In Europa gärt es gewaltig. Nahezu überall gibt es schlechte Nachrichten – und das nicht nur in den Mitgliedsländern, dort aber natürlich ganz besonders: In Österreich wird ein nationalistischer Präsident nur knapp verhindert.
In Italien verliert der Ministerpräsident ein Referendum zur Frage der politischen Entscheidungsfindung ziemlich klar. In Großbritannien scheint das Management des Brexits sehr chaotisch zu verlaufen, und die anderen Mitgliedsländer drohen den Briten ganz unverhohlen – wer die Segnungen Europas nicht schätzt, wird bestraft, so die implizite Nachricht. Als ob man die Europäische Union (EU) so den Menschen schmackhaft machen könnte.
Aber auch die europäischen Institutionen wie die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) wirken nicht sehr souverän. Die Kommission zeigt sich ausgerechnet bei der Frage der Einhaltung der Abgaswerte unnachgiebig gegen die Bundesregierung und sechs andere Regierungen; würde sie doch bei der Frage der Einhaltung der Kriterien des Stabilitätsmechanismus auch solche Strenge an den Tag legen!
Die Unzufriedenheit mit Europa wäre wohl kleiner. Ein Musterbeispiel dafür, wie man taktische Fehler machen kann. Obwohl es natürlich korrekt ist, die Mitglieder an ihre Pflichten zu erinnern, ist es ein Fehler, das im deutschen Fall gerade jetzt zu tun und die Verfehlung der Defizitgrenzen als eine Kleinigkeit zu betrachten.
Das führt uns zur Geldpolitik. Die EZB hat ihr Ankaufsprogramm für Staatsanleihen bis Ende 2017 verlängert, aber dafür die Summen ab April reduziert. Damit sie überhaupt noch Staatsanleihen findet, die sie noch nicht besitzt, hat sich die minimale Laufzeit von drei auf zwei Jahre reduziert. Bei der Pressekonferenz sah sich Mario Draghi genötigt zu betonen, dass er nicht als Italiener handelt. Glaubt er das selber?
Hans-Werner Sinn hat jüngst gezeigt, dass dieses Ankaufprogramm nicht nur die Zentralbankbilanz, die Vermögenspreise und die Bargeldbestände der Banken aufbläht, sondern auch dazu geführt hat, dass die Target2-Salden der Zentralbanken südlichen Mitgliedsländer wieder auf rund -800 Milliarden (Stand Oktober) gestiegen sind; die Kreditgeber sind die niederländische Zentralbank (mit 100 Mrd. Euro) und die Bundesbank (700 Mrd. Euro). Dieser Kredit hat weder ein Fälligkeitsdatum noch einen Kupon. Er birgt nur das Risiko einer nicht durch die europäischen Verträge gedeckten Umverteilung vom Norden in den Süden.
Insgesamt trägt diese als Geldpolitik getarnte Fiskal- und Umverteilungspolitik einen zerstörerischen Kern in sich, denn es werden sowohl die relativen Preise auf den Finanzmärkten durcheinandergewirbelt (mit der Folge krasser Fehlallokationen auf den Vermögensmärkten) als auch die Wirtschaftsordnung insgesamt ausgehöhlt. Für das Budget brauchen die Staaten bald gar keinen parlamentarischen Prozess mehr, sie rufen bloß noch in Frankfurt an. Das Ausgabeverhalten dürfte derart noch etwas unberechenbarer werden. Banken verdienen bald kein Geld mehr und können deshalb keine riskanten Investitionen (zumeist) junger Unternehmen finanzieren – Zombie-Staaten, Zombie-Banken und Zombie-Unternehmen sind die Folge. Die Wirtschaft stagniert in einer solchen Welt dauerhaft, die Jugendarbeitslosigkeit bleibt im Süden hoch, und die Unzufriedenheit der Menschen wächst.