Freytags-Frage

Warum können wir auf TTIP nicht verzichten?

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Was passiert, wenn TTIP scheitert

Die existierenden Investitionsschutzabkommen sehen die Streitschlichtung zumeist nicht bei nationalen Gerichten im Zielland der Investitionen, sondern bei Schiedsstellen (zumeist bei der Weltbank oder der Internationalen Handelskammer) vor. Die jeweiligen Panel bestehen aus drei Richtern, die von jeweils einer Partei (dem Staat oder dem Investor) und der Schiedsstelle vorgeschlagen werden und deren Urteil bindend ist; eine Berufung ist nicht möglich. Es gibt bisher eine recht geringe, aber in den letzten Jahren zunehmende Anzahl solcher Verfahren. Genaue Zahlen liegen nicht vor, man kann von etwas über 500 Verfahren seit Abschluss des ersten IPAs in den späten 1950ern ausgehen. Die meisten Kläger kamen aus Europa, und die Ergebnisse sind gemischt in dem Sinne, dass Investoren und Staaten unter den Gewinnern waren, mit leichten Vorteilen für Investoren.

Verfahren müssen weltweit vereinheitlicht werden

An diesem Prozedere stören sich viele Beobachter, zumal der Eindruck entstanden ist, dass sich gerade jüngst eine „Schiedsgericht-Industrie“ herausgebildet hat und viele Unternehmen damit begonnen haben, Töchter im Ausland zu gründen, um gezielt gegen Regierungen, darunter die eigene, zu klagen. Viele Indizien sprechen dafür, dass dieses Verfahren grundsätzlich nicht zeitgemäß ist und einer Reform bedarf. Die Europäische Kommission hat bereits einen alternativen Vorschlag für TTIP unterbreitet, der einen mehrstufigen Prozess mit Mediationsverfahren und einer zweistufigen Gerichtsbarkeit (Tribunal Court und Appeal Court) vorsieht. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Besser noch wäre es allerdings, die Verfahren weltweit zu vereinheitlichen und – zum Beispiel unter dem Dach der Welthandelsorganisation (WTO) – eine multilaterale Investitionsstreitbeilegungsinstitution nach dem Vorbild des sehr erfolgreichen Streitschlichtungsverfahrens in Fragen der Handelspolitik zu gründen. Dann gäbe es nur eine Regel, die dann von TTIP vorgegeben werden könnte.

Ein abschließendes Wort sei zu den möglichen Wirkungen transatlantischer Integration erlaubt. Die vorliegenden ökonometrischen Schätzungen der Effekte von TTIP auf Außenhandel, Beschäftigung und Wohlstand zeigen bis auf wenigen Ausnahmen - deren Methode der Öffentlichkeit aber nicht zur Verfügung gestellt wurde - durchgängig einen leichten Anstieg des Handels und der Beschäftigung beiderseits des Atlantiks. Für Drittstaaten ist der Effekt – wie bei jeder regionalen Integrationsmaßnahme – nicht klar; er hängt von der detaillierten Ausgestaltung ab.

Scheitert TTIP macht Asien in Zukunft die Standards

Bedeutsamer als die rein wirtschaftlichen Effekte sind die politischen Signale. TTIP kann, sofern entsprechend ausgestaltet, für einen Schub der weltweiten Integration schaffen. Es kann den „Goldstandard“ des Investitionsschutzes schaffen und dafür sorgen, dass europäische und amerikanische Produktstandards auch in Entwicklungsländern angewendet werden. Von der anderen Seite betrachtet, kann ein Scheitern von TTIP dazu führen, dass die weltweit vorherrschenden Standards zukünftig in Asien festgelegt werden und die Europäische Union in die Außenseiterrolle gedrängt wird. Das kann niemand wollen, der an einer gedeihlichen Zukunft des Kontinents interessiert ist. Das macht Kritik nicht überflüssig, spricht aber gegen Fundamentalopposition einerseits und gegen Überhöhung und Vereinfachung andererseits.



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