




Die rechtsextreme Partei Front National hat ihren Gründer Jean-Marie Le Pen wegen dessen wiederholten antisemitischen Äußerungen zur unerwünschten Person erklärt. Seine Mitgliedschaft werde ausgesetzt, entschied das Disziplinargericht der Partei am Montag. Zudem steht Le Pens Status als Ehrenpräsident auf Lebenszeit auf der Kippe. Der Front National stärkte damit in der Familienfehde Parteichefin Marine Le Pen, die ihrem Vater in dem Amt nachgefolgt war.
Wie radikal ist der Front National?
Parteiführerin Marine Le Pen versucht ihre Partei zu "entdiabolisieren" und für alle Franzosen wählbar zu machen. Deswegen verwehrt sie sich dagegen, radikal oder ausländerfeindlich genannt zu werden. Sie kündigte rechtliche Schritte gegen all jene an, die die Partei rechtsextrem nennen. Ihre Partei "sei weder rechts, noch links".
Der Front National nennt sich selbst "patriotisch" und "national". Man wolle die "französische Identität, Tradition und Souveränität" wahren. So sollen Franzosen in ihrem Heimatland generell bevorzugt werden. Das Motto – und ein Buchtitel des ehemaligen FN-Chefs Jean-Marie Le Pen – lautet: "Les Français d'abord" ("Franzosen zuerst"). Demnach sollen französische Staatsbürger bei der Arbeitsplatzsuche und bei Sozialleistungen gegenüber Nicht-Franzosen besser gestellt werden.
Der FN will den Bau von Moscheen in Frankreich verbieten, ebenso das Tragen eines Kopftuches in der Öffentlichkeit um die "Islamisierung" des Landes zu stoppen. Einwanderer aus muslimischen Ländern werden kritisch gesehen.
Marine Le Pens Vater, Jean-Marie Le Pen, fiel mehrfach durch antisemitische Äußerungen negativ auf. verharmloste die Gaskammern der Nazis als "Detail der Geschichte", bezeichnete die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg als "nicht besonders unmenschlich" und stachelte zum Fremdenhass auf. Noch heute meldet sich der 85 Jahre alte Ehrenvorsitzende wöchentlich zu Wort. Politikwissenschaftler wie Jean-Yves Camus verweisen darauf, dass sich Marine Le Pen keineswegs klar von ihrem Vater distanziert
2007 schloss sich der Front National mit anderen rechten Parteien – unter anderem die österreichische FPÖ – zu einer Fraktion unter dem Namen "Identität, Tradition, Souveränität" zusammen. Wenige Monate später löste sich die Fraktion auf.
Die Regionalzeitung "Midi Libre" aus Montpellier nennt den Front National trotz der Drohgebärden der Partei weiterhin rechtsextrem. "Lassen Sie es uns ohne Umschweife und ohne Hass sagen – auch wenn dies ihrer Vorsitzenden nicht gefällt: Die Front National ist rechtsextrem. Marine le Pen kann noch so viel drohen, gegen jeden vor Gericht zu ziehen, der die FN in diese politische Familie einstuft – wir fragen uns, aus welchem Grund - ihre Partei bleibt der Flaggenträger des französischen Nationalsozialismus. (...) Auch wenn ihre populistischen Thesen einen Teil der Wähler verführen, bleibt die Front National eine Gefahr für die Demokratie. Eine Gefahr für den Sozialpakt, der die Bürger vereint. Und ein Risiko für das Gleichgewicht in Europa."
Jean-Marie Le Pen hatte in öffentlichen Aussagen den Holocaust heruntergespielt und den französischen Politiker Philippe Petain gelobt, der während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg mit den Nationalsozialisten kollaborierte. Seine Tochter hingegen bemüht sich, die Front National als für breite Schichten wählbar darzustellen. Im Visier hat sie dabei die Präsidentschaftswahl 2017. Bei Wahlen hatte die Front National zuletzt Stimmengewinne verbucht.
