




In der vergangenen Woche sind in dieser Kolumne die Ursachen für die gegenwärtige Krise der Europäischen Union (EU) diskutiert worden. Es scheinen vor allem die Unterschiede innerhalb der EU und deren fehlende Berücksichtigung im Integrationsprozess zu sein, die die EU unter Druck setzen. Darüber hinaus stören sich einige Beobachter daran, dass die Europäische Kommission sich die Harmonisierung zahlreicher Politikbereiche zum Ziel zu setzen scheint, ohne die nationalen Eigenheiten in den Blick zu nehmen. Deshalb ist ein Umdenken nötig. Anstatt wie bisher auf jedes Problem geradezu reflexhaft mit einem „Weiter so!“ oder „Mehr Europa!“ zu reagieren, sollte genau das Gegenteil geschehen.
Im Zentrum der Veränderungen muss zunächst die Möglichkeit stehen, den einmal erreichten Stand der Integration nicht nur vertiefen zu müssen, sondern ihn gegebenenfalls auch zurückdrehen zu können. Es ist keineswegs eine Schande oder das Ende der EU, wenn ein Land die Währungsunion verlässt oder wenn bestimmte zentrale Regulierungen aufgehoben werden. Das Gegenteil ist der Fall: Fehlentwicklungen zu beenden, ist ein Zeichen von Stärke und Entschlossenheit.
Des Weiteren ist die Frage zu erörtern, ob es wirklich nötig ist, dass alle Mitgliedsländer den kompletten Besitzstand der EU übernehmen - oder ob es nicht viel besser ist, eine Integration der mehreren Geschwindigkeiten vorzunehmen. Je mehr Länder der EU angehören, desto heterogener ist der Klub und desto weniger gemeinsame Regeln sind erfolgreich anwendbar.
Die alte Europäische Wirtschaftsgemeinschaft der Sechs (EWG) ist relativ homogen, aber auch nur relativ: Man denke zum Beispiel an die französische Vorliebe für Staatsunternehmen im Gegensatz zum deutschen Mittelstand. In einem homogenen Klub kann man viele Regeln harmonisieren. Dennoch war die EWG vor allem eine Zollunion. Diese Art der Harmonisierung wird immer schwieriger, wenn die Länder sich hinsichtlich Einkommen, Wirtschaftspolitik und Korruption, um die wichtigsten Faktoren zu nennen, stark unterscheiden.
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Man sollte den Mitgliedsländern also erstens mehr Wahlrechte einräumen. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Währungsunion (EWU) sollte freiwillig und nicht automatisch sein. Beitreten kann (muss aber nicht), wer die Maastricht-Kriterien erfüllt.Austritte aus der EWU sollten möglich sein. Dafür bedarf es klarer Regeln, die schnellstmöglich formuliert werden sollten. Die immer noch nicht beendete Eurokrise legt dies unbedingt nahe. Ansonsten droht die EWU zu explodieren.
Wenn ein Land Regeln jenseits des Europäischen Binnenmarktes (Fiskalunion, Bankenunion, Freizügigkeit zwischen den Sozialsystemen) nicht will, sollte es davon befreit werden. Der Europäische Besitzstand sollte nicht länger zur Pflicht gemacht werden. Mit anderen Worten: Es sollte eine Integration á la carte geben dürfen.