Freytags-Frage
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht bei einer Pressekonferenz über den New Green Deal. Quelle: dpa

Wie viel Geld soll die Europäische Union wofür ausgeben?

Bei den Verhandlungen um das kommende 7-Jahres-Budget der Europäischen Union gibt es zwei neue Schwerpunkte: den New Green Deal und eine Digitalstrategie. Beide tragen ein hohes Ausgabepotential in sich.

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Alle sieben Jahre durchläuft die Europäische Union (EU) einen zähen Prozess, nämlich die Verhandlungen für das kommende 7-Jahres-Budget. Bis Ende diesen Jahres ist das Budget der EU gesichert, für den Zeitraum von 2021 bis 2027 laufen die Verhandlungen; sie laufen schon recht lange – ebenso ergebnislos. Auf dem EU-Gipfel an diesem Wochenende wird es deswegen wieder heftige Diskussionen geben. Der Europäische Ratspräsident Charles Michel hat gerade einen Vorschlag vorgelegt, er will etwa 1,074 Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts ausgeben, dies entspricht der Summe von 1,094 Billionen Euro. Dies ist weniger als die Europäische Kommission und das Europäische Parlament gefordert hatten. Es ist aber mehr, als Deutsche und anderer Nettozahler leisten wollen.

Diese Verhandlungen zum Budget kreisen traditionell um zwei Typen von Fragen, die allerdings nicht unabhängig voneinander betrachtet werden dürfen. Es geht um die Höhe der Ausgaben und um deren Struktur. Gerade hat die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre Prioritäten deutlich gesetzt – darunter ein New Green Deal und eine Digitalstrategie. Damit dürften auch die Ausgabeprioritäten der Kommission gesetzt sein.

Denn diese beiden neuen Schwerpunkte tragen jeweils ein hohes Ausgabepotential in sich; beides – Klimaschutz und Digitalisierung – ist teuer. Da würde man erwarten, dass der Rat in Abstimmung mit der Kommission im Haushaltsentwurf entsprechende Kürzungen vorsieht – denkbare Kandidaten sind die Landwirtschaft und die Regionalförderung. Wer den Klimaschutz ernsthaft betreiben möchte, kann sicherlich nur dann glaubwürdig sein, wenn bisherige umweltunfreundliche Schwerpunkte (wie die konventionelle Landwirtschaft) ein wenig abgespeckt werden und dafür klimafreundliche landwirtschaftliche Aktivitäten fördern. Regionalförderung hat nur selten tatsächlich Früchte getragen; oftmals wurde der Rückstand nur zementiert. Nicht jede neue Straße hat zudem Flaschenhälse beseitigt. Hier etwas abzuspecken, kann im Grunde nur nützlich sein.

Leider scheint den Ratspräsidenten hier der Mut verlassen zu haben. Die vorgesehenen Zahlungen für die Landwirte bleiben gewohnt hoch; der Einfluss der starken Agrarlobby aus Frankreich und Deutschland scheint übermächtig. Auch bleiben die Ausgaben für Strukturförderung weiterhin hoch – insgesamt sind wieder rund zwei Drittel des geplanten Budgets für Regionalpolitik und die Landwirtschaft reserviert.

Dies ist unmodern und schreibt die Fehler der Vergangenheit fort. Es müsste deutlich weniger in die alten Strukturen und deutlich mehr Geld für Klimaschutz (also Innovationen) und Außenpolitik (einschließlich Grenzsicherung) gesteckt werden. Richtig ist natürlich, dass Klimaschutz nicht die Förderung von potentiell umweltfreundlichen Technologien mit der Gießkanne bedeuten sollte – es kann nur darum gehen, Anreize zu setzen. Der wesentliche Aspekt des New Green Deal sollte die Bepreisung von Treibhausgasen sein – Anpassungen daran kann man dann punktuell und übergangsweise fördern.

Hinsichtlich der Ausgabenhöhe könnten die Interessenlagen ebenfalls nicht unterschiedlicher sein. Nachdem mit Großbritannien ein Nettozahler (mit hohen Rabatten) ausgeschieden ist, droht den Deutschen nun ein kräftiger Mehraufwand. Sie wie einige wohlhabende Nettozahler – von denen die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark als die „Sparsamen Vier“ noch zugeknöpfter als die Deutschen wirken – müssen sich gegen die Ansprüche anderer Nationen (unter anderem 17 „Freunden der Kohäsion“) und des Europäischen Parlaments wehren, die Ausgaben weiter zu steigern. Dabei stellen die anderen Nationen den deutschen Rabatt wie auch denjenigen der anderen Nettozahler grundsätzlich in Frage.

von Mario Brück, Henryk Hielscher, Christian Schlesiger

Für die Deutschen bieten sich nun zwei Angriffspunkte, ihre Interessen durchzusetzen. Entweder sie geben im Bereich der Landwirtschaft und der Strukturförderung nach und sind mit weniger Mitteln für die deutschen (und damit auch beispielsweise die französischen) Bauern zufrieden – dann könnte man vielleicht die Summe des Gesamtbudgets senken. Das würde den Strukturwandel in der Landwirtschaft genauso befördern wie die Anpassungsfähigkeit der strukturschwachen Regionen, die nun mehr Eigenverantwortung an den Tag legen müssten. Das eine CDU-Kanzlerin (so sozialdemokratisch sie auch sein mag), dies tun würde, ist kaum vorstellbar – es wäre aber eine sehr zeitgemäße und glaubwürdige Wendung.

Die alternative Strategie wäre es, weiterhin hohe Subventionen für traditionelle landwirtschaftliche Strukturen und hohe Rückflüsse in die deutschen strukturschwachen Gebiete zu verlangen – wodurch vermutlich auch deren Hilfsbedürftigkeit für viele Jahrzehnte gesichert wäre. Diese Strategie ist sehr wahrscheinlich und würde die Modernisierung der EU blockieren.

Deshalb wäre es wünschenswert, wenn die „Sparsamen Vier“ sich gegen die 17 „Freunde der Kohäsion“, also der ausgabefreundlichen Ländern, die das Geld anderer Länder Steuerzahler gerne ausgegeben sähen, und die von der Landwirtschaft getriebenen Deutschen durchsetzen beziehungsweise die deutsche Regierung davon überzeugen, dass ein modernes Budget nötig ist – sparsam und mit Kürzungen an den richtigen Stellen, aber gleichzeitig mit sinnvollen Ausgabesteigerungen für die Zukunft. Europa braucht in der Tat den Fokus auf Sicherheit, Digitales und Klima – nicht mehr auf Landwirtschaft und Strukturpolitik alten Stils.

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