Woran Frankreich krankt
In Frankreich sticht die ungünstige Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit hervor. Auch deshalb ist der Weltmarktanteil des Exportsektors des Landes deutlich gesunken; die Leistungsbilanz hat sich seit Beginn der Währungsunion kontinuierlich verschlechtert– von einem Überschuss von 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu einem Defizit von zuletzt etwa 2 Prozent. Im Durchschnitt der zurückliegenden drei Jahre hat Frankreich damit das höchste Leistungsbilanzdefizit aller Kernländer aufgewiesen. Im „Global Competitiveness Report 2012-2013“ belegt Frankreich damit nur Rang 21 von insgesamt 144 Ländern. Im Jahr 2010 wurde es mit Rang 15 noch deutlich besser bewertet.
Quelle: Frühjahrsgutachten der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute; Commerzbank
Die Lohnstückkosten sind seit 1999 um 30 Prozent gestiegen. Die Lage heute: Während eine Arbeitsstunde deutsche Arbeitgeber 30,40 Euro kostet, fallen westlich des Rheins 34,20 Euro an. Typisch für den Niedergang sind die Autobauer. „Hier verdichten sich die Probleme Frankreichs“, sagt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Das Land produziere 40 Prozent weniger Kraftfahrzeuge als 2005, Deutschland dagegen 15 Prozent mehr.
Die wirtschaftliche Entwicklung lässt kaum eine deutliche Reduzierung der Arbeitslosigkeit und der öffentlichen Verschuldung erwarten. Die Arbeitslosigkeit dürfte auf einem hohen Niveau jenseits von 10 Prozent verharren.
Noch wird die Schuldentragfähigkeit von den Anlegern nicht in Frage gestellt. Die öffentliche Verschuldung Frankreichs hat sich aber seit der Großen Rezession deutlich erhöht. Zwischen 2008 und 2012 stieg die Schuldenstandsquote um rund 25 Prozentpunkte auf über 90 Prozent. Im Jahr 2013 lag die Defizitquote mit 4,3 Prozent weiterhin deutlich über den Maastricht-Kriterien. Und auch für das Jahr 2014 wird eine diesen Wert überschreitende Quote erwartet. Damit steigt die öffentliche Verschuldung weiter.
Die private Verschuldung ist in Frankreich weniger stark gestiegen und liegt auf einem deutlich geringeren Niveau als z. B. in Irland, Spanien und Portugal. Dennoch ist Frankreich das einzige der ausgewählten Länder, in dem die private Verschuldung auch seit 2009 noch merklich zunimmt.
Das Disziplinarverfahren gegen ihren Vater, der die Front National 1972 mitbegründet hatte, sehen Beobachter als Tiefpunkt in der Beziehung beider. Marine le Pen hatte die Parteiführung von ihm vor vier Jahren übernommen. „Ich glaube, er kann nicht länger im Namen der Front National sprechen“, sagte sie am Sonntag im Fernsehsender iTele TV.
Eine Mehrheit in der Parteiführung sei auch dafür, Le Pen seine Ehrenpräsidentschaft zu entziehen, teilte der Front National mit. Darüber müsse auf einem Parteikongress in den nächsten drei Monaten abgestimmt werden. Le Pens Ausschluss habe jedoch keinen Einfluss auf seinen Sitz im EU-Parlament, sagte Parteisprecher Alain Vizier.
Nach seinem Rauswurf gab sich Le Pen wie gewohnt scharfzüngig. Er sei „ausgestoßen“ worden, erklärte er. Zugleich beteuerte er, dass er seit seinem Abgang als Parteichef nicht mehr im Namen des Front National gesprochen habe. Im Übrigen seien Meinungsverschiedenheiten bei jeder Partei etwas Normales. Auch Marine le Pen vertritt eine radikale Linie gegen Muslime, Ausländer und gegen Europa. Am Sonntag hatte sie gefordert, Bootsflüchtlinge nicht in Europa an Land gehen zu lassen, sondern direkt übers Mittelmeer zurückzuschicken.