Für Populisten-Koalition Conte bekommt Regierungsauftrag in Italien

Staatspräsident Sergio Mattarella erteilt Guiseppe Conte den Regierungsauftrag Quelle: REUTERS

Erstmals wird in einem EU-Gründerstaat eine rein populistische Regierung die Macht übernehmen. An der Spitze: ein Unbekannter.

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Der Weg für die erste Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und rechtspopulistischer Lega in Italien ist endgültig frei. Staatspräsident Sergio Mattarella gab dem Rechtswissenschaftler Giuseppe Conte am Mittwoch den Regierungsauftrag als Ministerpräsident der europakritischen Koalition. Die künftige Regierung muss noch vom Parlament bestätigt werden, in dem beiden Parteien aber eine Mehrheit haben. Die Abstimmung wird für kommende Woche erwartet.

Für Italien bedeutet die neue Regierung einen radikalen Wandel: Erstmals geht das EU-Gründungsmitglied grundsätzlich auf Distanz zur Staatengemeinschaft. Die Finanzpläne der Koalition bereiten Brüssel und Deutschland große Sorgen, auch an den Finanzmärkten machte sich Unruhe breit. Obwohl Italien das Land mit einer der höchsten Staatsverschuldungen der Welt ist, planen die Fünf Sterne und die Lega gewaltige Mehrausgaben. Sie wollen Steuern senken, ein Grundeinkommen einführen und das Rentenalter wieder absenken.

Auch gibt es Befürchtungen, dass Conte als Quereinsteiger in die Politik zur Marionette der Parteichefs Luigi Di Maio und Matteo Salvini werden könnte. Beide hatten nach der Wahl am 4. März das Amt des Regierungschefs für sich beansprucht und sich nach wochenlangem Ringen auf den Juristen geeinigt. Zuletzt hatten Vorwürfe für Aufsehen gesorgt, Conte habe seinen Lebenslauf geschönt.

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Der designierte italienische Regierungschef will die Interessen seines Landes in der EU verteidigen. Bei seiner ersten öffentlichen Ansprache in der Rolle des künftigen Ministerpräsidenten betonte der Jurist die „internationale und europäische Aufstellung Italiens“. Er wolle jetzt als „Verteidiger des italienischen Volkes“ die nationalen Interessen auf EU- und internationaler Ebene verteidigen, erklärte Conte am Mittwoch in Rom.

Mit Spannung wird die Zusammenstellung des Kabinetts erwartet, und auch da droht Ungemach: Für das Finanzministerium wird der Euro- und Deutschland-Kritiker Paolo Savona gehandelt. Es wird erwartet, dass Lega-Chef Salvini das Innenministerium besetzt und eine harte Hand in Migrationsfragen beweisen will. Di Maio wird im Superministerium für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung gesehen, wo er sich für das Herzensprojekt der Sterne, das bedingungslose Grundeinkommen, einsetzen könnte.

Dieser Mann soll Italien führen
Der Juraprofessor und designierte italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte ist der Öffentlichkeit seines Landes bislang kaum bekannt. Dennoch fiel die Wahl der beiden rivalisierenden Chefs der Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsgerichteten Lega auf den 53-jährigen Gelehrten, dem Bürokratie ein Graus ist. Nach dem Willen von Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio und Lega-Chef Matteo Salvini soll Conte die erste populistische Regierung Italiens führen. (Im Bild: Conte, rechts, mit dem Chef der Fünf-Sterne-Bewegung Luigi Di Maio) Quelle: AP
Öffentliche Äußerungen von Conte sind bislang rar Quelle: imago images
Wenige Tage vor der Parlamentswahl im März hatte die Fünf-Sterne-Bewegung Conte als ideale Besetzung für den Posten des Ministers für öffentliche Verwaltung präsentiert. Damals bezifferte der Professor die Zahl der Gesetze, die abgeschafft werden müssten, auf „viel mehr als die 400, auf die Luigi Di Maio hingewiesen hat“. Conte sei „ein Experte der Vereinfachung, Entbürokratisierung und Rationalisierung der Verwaltungsmaschinerie“, sagte Salvini am Montagabend. Genau das wollten viele Unternehmen. Conte setzt sich auch für schärfere Schutzvorkehrungen gegen Korruption ein. Diese fällt häufig bei jenen auf fruchtbaren Boden, die versuchen, die Bürokratie zu umgehen. Quelle: REUTERS
Der meist elegant gekleidete Conte ist kein Mitglied des Parlaments, das ist für das Amt des Regierungschefs aber auch keine Voraussetzung. Quelle: imago images
Giuseppe Conte Quelle: AP
Der Rechtsprofessor Giuseppe Conte Quelle: dpa

In Italien war die Sehnsucht nach einer gewählten Regierung groß - auch deshalb stößt die Allianz aus den ungleichen Parteien bei vielen auf Zustimmung. Die Alternative wäre eine vom Präsidenten eingesetzte Übergangsregierung und/oder eine Neuwahl gewesen. Die Parlamentswahl war ohne klaren Sieger ausgegangen. Die Lega bekam in einem Mitte-Rechts-Bündnis mehr als 17 Prozent der Stimmen, die Fünf-Sterne-Bewegung wurde stärkste Einzelpartei mit mehr als 32 Prozent. Zusammen haben sie die Mehrheit im Parlament.

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