Freytags-Frage

Was macht die EZB, wenn Öl teurer wird?

Wenn der Preis für Öl steigt, dürfte die Inflationsrate in Deutschland moderat aber spürbar anziehen. Damit würde die EZB ein Argument für ihre lockere Geldpolitik verlieren. Wie reagiert sie darauf?

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Das Hauptquartier der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Quelle: dpa

Nachdem der Preis für Rohöl sehr lange auf einem sehr niedrigen Stand war und der Wirtschaft sowie den Konsumenten eine relativ niedrige Energierechnung ermöglichte (Strom einmal ausgenommen, aber dafür kann das Ölkartell nichts), sehen einige Beobachter in den kommenden Monaten einen steigenden Ölpreis auf uns zukommen.

Gründe für diese Erwartung liegen in den sich ändernden Anreizen für die ölreichen Länder Saudi-Arabien und Iran. Gerade Saudi-Arabien hat es in der Hand, den Ölhahn auf- beziehungsweise zuzudrehen und auf diese Weise den Ölpreis signifikant zu bestimmen. Weil auch andere Mitglieder der Organisation erdölproduzierender Länder (OPEC) sowie andere Ölproduzenten (zum Beispiel Russland) ein wachsendes Interesse an einer Preissteigerung für Rohöl haben, ist die Erwartung nachvollziehbar.

Wenn der Rohölpreis tatsächlich ansteigen sollte, werden die Energiepreise im Gefolge ansteigen, und dies vermutlich deutlich schneller, als sie gefallen sind. Das betrifft den Verkehr, die Produktionskosten, die Stromerzeugung und das Heizen, zumal zu Beginn des Winters die Nachfrage nach Heizöl ansteigen wird, was den Preistrend nur erhöhen dürfte. Die Inflation in der Eurozone würde sich somit erhöhen und näher an das Zwei-Prozent-Ziel heranrücken. Sicherlich wäre diese Erhöhung der Preissteigerungsraten moderat, aber sie wäre spürbar. Dies hätte vermutlich auch Konsequenzen für die Geldpolitik.

Diese unbekannten Multis überschwemmen die Welt mit Öl
Die staatliche saudische Ölfirma Aramco Quelle: REUTERS
Russland: Rosneft Quelle: REUTERS
Wladimir Putin und Rosneft-Vorstand Setschin Quelle: REUTERS
Sinopec steht für China Petroleum and Chemical Corporation Quelle: dpa
China: Sinopec Quelle: REUTERS
Venezuelas PDVSA ist das größte Erdölunternehmen Lateinamerikas Quelle: Reuters
Venezuela: PDVSA Quelle: REUTERS

Denn damit wäre dann auch die Sorge der Europäischen Zentralbank (EZB) vor einer Deflation in der Eurozone hinfällig. Wenigstens hat die EZB diese Sorge immer wieder geäußert und so die expansive Geldpolitik begründet. Allerdings wirkte diese Begründung ohnehin nur wie ein Vorwand für die Niedrigzinspolitik und den Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen. Dass ernsthaft eine Deflation drohte, hat vermutlich niemand geglaubt. Die wahren Begründungen für die Geldpolitik muss man wohl in den Staatshaushalten und der fehlenden Reformbereitschaft bzw. -fähigkeit europäischer Regierungen suchen.

Geldpolitik der EZB: Entlastungen durch Niedrigzinsen

Wenn das Argument nicht vorgeschoben wäre, müsste die EZB ihre Politik leicht ändern und die Zinswende einleiten. Denkbar wäre, die Zinsentwicklung maßvoll umzukehren und den Leitzins leicht zu erhöhen, möglicherweise auf 0,1 – 0,25 Prozent; der Einlagenzins könnte wieder bei Null liegen. Damit wäre zumindest ein Anreiz für die Banken genommen, Strafzinsen von ihren Kunden zu nehmen oder Geld gegen negative Zinsen an Kommunen auszuleihen. Gerade für die kleinen Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken wäre dieser Schritt von großer Bedeutung.

Würde die EZB auch so handeln?

Es ist doch recht unwahrscheinlich, dass die EZB auch so handeln würde. Wahrscheinlicher ist vielmehr, dass die EZB weitere Begründungen finden würde, von ihrer expansiven Politik nicht abweichen zu müssen.

Ein Argument könnte sein, der durch den Energiepreisanstieg ausgelöste Inflationsschub sei zu klein. Diesem Argument kann man insofern etwas abgewinnen, als dass es konsistent in die bisherige Argumentation passt und somit keinen Bruch darstellt.

Ein zweites Argument könnte darauf hinauslaufen, die positive Entwicklung der Verbraucherpreise weiterhin aufmerksam zu beobachten, also erst einmal abzuwarten. Auch dieses Argument ist schlüssig im Kontext der bisherigen Politik.

