Freytags-Frage

Warum können wir auf TTIP nicht verzichten?

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Standards müssen nicht angeglichen, sondern anerkannt werden

Abgesehen davon, dass amerikanische Standards keineswegs flächendeckend unter den europäischen liegen, kann man das Problem auch auf abstrakter Ebene lösen. Dabei sind grundsätzlich zwei Wege denkbar: Man kann jeweils einheitliche Standards für jedes Produkt und jede Dienstleistung wählen, das heißt eine ex-ante Harmonisierung vornehmen. Dies ist politisch schwierig und ökonomisch zweifelhaft, da man durch die Vorab-Festlegung auf einen Standard zukünftige Innovationen von vornherein ausschließt, zumindest wenn die Standardsetzung politisch abgestimmt wird.

Deshalb wird vermutlich die zweite Option, die gegenseitige Anerkennung von Standards mit Kennzeichnungspflichten, die einzig realistische Möglichkeit sein. Dies macht auch deshalb Sinn, weil es bei vielen Produkten nicht nur jeweils einen europäischen und amerikanischen Standard gibt, sondern es bis zu 78 Standards geben kann. In der EU hat man mit der gegenseitigen Anerkennung (bekannt als Ursprungslandprinzip) recht gute Erfahrungen gemacht. Für die Bereiche, in denen man sich nicht einigen kann (genmodifizierte Lebensmittel oder ähnliches), dürfte es eine Liste von Ausnahmen geben.

Diese Länder sollen Mitglieder des Freihandelsabkommen TPP werden

Es gibt in diesem Zusammenhang die berechtigte Sorge, dass die Standardsetzung bei TTIP zulasten dritter Länder gehen könnte, so auch bei der Deutschen Bischofskonferenz in ihrer abgewogenen Stellungnahme aus dem Herbst 2015. Deshalb schlagen viele Beobachter vor, dass die gegenseitige Anerkennung von Standards auf Drittländer, zumindest die Entwicklungsländer ausgedehnt wird; das heißt Anbieter aus Uganda können in die USA nach europäischen Standards und umgekehrt verkaufen. Dies erfordert recht großzügige Ursprungsregeln. Angesichts der immer stärkeren Aufspaltung der Wertschöpfungsketten machen zu enge Ursprungsregeln ohnehin wenig Sinn; ein deutsches Produkt stammt regelmäßig aus vielen Länder, so dass der Ursprung des Produkts weit gestreut ist.

Mehr Zusammenarbeit bei zukünftiger Regulierung

Keineswegs jede Regulierung ist überdies ein Handelshemmnis; das sehen auch Deregulierungsbefürworter so. Deshalb soll zweitens die Zusammenarbeit bei zukünftigen Regulierungen vertieft werden, um möglichst abgestimmt zu handeln; im öffentlichen Bericht der Europäischen Kommission über die zwölfte Verhandlungsrunde aus dem März 2016 ist von regulatorischer Kohärenz die Rede. Dieser Teil der Verhandlungen erweckt besonderes Misstrauen, da die Gefahr besteht, dass organisierte Interessen dieses Feld insofern kapern, als dass sie bestimmte Regulierungen zu ihren Gunsten bestimmen (zum Beispiel Umweltschutz- oder Gesundheitsschutzbestimmungen). Hier ist in der Tat dafür Sorge zu tragen, dass der Prozess der regulatorischen Kohärenz transparent verläuft. Die Kommission drängt besonders darauf, dass das staatliche Beschaffungswesen der USA sich für europäische Unternehmen weiter öffnet.

Kritik der Umweltschützer an TTIP

Drittens geht es in den Verhandlungen um den Schutz von Investitionen. Grundsätzlich sollten für in- und ausländische Investitionen gleiche und faire Regeln gelten; dies ist leider nicht durchgängig Realität. Deshalb sehen sich viele Staaten – gerade in Europa – veranlasst, auf Investitionsschutzabkommen (IPA) mit anderen Staaten zu bestehen; insbesondere gilt dies bei Investitionen in Entwicklungsländern. Vor diesem Hintergrund muss dieser Teil der Verhandlungen gesehen werden.

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