
Der Gipfel der 20 führenden Nationen der Welt (Group of Twenty, G20) am Wochenende wich erheblich von den Plänen der türkischen Gastgeber ab, die (1) mit nachhaltigem globalen Wachstum, (2) den drei I’s (Inklusion, Implementierung und Investitionen) sowie (3) der Rolle der kleinen und mittelständischen Unternehmen in den Entwicklungs- und Schwellenländern drei Schlüsselbotschaften geplant hatten. Weltwirtschaftlich betrachtet ist dies eine sinnvolle Agenda, die vor allem durch die Ereignisse der letzten Monate in den Hintergrund gerückt ist, aber ihre Bedeutung deshalb nicht verliert. Im Gegenteil, sie wird immer wichtiger.
Dies wird dann deutlich, wenn man sich die Ursachen für die Zunahme der fluchtbedingten Wanderungsbewegungen nach Europa und den grausamen Terrorattacken, die möglichen Zusammenhänge zwischen beiden Phänomenen sowie mögliche Ansätze zu beider Eindämmung zu vergegenwärtigen versucht.
Die Ursachen sind so vielfältig und kontrovers, dass es sehr schwerfällt, sie in einer kurzen Kolumne vernünftig zusammenzufassen. Für Terror wird vielfach die politische Stabilität und die wirtschaftliche Lage in den Ausgangsländern des Terrorismus (letzteres nicht notwendigerweise bei den Attentätern selber, die oft gebildet und der Mittelschicht entstammend sind). Beides ist auch Ursache für Wanderungsbewegungen, und sowohl derjenigen, die vor Bürgerkriegen und Gewalt fliehen, als auch derjenigen, die ein besseres leben anderswo suchen (oftmals aus Afrika oder dem Balkan). Wenn man diese Erklärungsversuche für relevant hält, spielen wirtschaftliche Aspekte eine bedeutende Rolle.





Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die Argumente zu entwirren und dabei auf einer sachliche Diskussionsgrundlage, die weder einer naiven Befürwortung einer unkonditionierten Willkommenskultur noch einer Schließung der Grenzen für alle das Wort Argumente liefert, Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren.
Zunächst muss konstatiert werden, dass der auf dem Flüchtlingsgipfel Europas und Afrikas in Malta im Grundsatz beschlossene Weg, den afrikanischen Ländern dabei zu helfen, die Emigration junger Menschen, die in Europa Einkommen erzielen und Teile davon an ihre Verwandten in Afrika überweisen wollen, einzudämmen, richtig ist. Diese Übertragungen sind durchaus substantiell, allerdings finden nicht alle Afrikaner in Europa gutbezahlte legale Arbeitsplätze. Außerdem ist davon auszugehen, dass diese Menschen im Prinzip – bei funktionsfähigen Arbeitsmärkten in ihrer Heimat wichtiger sind, weil vermutlich nur gut ausgebildete oder dynamische Menschen die lange Wanderung auf sich nehmen.
Letzteres spricht übrigens in manchen Fällen (z.B. Zimbabwe) für die Vermutung, dass nicht alle Regierungen traurig über den Exodus sind, weil die Flüchtlinge ein erhebliches Oppositionspotential bilden. Dann wären weitere milliardenschwere Entwicklungshilfezahlungen kontraproduktiv: Ein korruptes, despotisches Regime würde gestärkt, ohne dass weniger Menschen dieses Land verlassen.
Das bedeuten die Anschläge in Paris für Deutschland
Die Bundespolizei schickt verstärkt Einsatzkräfte an die Grenze zu Frankreich, intensiviert Streifen an Flughäfen und Bahnhöfen. Die Polizisten patrouillieren dort mit Schutzwesten und schweren Waffen. Verbindungen von und nach Frankreich werden besonders in den Blick genommen.
Nach einem Anschlag in einem Nachbarland setzt sich bei Polizei und Geheimdiensten in Deutschland hinter den Kulissen automatisch eine Maschinerie in Gang: Die Behörden checken, ob es mögliche Verbindungen und Kontakte der Täter nach Deutschland gibt. Sie sprechen dazu mit den V-Leuten in der Islamisten-Szene, durchforsten Foren und Netzwerke im Internet. Und sie überwachen besonders die islamistischen „Gefährder“ - also jene, denen sie einen Terrorakt zutrauen. Aber auch Rechtsextremisten, die auf die Anschläge reagieren könnten, stehen unter besonderer Beobachtung.
