Der Kolumnist hat gerade einige Tage in Rom verbracht, wo man gegenwärtig eine Regierung sucht. Zwar ist die alte Regierung noch im Amt, sie scheint im Moment jedoch nicht sehr handlungsfähig zu sein. Dennoch funktioniert das Leben in Italien offenbar ganz normal: Die Züge fahren, die Museen haben geöffnet, die Polizei arbeitet reibungslos, die Schulen sind in Betrieb, an den Universitäten wird geforscht, und die Straßen sind voller Vespas. Mit anderen Worten, alles läuft wie immer und problemlos.
Das wirft die alte Frage auf, welche Rolle Regierungen spielen sollten und welche sie tatsächlich spielen. Wichtig ist die öffentliche (innere und äußere) Sicherheit, die Setzung und Durchsetzung von Regeln, Gesundheit und Soziales, die Bereitstellung öffentlicher Güter, zu denen wir den Verkehr und die Ausbildung zählen können, die Internalisierung von externen Effekten, z.B.im Umweltbereich sowie die Regulierung von Märkten, auf denen man weiteres Marktversagen, d.h. asymmetrisch verteilte Information und natürliche Monopole erkennt. Somit ist es gerechtfertigt, die Märkte für Versicherungen, Bankgeschäfte und Telekommunikationsdienste zu regulieren.
Dabei belassen es allerdings nur wenige Regierungen, streng genommen fällt uns eigentlich keine ein. Stattdessen wird die Regulierung oft übertrieben. Statt der Beseitigung von Marktversagen wird der regulierte Sektor unterstützt; es gibt zusätzliche Einkommen, sog. Renten zu gewinnen. Wenn die Energiewirtschaft Monopologewinne einfährt, liegt es nicht daran, dass zu wenig, sondern zu viel reguliert wird. Gleiches gilt auf den Märkten für Handwerksdienstleistungen: Anstatt das Problem asymmetrisch zwischen Anbietern und Nachfragern verteilter Informationen zu lösen, schafft der Staat Markteintrittsbarrieren, die die im Markt agierenden Unternehmen (auch als Insider bezeichnet) vor dem potentiellen Wettbewerb (durch die Outsider) schützen.
Außerdem werden zahlreiche Aufgaben von Regierungen in Auftrag gegeben und von staatlichen Institutionen erledigt, die besser von privaten Akteuren übernommen werden. Nicht zu den Kernaufgaben von Regierungen zählt zum Beispiel die Festlegung der Energiepreise, der Aufbau einer (letztlich nicht wettbewerbsfähigen) Solarbranche, die Rettung von zum Teil wüst spekulierenden Bankern oder der Betrieb von Luftfahrtgesellschaften, Stahlwerken, Wohnungsbaugesellschaften und Müllabfuhren. Studien aus vielen Ländern und über viele Industrien und Dienstleistungsbranchen hinweg zeigen, dass private Anbieter systematisch effizienter arbeiten als staatliche.
Brauchen wir eine Regierung? - Die Antwort ist eindeutig
Hinzu kommt ein Weiteres; Regierungen verhalten sich oftmals im Ergebnis gegen die Interessen ihrer Bürger. So ist nicht recht verständlich, warum die Bundesregierung eine Energiewende anberaumt, ohne die Voraussetzungen auf der Ebene der Infrastruktur auch nur zu bedenken geschweige denn zu schaffen, warum in Deutschland zahlreiche staatliche Großprojekte unglaublich stümperhaft angegangen werden, warum ohne Not und offenbar auch ohne jeden Plan die Wehrpflicht abgeschafft wird und warum die Bundesregierung geltendes EU-Recht einfach übergeht, um mit deutschen Steuergeldern griechische, spanische und zypriotische Eliten sowie Banker aus der ganzen Welt vor Vermögensverlusten zu bewahren (unter anderem mit der Folge, als Nazis beschimpft zu werden!).
Italien weiterhin ohne neue Regierung
Wären wir also besser dran ohne Regierung? Italien macht es ja vor, und Belgien ist sogar mehr als ein Jahr ohne Regierung gut gefahren.
Um es klar zu sagen, die Antwort ist negativ. Wir brauchen eine Regierung, und zwar eine gute Regierung! Dies ist natürlich eine alberne Forderung, denn die Regierung ist nur so gut, wie sie sein muss, um nicht abgewählt zu werden. In Deutschland muss man zur Zeit offenbar nicht besonders gut sein, um dieses Schicksal abzuwenden. Es reicht, wenn man den Eindruck vermittelt, alles im Griff zu haben.
Also formulieren wir es anders: Wir brauchen eine Regierung, die ernsthaftem Wettbewerb ausgesetzt ist, deren Politik also nicht alternativlos ist. Dies liegt nur an uns selbst. Wir können selber mit Forderungen oder alternativen Angeboten die politischen Eliten unter Druck setzen, damit diese wieder Politik für und nicht gegen die Bevölkerung machen. Selbst wenn die Alternativen nicht erfolgreich sind, können sie doch die Diskussion verändern und - um in der Sprache der Wettbewerbspolitik zu sprechen - den Incumbent (auf deutsch: den Altsassen) so unter Druck setzen, dass er die Nachfrager (im Beispiel der Politik die Bürger) wieder ernst nimmt. Mit anderen Worten: Auch der politische Markt muss wieder bestreitbar werden! Packen wir es an!