Die Verhandlungen zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) gehen in die nächste Runde. Während in Deutschland viele Menschen damit befasst sind, die TTIP verhindern zu wollen, fragen sich viele Amerikaner, warum wir Deutschen so scharf darauf sind, die Basis unseres Wohlstandes zu zerstören.
Und sie haben Recht! Denn unabhängig davon, wie man zu Detailfragen steht (Buchpreisbindung, Chlorhühnchen, französische Filme), bedeutet eine Freihandels- und Investitionszone über den Atlantik einen wesentlichen Schritt zur Vertiefung des Außenhandels, und dies nicht nur über den Atlantik. TTIP bedeutet auch, dass weitere Schritte zu einer globalen Liberalisierung vorbereitet werden. Wird die Partnerschaft richtig geplant und umgesetzt, vergrößern sich die Absatzmärkte zahlreicher Entwicklungsländer enorm.
In der Diskussion um TTIP werden wesentliche Argumente für den offenen Außenhandel oftmals unter den Tisch gekehrt. Es wird so getan, als ob ausschließlich ein paar multinationale Konzerne davon profitieren, ansonsten aber Bürgerrechte und Wohlstand aller anderen verloren gehen. Diese Argumentation vernachlässigt, dass die Arbeitsteilung den Kern des Wohlstands bildet. Dazu gehört natürlich auch die internationale Arbeitsteilung, die im Grunde nur einen Spezialfall der interpersonellen Arbeitsteilung unter erschwerten Bedingungen (unterschiedliche Rechtssysteme, Sprachen, Währungen etc.) darstellt.
Was spricht für Freihandel und offene Märkte?
- Freihandel intensiviert den Wettbewerb und bewirkt auf diese Weise bessere Qualität und/oder niedrigere Preise. Damit unterstützt Freihandel die ärmsten Mitglieder einer Gesellschaft über günstige Importe bzw. deren günstigere oder bessere inländische Konkurrenzprodukte. Freihandel bekämpft Armut in Deutschland!
- Auf diese Weise fördert Freihandel die Herausbildung und Vergrößerung des Mittelstands. Mehr Menschen können für sich selber sorgen und den wachsenden Wohlstand genießen.
- Als Konsequenz daraus kann eine Stärkung der Demokratie erwachsen, denn gerade die Mittelschicht bildet oftmals das Rückgrat einer demokratischen Gesellschaft. Zwar ist der Zusammenhang nicht in jedem Fall gültig, dürfte aber gerade in Europa unbestritten sein.
- Freihandel ist friedensstiftend. Länder, die eng in der internationalen Arbeitsteilung miteinander verflochten sind, sind weniger konfliktgefährdet als solche Länder, die keinen Handel treiben. Menschen lernen einander besser kennen, und sie haben etwas zu verlieren. Die Konfliktbereitschaft sinkt dramatisch. Die Erfolgsgeschichte der Europäischen Integration basiert auf dem Wegfall der Zollschranken und der dadurch intensivierten Arbeitsteilung. Nicht zuletzt darauf basiert der Friedens-Nobelpreis für die Europäische Union (EU).
- Freihandel fördert Innovationen über den Wettbewerb. Somit kann er zu neuen Produkten oder besseren Prozesse, also ressourcensparendem technischen Fortschritt beitragen.
- In die gleiche Richtung zielt der Befund, dass Freihandel die Produktivität in einer Gesellschaft und damit die Einkommenschancen für die Beschäftigten erhöht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieser Effekt vor allem über die Importe wirkt. Das heißt je mehr ein Land der Importkonkurrenz ausgesetzt ist, desto höher wird unter sonst gleichbleibenden Bedingungen die Produktivität sein.
Die Freihandelsabkommen
Ceta ist die Abkürzung für das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada. Es steht für „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen). Die technischen Verhandlungen begannen 2009, beendet wurden sie 2014. Am 27. Oktober soll Ceta unterzeichnet werden. Ziel des Abkommens ist es, durch den Wegfall von Zöllen und „nichttarifären“ Handelsbeschränkungen wie unterschiedlichen Standards und Normen das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.
Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ist die EU für Kanada nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner. Ceta gilt auch als Blaupause für das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP), das den weltgrößten Wirtschaftsraum mit rund 800 Millionen Verbrauchern schaffen würde. Kritiker sehen durch beide Abkommen unter anderem demokratische Grundprinzipien ausgehöhlt.
TTIP ist ein sich in der Verhandlung befindendes Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA. Seit Juli 2013 verhandeln Vertreter beider Regierungen geheim – auch die nationalen Parlamente der EU erhalten keine detaillierten Informationen.
In dem Abkommen geht es um Marktzugänge durch den Abbau von Zöllen. Zudem sollen globale Regeln entwickelt werden – etwa zur Vereinheitlichung von Berufszugängen innerhalb der Handelszone. Auch Gesundheitsstandards und Umweltstandards sollen angeglichen werden.
Als Blaupause für das Abkommen gilt CETA.
- Deshalb ist Freihandel so wichtig für den Arbeitsmarkt. Natürlich verschwinden im Freihandel die Unternehmen, die nicht länger wettbewerbsfähig sind. Sie werden aber über kurz oder lang durch Unternehmen ersetzt, die besonders wettbewerbsfähig sind und attraktive, gutbezahlte Arbeitsplätze schaffen können. Gerade in der Exportwirtschaft wird bei uns in Deutschland überdurchschnittlich gut verdient.
- Freihandel hilft den Entwicklungsländern. Wenn wir unsere Märkte öffnen, können Entwicklungsländer ihre Produkte bzw. ihre Vorprodukte oder ihren Beitrag zu den globalen Wertschöpfungsketten am ehesten bei uns absetzen. Zwar hilft Freihandel nur im Rahmen des Potentials der betroffenen Länder, aber wenigstens wird von unserer Seite aus alles getan, was getan werden kann. In der langen Frist bekämpft Freihandel die Armut auch in den Entwicklungsländern!
- Mit dem Geld, was Unternehmen bei uns verdienen, kaufen sie (oder andere Akteure) unsere Exportprodukte. Dies trägt wiederum zur Schaffung und zum Erhalt von Arbeitsplätzen hierzulande bei.
Eine Exportnation muss sich für die globale Öffnung der Märkte engagieren
Es soll nicht verschwiegen werden, dass Freihandel auch Unternehmen bedroht. Diese verschwinden dann von den Märkten. Es kann eine Weile dauern, bis die betroffenen Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsplatz finden. Dieser Strukturwandel findet permanent statt. Wer sich dagegen wehrt, z.B. durch Protektionsmaßnahmen oder Autarkie, verschwendet wertvolle Mittel für den Erhalt von unproduktiven Arbeitsplätzen, die langfristig ohnehin nicht gehalten werden können, und bleibt hinter der technischen Entwicklung zurück. Wohin dies in letzter Konsequenz führt, hat der Zusammenbruch des Comecon vor 25 Jahren eindrucksvoll bewiesen.
Es ist allemal besser, sich diesem Strukturwandel aktiv auszusetzen und ihm mit geeigneter Bildungs- und Sozialpolitik zu begegnen als sich abzuschotten.
Was ein Freihandelsabkommen zwischen EU und USA bringt
Die Zölle zwischen den USA und den EU sind bereits niedrig. Sie liegen im Schnitt zwischen fünf und sieben Prozent, sagt der deutsche Außenhandelsverband BGA. Da jedoch jährlich Waren im Wert von mehr als einer halben Billion Euro über den Atlantik hin- und herbewegt werden, kann die Wirtschaft Milliarden sparen. Europäische Chemieunternehmen haben 2010 für Exporte in die Vereinigten Staaten fast 700 Millionen Euro in die US-Staatskasse gezahlt. Umgekehrt führten die USA gut eine Milliarde Euro nach Brüssel ab. Wirtschaftsverbände erwarten durch den Fall der Zollschranken weniger Bürokratie für mittelständische Unternehmen und mehr Geld für Investitionen, etwa in Forschung und Entwicklung.
Die deutsche Wirtschaft verspricht sich Impulse in Milliardenhöhe. "Das Freihandelsabkommen könnte unsere Exporte in die Vereinigten Staaten um jährlich drei bis fünf Milliarden Euro erhöhen", sagt der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. Die Amerikanische Handelskammer in Deutschland (AmCham) rechnet mit einem zusätzlichen Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in Höhe von 1,5 Prozent. Viele Unternehmen hoffen zudem darauf, einen besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen in den USA zu bekommen.