Belastbare Erkenntnisse dazu gab es zunächst nicht, aber einen ersten Verdacht: In Oberbayern wurde am Donnerstag vor einer Woche auf der Autobahn zwischen Salzburg und München ein Autofahrer angehalten und kontrolliert. Schleierfahnder der Polizei entdeckten im Kleinwagen des 51-Jährigen unter anderem mehrere Kalaschnikow-Gewehre, Handgranaten sowie 200 Gramm TNT-Sprengstoff. „Es gibt einen Bezug nach Frankreich, aber es steht nicht fest, ob es einen Bezug zu diesem Anschlag gibt“, sagt de Maizière. Auf dem Navigationsgerät des Mannes habe man eine Adresse in Paris gefunden. Ob das einen Zusammenhang zur Anschlagsserie bedeute, sei noch unklar. Der Verdächtige, der aus Montenegro stammt, sitzt in Untersuchungshaft.
Als Reaktion auf die Terroranschläge in Paris werden in Deutschland die Sicherheitsmaßnahmen hochgefahren. Es werde in den nächsten Tagen eine für die Bürger sichtlich erhöhte Polizeipräsenz geben, kündigte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am Samstagabend (14. November) in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner Spezial“ an. „Die Polizei, die man sieht, wird auch etwas anders aussehen als bisher. Die Ausrüstung wird eine andere sein.“ Zugleich werde zusammen mit den Nachrichtendiensten die Beobachtung islamistischer Gefährder intensiviert.
Bislang gingen bei Polizei und Geheimdiensten etwa 100 Hinweise auf mögliche Terroristen ein, die auf diesem Weg ins Land gekommen sein sollen. Davon habe sich der Verdacht bisher aber in keinem einzigen Fall bestätigt, heißt es aus Sicherheitskreisen. „Aber man darf den IS nicht unterschätzen“, meint der Terrorexperte Rolf Tophoven. „Die Gefahr ist nicht auszuschließen. Unsere Sicherheitsbehörden können nicht jeden kontrollieren.“
Nach Einschätzung von Fachleuten dürften Terroristen eher auf anderem Weg versuchen, nach Deutschland zu kommen - etwa mit gefälschten Papieren im Flieger. Polizei und Geheimdienste beobachten allerdings, dass Islamisten versuchen, junge Flüchtlinge, die schon in Deutschland sind, zu rekrutieren. Generell gilt aber: Attentäter müssen nicht unbedingt von außen ins Land gebracht werden. Es gibt viele Fanatiker, die sich im Inland radikalisiert haben.
Mehr als 43.000 Menschen gehören insgesamt dazu. Die Szene ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen - vor allem durch den starken Zulauf bei den Salafisten, einer besonders konservativen Strömung des Islam. Rund 7900 Salafisten gibt es inzwischen. Polizei und Geheimdienste stufen viele Islamisten als gefährlich ein: Etwa 1000 Menschen werden dem islamistisch-terroristischen Spektrum zugeordnet. Darunter sind 420 „Gefährder“.
Zum Teil sind auch Rückkehrer aus Dschihad-Gebieten darunter. Diese machen den Sicherheitsbehörden große Sorgen, weil viele radikalisiert und kampferprobt zurückkommen. Von den mehr als 750 Islamisten aus Deutschland, die bislang Richtung Syrien und Irak ausgereist sind, ist ein Drittel wieder zurück - also rund 250 Leute. Etwa 70 davon haben Kampferfahrung gesammelt.
Die beste Hilfe ist ohnehin nicht die klassische Entwicklungshilfe, sondern die Öffnung der Märkte für die Produkte Afrikas bzw. der betroffenen arabischen Staaten sowie die Einbeziehung der Länder (und damit der Menschen) in die transnationalen Wertschöpfungsketten, also Investitionen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Handel und Integration dauerhaft friedensstiftend sind. Europa selber ist das beste Beispiel.