Freytags-Frage

Warum ist Freihandel für uns so wichtig?

Die Mehrheit der Deutschen will TTIP verhindern. Die Amerikaner fragen erstaunt, warum wir die Basis unseres Wohlstands zerstören wollen. Und sie haben Recht.

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Wie sich die Welt abschottet
US-Präsident Barack Obama Quelle: dpa
Ein Straßenhändler in Indien Quelle: REUTERS
Ein Bauer füttert seine Kühe Quelle: dpa/dpaweb
Abbau von Seltenen Erden in einer Mine in Ganxian Quelle: dpa
Die Christusstatue auf dem Corcovado Quelle: dapd
Mitarbeiter der Volkswagen AG im VW-Werk in Kaluga Quelle: AP
Arbeiter entladen importierten Reis von einem Schiff Quelle: REUTERS

Die Verhandlungen zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) gehen in die nächste Runde. Während in Deutschland viele Menschen damit befasst sind, die TTIP verhindern zu wollen, fragen sich viele Amerikaner, warum wir Deutschen so scharf darauf sind, die Basis unseres Wohlstandes zu zerstören.

Und sie haben Recht! Denn unabhängig davon, wie man zu Detailfragen steht (Buchpreisbindung, Chlorhühnchen, französische Filme), bedeutet eine Freihandels- und Investitionszone über den Atlantik einen wesentlichen Schritt zur Vertiefung des Außenhandels, und dies nicht nur über den Atlantik. TTIP bedeutet auch, dass weitere Schritte zu einer globalen Liberalisierung vorbereitet werden. Wird die Partnerschaft richtig geplant und umgesetzt, vergrößern sich die Absatzmärkte zahlreicher Entwicklungsländer enorm.

In der Diskussion um TTIP werden wesentliche Argumente für den offenen Außenhandel oftmals unter den Tisch gekehrt. Es wird so getan, als ob ausschließlich ein paar multinationale Konzerne davon profitieren, ansonsten aber Bürgerrechte und Wohlstand aller anderen verloren gehen. Diese Argumentation vernachlässigt, dass die Arbeitsteilung den Kern des Wohlstands bildet. Dazu gehört natürlich auch die internationale Arbeitsteilung, die im Grunde nur einen Spezialfall der interpersonellen Arbeitsteilung unter erschwerten Bedingungen (unterschiedliche Rechtssysteme, Sprachen, Währungen etc.) darstellt.

Was spricht für Freihandel und offene Märkte?

  • Freihandel intensiviert den Wettbewerb und bewirkt auf diese Weise bessere Qualität und/oder niedrigere Preise. Damit unterstützt Freihandel die ärmsten Mitglieder einer Gesellschaft über günstige Importe bzw. deren günstigere oder bessere inländische Konkurrenzprodukte. Freihandel bekämpft Armut in Deutschland!
  • Auf diese Weise fördert Freihandel die Herausbildung und Vergrößerung des Mittelstands. Mehr Menschen können für sich selber sorgen und den wachsenden Wohlstand genießen.
  • Als Konsequenz daraus kann eine Stärkung der Demokratie erwachsen, denn gerade die Mittelschicht bildet oftmals das Rückgrat einer demokratischen Gesellschaft. Zwar ist der Zusammenhang nicht in jedem Fall gültig, dürfte aber gerade in Europa unbestritten sein.
  • Freihandel ist friedensstiftend. Länder, die eng in der internationalen Arbeitsteilung miteinander verflochten sind, sind weniger konfliktgefährdet als solche Länder, die keinen Handel treiben. Menschen lernen einander besser kennen, und sie haben etwas zu verlieren. Die Konfliktbereitschaft sinkt dramatisch. Die Erfolgsgeschichte der Europäischen Integration basiert auf dem Wegfall der Zollschranken und der dadurch intensivierten Arbeitsteilung. Nicht zuletzt darauf basiert der Friedens-Nobelpreis für die Europäische Union (EU).
  • Freihandel fördert Innovationen über den Wettbewerb. Somit kann er zu neuen Produkten oder besseren Prozesse, also ressourcensparendem technischen Fortschritt beitragen.
  • In die gleiche Richtung zielt der Befund, dass Freihandel die Produktivität in einer Gesellschaft und damit die Einkommenschancen für die Beschäftigten erhöht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieser Effekt vor allem über die Importe wirkt. Das heißt je mehr ein Land der Importkonkurrenz ausgesetzt ist, desto höher wird unter sonst gleichbleibenden Bedingungen die Produktivität sein.

