
In der vergangenen Woche fand der sog. Märzgipfel der Europäischen Union in Brüssel statt. Obwohl der Gipfel natürlich von der Krimkrise überlagert war und deshalb auch beinahe in der Öffentlichkeit unterging, gibt es ein zentrales Thema. Dieses war die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der Europäischen Union. In diesem Zusammenhang wurde auf Basis einer Mitteilung der Europäischen Kommission eine Zielvorgabe beschlossen, die die Wirtschaftsstruktur der EU verändern soll. Der Anteil der Industrie soll bis zum Jahre 2010 auf 20 Prozent des BIP erhöht werden. Hintergrund war das Absinken dieses Anteils von 18 Prozent im Jahre 2000 auf gegenwärtig etwa 15 Prozent sowie das hohe Potential industrieller Betriebe, Arbeitsplätze zu schaffen.
Die EU weiß auch schon, welche Branchen die von ihr geforderte intelligente Spezialisierung bieten: zum Beispiel Batterien für Elektromobilität, intelligente Werkstoffe und Biotechnologie.





Das hört sich doch gut an. Mehr intelligente Industrie bedeutet mehr Jobs. Dann brauchen wir ja nur noch auf die Umsetzung dieses Planes zu warten, oder? Leider ist die Welt etwas komplizierter, Wirtschaftsstrukturen kann man nicht befehlen. Insofern kann dieser Beschluss nur als neuerliches Versagen der europäischen Wirtschaftspolitik bezeichnet werden. Diese These begründet sich wie folgt:
- Erstens können Regierungen in einer Marktwirtschaft die Wirtschaft nicht steuern. Sie haben das erforderliche Wissen über zukünftige Trends nicht. Es wird erst im Marktprozess entwickelt. Wie intelligent die gewählte Spezialisierung dann wirklich ist, zeigt sich erst hinterher, nicht im Vorhinein. Diese grundsätzliche Kritik hat noch nie Politik davon abgehalten, sich für besonders klug und zukunftsorientiert zu halten.
- Damit kommen wir zu einem zweiten Problem, die instrumentelle Ebene. Wie soll man das Ziel erreichen? Sind die Instrumente geeignet, die Industrie zu stärken. Die Kommission spricht von Budgets der Strukturmittel, die sie einsetzen will. Es ist die Rede von Bürokratieabbau, und Europa soll digital vernetzt werden. Bildung in den MINT-Fächern soll ausgeweitet werden. Strukturfonds richten mehr Schaden an, als sie nutzen (man denke an irgendwelche Flughäfen in Nordhessen ohne Flugplan, leere Hochgeschwindigkeitszüge in Spanien und vieles andere mehr), Bürokratieabbau steht seit Jahren auf der Agenda; seitdem nimmt der bürokratische Aufwand im Geschäftsleben eher zu; die EU hat sich als Trigger dieses Trends erwiesen. Die Idee, in Bildung zu investieren, ist allerdings vernünftig.
- Drittens muss bei der öffentlichen Finanzierung von Wachstumsprozessen davon ausgegangen werden, dass die Sorgfalt, mit der die Bürokraten das Geld ausgeben, geringer ist als im Falle privater Investitionen. Zumindest ist dies im überwiegend Teil öffentlicher Investitionen zu beobachten gewesen. Es macht immer Spaß, das Geld anderer Leute auszugeben, umso mehr, als dass hier ja ein guter Zweck vorliegt.
- Schließlich kann nicht garantiert werden, dass mehr Industrie wirklich mehr Beschäftigung schafft. Das kommt ganz auf die Art der Industrie an. Wenn sie Dienstleistungsjobs verdrängen oder durch Protektionsmaßnahmen zustande kommen, kann die Bilanz sogar negativ ausfallen.