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Freytags-Frage

Wie hängen Wohlstand, Terror und Flucht zusammen?

In Zeiten des Terrors darf sich der Westen nicht abschotten. Im Gegenteil: Nur wenn wir den Nahen Osten wirtschaftlich und politisch integrieren, können wir gegen die Ideologie des IS gewinnen. Eine Kolumne.

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Weltweit war die Anteilnahme mit den Opfern des Terroranschlags in Paris groß. Quelle: dpa

Der Gipfel der 20 führenden Nationen der Welt (Group of Twenty, G20) am Wochenende wich erheblich von den Plänen der türkischen Gastgeber ab, die (1) mit nachhaltigem globalen Wachstum, (2) den drei I’s (Inklusion, Implementierung und Investitionen) sowie (3) der Rolle der kleinen und mittelständischen Unternehmen in den Entwicklungs- und Schwellenländern drei Schlüsselbotschaften geplant hatten. Weltwirtschaftlich betrachtet ist dies eine sinnvolle Agenda, die vor allem durch die Ereignisse der letzten Monate in den Hintergrund gerückt ist, aber ihre Bedeutung deshalb nicht verliert. Im Gegenteil, sie wird immer wichtiger.

Dies wird dann deutlich, wenn man sich die Ursachen für die Zunahme der fluchtbedingten Wanderungsbewegungen nach Europa und den grausamen Terrorattacken, die möglichen Zusammenhänge zwischen beiden Phänomenen sowie mögliche Ansätze zu beider Eindämmung zu vergegenwärtigen versucht.

Die Ursachen sind so vielfältig und kontrovers, dass es sehr schwerfällt, sie in einer kurzen Kolumne vernünftig zusammenzufassen. Für Terror wird vielfach die politische Stabilität und die wirtschaftliche Lage in den Ausgangsländern des Terrorismus (letzteres nicht notwendigerweise bei den Attentätern selber, die oft gebildet und der Mittelschicht entstammend sind). Beides ist auch Ursache für Wanderungsbewegungen, und sowohl derjenigen, die vor Bürgerkriegen und Gewalt fliehen, als auch derjenigen, die ein besseres leben anderswo suchen (oftmals aus Afrika oder dem Balkan). Wenn man diese Erklärungsversuche für relevant hält, spielen wirtschaftliche Aspekte eine bedeutende Rolle.

"Frankreich hat zur Expansion des Terrorismus beigetragen"
Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras hat die Terroranschläge von Paris als „Barbarei“ verurteilt. „Wir vereinigen alle unsere Kräfte und stärken die Solidarität mit dem französischen Volk“, sagte Tsipras am Samstag in einer Fernsehansprache an das griechische Volk. „Es ist unser aller Pflicht, die Werte des Humanismus und der Freiheit zu beschützen.“ Europa werde „ein Land der Freiheit und der Demokratie bleiben“, fügte Tsipras hinzu. Quelle: AP
Der syrische Machthaber Baschar al-Assad hat den Westen für die Ausbreitung des Terrors mitverantwortlich gemacht. Die Terrorangriffe seien untrennbar damit verbunden, was seit fünf Jahren in Syrien passiere, sagte Assad der amtlichen Nachrichtenagentur SANA zufolge am Samstag bei einem Treffen mit einer Delegation französischer Politiker und Medienvertreter. „Die fehlgeleitete Politik der westlichen Staaten, vor allem Frankreichs (...) haben zur Expansion des Terrorismus beigetragen“, sagte Assad. Quelle: AP
Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: AP
Bundespräsident Joachim Gauck sagte, die Trauer macht am Rhein nicht halt. „Aus unserem Zorn über die Mörder müssen Entschlossenheit und Verteidigungsbereitschaft werden. Auch dabei stehen wir an der Seite der Franzosen.“ Er betonte: „Die Terroristen werden nicht das letzte Wort haben.“ Quelle: dpa
Nach den Anschlägen in Paris hat der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy dem Terrorismus den Kampf angesagt. „Sie können uns Schaden zufügen, sie werden uns aber nicht besiegen“, sagte der konservative Regierungschef in einer Rede in Madrid. Mit fester Stimme fügte Rajoy im Regierungspalast Moncloa an: „Heute sind wir alle Frankreich!“  Quelle: dpa
Frankreichs Präsident Francois Hollande Quelle: AP
US-Präsident Barack Obama Quelle: REUTERS

Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die Argumente zu entwirren und dabei auf einer sachliche Diskussionsgrundlage, die weder einer naiven Befürwortung einer unkonditionierten Willkommenskultur noch einer Schließung der Grenzen für alle das Wort Argumente liefert, Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren.

  • Zunächst muss konstatiert werden, dass der auf dem Flüchtlingsgipfel Europas und Afrikas in Malta im Grundsatz beschlossene Weg, den afrikanischen Ländern dabei zu helfen, die Emigration junger Menschen, die in Europa Einkommen erzielen und Teile davon an ihre Verwandten in Afrika überweisen wollen, einzudämmen, richtig ist. Diese Übertragungen sind durchaus substantiell, allerdings finden nicht alle Afrikaner in Europa gutbezahlte legale Arbeitsplätze. Außerdem ist davon auszugehen, dass diese Menschen im Prinzip – bei funktionsfähigen Arbeitsmärkten in ihrer Heimat wichtiger sind, weil vermutlich nur gut ausgebildete oder dynamische Menschen die lange Wanderung auf sich nehmen.   

    Letzteres spricht übrigens in manchen Fällen (z.B. Zimbabwe) für die Vermutung, dass nicht alle Regierungen traurig über den Exodus sind, weil die Flüchtlinge ein erhebliches Oppositionspotential bilden. Dann wären weitere milliardenschwere Entwicklungshilfezahlungen kontraproduktiv: Ein korruptes, despotisches Regime würde gestärkt, ohne dass weniger Menschen dieses Land verlassen.

Das bedeuten die Anschläge in Paris für Deutschland

  • Die beste Hilfe ist ohnehin nicht die klassische Entwicklungshilfe, sondern die Öffnung der Märkte für die Produkte Afrikas bzw. der betroffenen arabischen Staaten sowie die Einbeziehung der Länder (und damit der Menschen) in die transnationalen Wertschöpfungsketten, also Investitionen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Handel und Integration dauerhaft friedensstiftend sind. Europa selber ist das beste Beispiel.

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