Kapazitäten voll ausgelastet sind. Dann werden die Unternehmer preislich zwar wettbewerbsfähiger, müssen diesen Vorteil aber nicht an ihre Kunden weitergeben. Also bleibt der Preis der Produkte in ausländischer Währung gleich, der Umsatz in Euro bleibt gleich. Gewinnen werden vor allem die Eigentümer der Unternehmen.
- Eventuell profitieren aber auch die Beschäftigten, sofern sie Lohnerhöhungen durchsetzen könnten. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist recht hoch, denn sie sind ja bereits in der guten Situation der Quasi-Vollbeschäftigung und haben Marktmacht.