Die Freihandelsabkommen

  • Deshalb ist Freihandel so wichtig für den Arbeitsmarkt. Natürlich verschwinden im Freihandel die Unternehmen, die nicht länger wettbewerbsfähig sind. Sie werden aber über kurz oder lang durch Unternehmen ersetzt, die besonders wettbewerbsfähig sind und attraktive, gutbezahlte Arbeitsplätze schaffen können. Gerade in der Exportwirtschaft wird bei uns in Deutschland überdurchschnittlich gut verdient.
  • Freihandel hilft den Entwicklungsländern. Wenn wir unsere Märkte öffnen, können Entwicklungsländer ihre Produkte bzw. ihre Vorprodukte oder ihren Beitrag zu den globalen Wertschöpfungsketten am ehesten bei uns absetzen. Zwar hilft Freihandel nur im Rahmen des Potentials der betroffenen Länder, aber wenigstens wird von unserer Seite aus alles getan, was getan werden kann. In der langen Frist bekämpft Freihandel die Armut auch in den Entwicklungsländern!
  • Mit dem Geld, was Unternehmen bei uns verdienen, kaufen sie (oder andere Akteure) unsere Exportprodukte. Dies trägt wiederum zur Schaffung und zum Erhalt von Arbeitsplätzen hierzulande bei.

Eine Exportnation muss sich für die globale Öffnung der Märkte engagieren

Es soll nicht verschwiegen werden, dass Freihandel auch Unternehmen bedroht. Diese verschwinden dann von den Märkten. Es kann eine Weile dauern, bis die betroffenen Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsplatz finden. Dieser Strukturwandel findet permanent statt. Wer sich dagegen wehrt, z.B. durch Protektionsmaßnahmen oder Autarkie, verschwendet wertvolle Mittel für den Erhalt von unproduktiven Arbeitsplätzen, die langfristig ohnehin nicht gehalten werden können, und bleibt hinter der technischen Entwicklung zurück. Wohin dies in letzter Konsequenz führt, hat der Zusammenbruch des Comecon vor 25 Jahren eindrucksvoll bewiesen.

Es ist allemal besser, sich diesem Strukturwandel aktiv auszusetzen und ihm mit geeigneter Bildungs- und Sozialpolitik zu begegnen als sich abzuschotten.

Was ein Freihandelsabkommen zwischen EU und USA bringt

Soweit wir der Comecon vor 25 Jahren sind wir natürlich nicht, selbst wenn TTIP nicht zustande käme. Dennoch kann es nicht im Interesse der Mehrheit der Bürger hierzulande sein, offene Märkte zu verhindern. Die Proteste gegen TTIP mögen ja von guten Absichten getrieben sein. Letztlich helfen sie nur den Sektoren, die von verstärkter internationaler Konkurrenz bedroht werden. Diese kapern in gewisser Weise die Zivilgesellschaft, die sich gegen TTIP wehrt.

Dabei ist TTIP nur eine Facette. Die Doha-Runde hängt immer noch in der Luft, trotz des Bali-Abkommen aus dem vergangenen Dezember. Eine Exportnation wie Deutschland muss sich stärker für die globale Öffnung der Märkte engagieren, will sie nicht langfristig Einkommenspotentiale verlieren. Dies gilt umso mehr für eine alternde Exportnation, die einen Teil ihrer Ersparnisse im Ausland anlegen muss. Je freier der Welthandel ist und je mehr Länder an der internationalen Arbeitsteilung teilnehmen, desto bessere Investitionsmöglichkeiten bieten sich den Deutschen.

Gegen Freihandel zu votieren, kann nicht in unserem Interesse liegen!

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