Freytags-Frage
Gebäude der Federal Reserve in Washington. Quelle: imago images

Ist die Unabhängigkeit der Zentralbanken in Gefahr?

US-Präsident Trump hat erneut die US-Notenbank Fed scharf attackiert. Auch in Schwellenländern wie der Türkei steigt der politische Druck. Ist die Unabhängigkeit der Zentralbanken dauerhaft gesichert?

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Vor über 20 Jahren hielt Willem Buiter, damals Mitglied des Monetary Policy Committees der Bank of England, einen Vortrag an der London School of Economics, in der er spöttisch anmerkte, dass den Deutschen nur ihre Nationalmannschaft und die Bundesbank heilig seien.

Damals war die Debatte um die Zukunft der europäischen Geldpolitik in vollem Gange – Skeptiker und Optimisten der Europäisierung der Geldpolitik stritten heftig über die Zukunft. Einig waren sie sich darin, dass die Notenbanken sowohl der Nationalstaaten als auch der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWU) unabhängig vom politischen Prozess zu sein hätten. Unter Unabhängigkeit wird dabei ausschließlich die selbständige Wahl der Instrumente für die Erreichung eines politisch vorgegebenen Ziels verstanden.

Dahinter steht einer der größten Erfolge ökonomischer Forschung, nämlich die Analyse der Regelbindung in der Geldpolitik. Basierend auf der mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Arbeit “Rules Rather than Discretion„ von Finn Kydland und Edward Prescott aus dem Jahre 1977 hat sich eine breite Forschung entwickelt, die die herausragende Rolle der Unabhängigkeit der Zentralbanken von der Tagespolitik für die Preisniveaustabilität zeigen konnte. Als wichtige Elemente der Unabhängigkeit wurden die Festlegung auf das Hauptziel Preisniveaustabilität sowie das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Zentralbank identifiziert. Dabei wurden verschiedene Indikatoren der Zentralbankunabhängigkeit entwickelt, die unter anderem zeigten, dass die Bundesbank per Gesetz immer besonders unabhängig von der deutschen Tagespolitik war. Nicht zuletzt deshalb war die Bundesbank so erfolgreich in der Inflationsbekämpfung. Folgerichtig ist das Ansehen der Bundesbank in der Bevölkerung bis heute sehr hoch. Buiter hat zumindest zur Hälfte Recht.

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Aber auch in anderen Ländern hat diese Forschung Effekte erzielt. Nach und nach haben immer mehr Länder ihren Zentralbanken steigende Unabhängigkeit von der Tagespolitik eingeräumt; dies schließt auch in der Realität vieler Länder, so auch der Eurozone, das Verbot der Finanzierung der Staatsausgaben durch die Notenbank ein. Als Ergebnis des Maastricht-Vertrages haben zum Beispiel sämtliche Gründungsmitglieder der EWU ihre Notenbanken gesetzlich unabhängig gemacht. Im Jahre 1997 wurde die Bank of England, die bis dahin faktisch eine Abteilung des Finanzministeriums war, ebenfalls unabhängig. Auch in anderen Ländern sind Zentralbanken und damit die geldpolitische Regelbindung gestärkt worden. Als Konsequenz daraus ist seit den frühen Neunzigerjahren weltweit die Inflation gesunken, und Regierungen nahmen immer seltener Rückgriff auf die Notenpresse, um ihre Staatsausgaben zu finanzieren. Dies ist – wie eingangs gesagt – ein großer Erfolg der Wissenschaft.

Die Zentralbanken sind spätestens seitdem die politischen Instanzen mit der höchsten Glaubwürdigkeit geworden. Weltweit haben sie einen sehr guten Ruf erworben. In politischen Kreisen kam das nicht immer gut an. Viele Parlamentarier haben regelmäßig ein Demokratiedefizit derartig „technokratischer“ Akteure beklagt. Dies ist aber falsch, da die Unabhängigkeit der meisten Zentralbanken per Gesetz wieder beendet werden könnte, aus guten Gründen aber nicht wurde. Selbst die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich in Deutschland einen guten Ruf erworben, konnte sie doch die Inflation in der Eurozone sogar im Durchschnitt unter den Raten der Bundesbank halten.

Seit der Finanzkrise 2008 hat sich dieser Trend leicht geändert. Nicht nur die amerikanische Federal Reserve (Fed), sondern auch europäische Notenbanken, allen voran die EZB und die Bank of England, haben wieder damit begonnen, Staatshaushalte zu finanzieren. Dabei hat insbesondere die EZB immer argumentiert, dass sie das Verbot der Staatsfinanzierung nicht bricht, da sie nur auf dem Sekundärmarkt tätig wird. Sie reklamiert, reine Geldpolitik zu betreiben. Das ist für viele Beobachter wenig überzeugend, denn die stark gestiegene Basisgeldmenge in Verbindung mit niedrigen Zinsen haben keinen Investitionsboom erzeugt (außer auf dem Immobilien- und Aktienmarkt) und auch die Reformbereitschaft der von hohen Zinszahlungen befreiten Regierungen in Italien und anderswo nicht angeheizt.

Und während die Fed die Zinsen seit Längerem schrittweise erhöht, was ihr in der Tonlage ungewohnte, in der Sache aber durchaus in vielen Ländern vorher erlebte Kritik des amerikanischen Präsidenten eintrug, tut die EZB nichts, um die Verzerrungen auf den Kreditmärkten zu beseitigen. Die Folgen für die Wirtschaftsordnung und Alterssicherung in der Eurozone sind noch nicht abzusehen.

Das führt zur Frage, wie es um die Unabhängigkeit der EZB und vielleicht auch anderer Zentralbanken bestellt ist. Ist sie dauerhaft gesichert? Ist die EZB überhaupt noch unabhängig? Oder beugt sie sich dem Druck der Finanzminister (einschließlich des deutschen Ministers)? Für diese Sicht spricht einiges, denn angesichts der geringen – vor allem politischen – Wirksamkeit der Geldpolitik kann man sich nicht vorstellen, dass eine starke Zentralbank an dieser Politik festhielte.
In den Vereinigten Staaten könnte der Zentralbank Unheil drohen. Präsident Trump hat schon einmal laut nachgedacht, den von ihm installierten Notenbankchef Powell zu feuern; er hätte ihn wohl falsch eingeschätzt. Auch in Schwellenländern scheint der Druck auf Zentralbanken zu steigen; man denke nur an die Türkei.

Prominente Ökonomen wie zum Beispiel Joachim Fels bezweifeln seit Langem, dass die Unabhängigkeit der Zentralbanken ein dauerhaftes Phänomen ist. Hätte Fels Recht, dann stellte sich die Folgefrage, ob die Zeiten niedriger Inflation und stabilere Ökonomien dann auch vorbei wären. Oder sind Regierungen so viel klüger als früher und widerstehen der Versuchung, die Geldpolitik für den Schuldendienst zu missbrauchen? Dafür spricht nicht viel! Auch heutzutage gibt es genug Anschauungsmaterial: Venezuela, Zimbabwe und die Türkei sind Belege, dass Regierungen, die in der Not Zugriff auf die Notenpresse haben, diesen auch nutzen.

Deshalb muss es das Bestreben aller moderaten und rationalen politischen Akteure sein, die Erfolgsgeschichte unabhängiger Zentralbanken fortzuschreiben. Galoppierende Inflation ist wachstumsfeindlich, sozial höchst ungerecht und erzeugt gesellschaftliches Chaos. Nur wenn Zentralbanken sich vornehmlich um Inflationsbekämpfung zu kümmern haben, kann Inflation verhindert werden.

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