Gleichzeitig wissen alle Beteiligten nur zu gut, dass es ohne fiskalische Disziplin überhaupt keinen ernsthaften Anreiz zu Reformen gibt. Das heißt: Die mit neuen Schulden gekaufte Zeit wird verschwendet. Ohne Reformen gibt es keine Investitionsanreize, ohne Investitionen gibt es keinen Aufschwung, ohne Aufschwung wird es auch im nächsten Jahr neue Schulden geben müssen.
Wahrscheinlich setzen die Regierungen der Problemländer Frankreich, Italien und einige andere darauf, dass die fiskalische Klemme irgendwann automatisch zu einer Fiskal- beziehungsweise Schuldenunion führt und sich die heimischen Probleme dadurch externalisieren lassen – die Steuerzahler der weniger verschuldeten und damit bedrängten Länder zahlen einfach mit, ohne dass die französische und italienische Regierung sich ernsthaft mit ihren Gewerkschaften anlegen müssen, ganz so als ob das die Lösung des Problems wäre.
Natürlich wissen die Regierungen in Rom, Paris und Berlin ganz genau, dass dies keine Lösung ist. Am Ende wären die Probleme nur ein wenig anders verteilt, und die französische Regierung hätte einen politischen Erfolg gegen das „Spardiktat“ oder das „Verschuldungsreduzierungsdiktat“ aus Berlin erzielt. Eine Wahlperiode wäre wahrscheinlich gesichert. Danach sähe es vermutlich noch schlimmer aus, nur dieses Mal auch in Deutschland.
Anders seht man die Schuldenunion in Berlin, Solidarität hin oder her. Damit ist das Dilemma der Bundesregierung angesprochen. Sie kann einer Schuldenunion nicht zustimmen, weil sie damit rechnen muss, dass die Wähler sich noch stärker als bisher der AfD zuwenden würden. Diese hätte nämlich dann Recht behalten mit der These, dass die Eurozone für Deutschland ein Vabanquespiel sei. Das kann die Bundesregierung nicht zulassen, was wiederum in Rom und Paris mit Sicherheit kein Geheimnis ist.
So bleibt nur, weiterhin auf Pump zu konsumieren und der Europäischen Zentralbank die undankbare Aufgabe zuzuschieben, diesen Pump zu finanzieren, entweder direkt, was sie bislang noch vermeiden konnte, oder indirekt über die Banken (die sich von jetzt an ja angenehmerweise selber reguliert). Zombie-Banken finanzieren Zombie-Staaten!
So wie es jetzt aussieht, ist der Fiskalpakt nicht das Papier wert, auf dem er gedruckt wird. Er wird vermutlich auch in Zukunft nicht durchgesetzt werden. Stattdessen dürfte das Elend weitergehen. Strukturwandel würde so unterdrückt werden, und die Hälfte der Alterskohorte zwischen 15 und 35 würde ohne Aussicht auf eine angemessene Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben aufwachsen.
Die Europäische Kommission und die Bundesregierung werden vermutlich gezwungen sein, dieses Spiel noch eine Weile mitzuspielen. Oder sie riskieren doch den Konflikt und versuchen, geltendes Recht durchzusetzen. Die nächste Generation würde es Ihnen danken.