Fast unlösbar scheinen die unterschiedlichen Auffassungen zwischen den USA und der EU in Fragen der Landwirtschaft. "Für die Amerikaner sind Hormonfleisch und Genmais kein Problem, für Europäer ist das dagegen ein 'No-Go'", sagt der Geschäftsführer des Außenhandelsverbandes BGA, Jens Nagel. "Da kann man sich auch nicht in der Mitte treffen." Die Handelskammer AmCham empfiehlt daher, dass Thema außen vor zu lassen. "Das Thema Agrar würde die Gespräche nur belasten", sagt AmCham-Ehren-Präsident Fred Irwin. "Deshalb wäre es gut, das beiseite zu schieben."
Bei der Angleichung technischer Standards. "Das fängt bei der Länge der Stoßstangen an und hört beim Krümmungswinkel des Rückspiegels auf", sagt BGA-Experte Nagel. "Hier gibt es seit Jahrzehnten unterschiedliche Standards, die sich nicht in wenigen Jahren angleichen lassen." Die Chemieindustrie fordert, vor allem Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitsschutz stärker aufeinander abzustimmen.
Die deutschen Exporteure warnen davor, aus dem Freihandelsabkommen eine Art Wirtschafts-Nato zulasten anderer Handelspartner zu schmieden. "Uns stört das Gerede um eine Wirtschafts-Nato", sagte der Geschäftsführer des Außenhandelsverbandes BGA, Jens Nagel. "Ein Freihandelsabkommen ist nicht dazu da, sich gegen Dritte abzuschotten nach dem Motto 'Jetzt verbünden wir uns gegen die bösen Chinesen'." In der Politik wird das zum Teil genau andersherum gesehen. "Es bleibt nur noch wenig Zeit, gemeinsam mit den USA Standards zu prägen, bevor Wachstumsmärkte wie China und Indien den Takt angeben", sagte der Geschäftsführer des CDU-Wirtschaftsrats, Thomas Raabe.
Sie können Produkte billiger einkaufen, verspricht beispielsweise der Verband der Automobilindustrie (VDA). "Das würde auch die Kosten eines Autos für den Verbraucher senken", sagt VDA-Präsident Matthias Wissmann. Auch andere Branchen können mit einer Kostensenkung rechnen. Ob sie den Vorteil an ihre Kunden weitergeben oder den eigenen Gewinn damit steigern, bleibt ihnen überlassen. Produkte können außerdem schneller erhältlich sein, wenn sie einheitlich zugelassen werden - etwa wenn die US-Aufsicht FDA ein neues Medikament freigibt, das damit automatischen die Zulassung in den EU erhält. (Quelle: Reuters)
Soweit wir der Comecon vor 25 Jahren sind wir natürlich nicht, selbst wenn TTIP nicht zustande käme. Dennoch kann es nicht im Interesse der Mehrheit der Bürger hierzulande sein, offene Märkte zu verhindern. Die Proteste gegen TTIP mögen ja von guten Absichten getrieben sein. Letztlich helfen sie nur den Sektoren, die von verstärkter internationaler Konkurrenz bedroht werden. Diese kapern in gewisser Weise die Zivilgesellschaft, die sich gegen TTIP wehrt.
Dabei ist TTIP nur eine Facette. Die Doha-Runde hängt immer noch in der Luft, trotz des Bali-Abkommen aus dem vergangenen Dezember. Eine Exportnation wie Deutschland muss sich stärker für die globale Öffnung der Märkte engagieren, will sie nicht langfristig Einkommenspotentiale verlieren. Dies gilt umso mehr für eine alternde Exportnation, die einen Teil ihrer Ersparnisse im Ausland anlegen muss. Je freier der Welthandel ist und je mehr Länder an der internationalen Arbeitsteilung teilnehmen, desto bessere Investitionsmöglichkeiten bieten sich den Deutschen.
Gegen Freihandel zu votieren, kann nicht in unserem Interesse liegen!
.