Diese Anleihen rentieren unter Null
Top 15: Daimler AGDie EZB startete den Ankauf von Firmenbonds in der vergangenen Woche und sammelte an einem einzigen Tag Titel im Volumen von 348 Millionen Euro ein. Daneben kaufen die Währungshüter Staatsanleihen im Volumen von inzwischen 80 Milliarden Euro monatlich. Dies drückt unter anderem die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe erstmals unter die Marke von null Prozent. Bei kürzeren Laufzeiten gehören Negativzinsen bereits zum Alltag. Daimler verzinst seine bis zum 27. Juni 2018 ausgegebene Anleihe mit 2,125 Prozent. Die Rendite beträgt bei einem Gesamtvolumen der Anleihe von 935.617.500 Dollar minus 0,1049266 Prozent. Quelle: dpa
Top 14: Cooperatieve Rabobank UADas Gesamtvolumen europäischer Unternehmensanleihen mit dem Gütesiegel Investment Grade, die grundsätzlich von der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgekauft werden können, liegt aktuell bei 2,8 Billionen Euro. Das entspricht in etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung Frankreichs. Auf platz 14 kommt die Rabobank mit einer Anleihe von 4,75 Prozent Normalzins. Der Titel der Niederländer läuft bis zum 15. Juni 2018 und rentiert bei derzeit -0,0853134 Prozent. Das Volumen: 5.084.241.250 Dollar Quelle: REUTERS
Top 13: Commerzbank AGAuch die Anleihen des zweitgrößten Geldhauses der Bundesrepublik rentieren mit -0,1815399 Prozent negativ. Der Titel läuft bis zum 2. Juni 2019, hat einen Zinskupon von 4,375 Prozent und kommt damit auf ein Volumen von 2.101.800.000 Dollar. Quelle: REUTERS
Top 12: Caixa SADie Ausweitung der EZB-Anleihekäufe auf Schuldscheine europäischer Großkonzerne drückt deren Renditen immer tiefer. Inzwischen müssten Anleger bei 16 Prozent der Papiere dafür zahlen, den Firmen Geld leihen zu dürfen, teilte Tradeweb mit. Anfang Mai habe die Quote noch bei fünf Prozent gelegen. Anleihen der spanischen Bank CatalunyaCaixa kommen trotz eines Zinskupons von 4,25 Prozent auf eine Effektivverzinsung von -0,036232066 Prozent. Der Schein wird am 26. Januar 2017 fällig und hat ein Volumen von 2.507.600.000 Dollar. Quelle: REUTERS
Top 11: BNP Paribas SADer Französische Bankenriese verzinst seinen bis zum 27. Juni 2017 laufenden Bond mit 2,875 Prozent. Doch die Rendite ist auf -0,1012968 Prozent gefallen. Das Volumen: 1.559.362.500 Dollar. Quelle: REUTERS
Top 10: BMW Finance NVDer Langläufer der Bayern ist mit einem Normalzins von 3,25 Prozent ausgestattet und verfällt am 14. Januar 2019. Aktuelle Rendite: -0,0732932 Prozent. Der Ertrag beläuft sich auf 1.584.700.000 Dollar. Quelle: AP
Top 9: Berlin Hyp AGDie Deutsche Pfandbriefbank legte einen Bond auf mit einem Normalzins von 4,5 Prozent. Das Papier läuft bis zum 3. Mai 2019 und rentiert bei minus 0,1940956 Prozent. Der Ertrag beläuft sich auf 1.359.410.000 Dollar. Quelle: PR

Richtig ist auch, dass die Investitionen noch nicht angezogen haben, was die Aufgabe der expansiven Geldpolitik unmöglich machen könnt. Dazu müsste es allerdings tatsächlich möglich sein, mit Nullzinspolitik Investitionen zu stimulieren, was stark bezweifelt werden darf.

Damit kommen wir zum eigentlichen Problem. Der Anstieg der Ölpreise wird es den Haushaltspolitikern nicht leichter machen, Einnahmen zu steigern und Ausgaben zu senken. Vor diesem Hintergrund wäre die aktuelle Geldpolitik nötiger denn je, sollte es wirklich zum Anstieg des Rohölpreises kommen.

In diesem Zusammenhang könnte es sogar sein, dass die EZB ihre bisherige Argumentation der Deflation einfach ignoriert und stattdessen die Gefahren des gestiegenen Ölpreises für die Konjunktur in den Mittelpunkt der Argumentationskette rückt. Dann wäre es der EZB-Logik zufolge eher angebracht, die Geldpolitik noch weiter zu lockern.

Es wäre allerdings einigermaßen zynisch, wenn nach dem sinkenden Ölpreis nun der steigende Ölpreis Anlass für weitere Zinssenkungen bzw. Geldmengensteigerungen wäre. Wenn es dazu käme, sollte die Bank einfach die Kommunikation einstellen, denn spätestens dann hätte die EZB wohl jedwede Reputation verspielt. Ob es ihr noch etwas ausmacht, ist eine andere Frage.

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