
Griechenland und seinen Geldgebern läuft im Kampf gegen den drohenden Staatsbankrott die Zeit davon. Trotz hektischer Krisendiplomatie auf Spitzenebene zeichnete sich eine Woche vor dem nächsten Zahltag für Athen keine Einigung über weitere Finanzhilfen ab. Das aktuelle Hilfsprogramm läuft zum 30. Juni aus. „Die positiven Nachrichten aus Athen spiegeln sich noch nicht vollständig im Gesprächsstand der Regierung in Athen mit den Geldgebern wider“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Freitag in Dresden nach Beratungen der Finanzminister und Notenbankchefs der sieben führenden westlichen Industriestaaten (G7).
Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sagte im Interview mit dem Radiosender Vima FM, sein Land habe mit den Geldgebern eine weitere Annäherung erzielt. Er erwarte, dass sich beide Seiten bald auf ein „umfassendes und gutes Übereinkommen“ verständigen würden, das eine Einigung in allen strittigen Punkten bringe. Das von der Pleite bedrohte Land braucht dringend frisches Geld der internationalen Geldgeber. Trotz leerer Kassen muss Griechenland bis zum 5. Juni gut 300 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Insgesamt sind im Juni mehr als 1,55 Milliarden Euro beim IWF fällig.
Die größten Baustellen der G7
Nach der Geldschwemme der Notenbanken ist den Staaten daran gelegen, die Weltwirtschaft unabhängig vom billigen Zentralbankgeld dauerhaft anzuschieben. Ein Patentrezept haben sie nicht, doch Konjunkturspritzen auf Pump erteilten die G7 einhellig eine Absage: Schuldenfinanziertes Wachstum sei keine Alternative zu Strukturreformen. Dieses Votum kann Gastgeber Wolfgang Schäuble (CDU) als Erfolg verbuchen, denn der Bundesfinanzminister hatte vor dem Minister-Treffen vor einer weiteren Schuldenspirale gewarnt.
Bis Ende dieses Jahres wollen die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) ihr Maßnahmenpaket gegen Steuertricks und Gewinnverlagerungen internationaler Konzerne (BEPS) endgültig schnüren. Diese Frist stellen die G7-Länder USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Kanada und Italien nicht in Frage - im Gegenteil: Sie mahnen, schon jetzt über weitere Schritte nachzudenken: Wie soll ein Schlichtungsverfahren aussehen, wenn mehrere Länder sich über die Besteuerung der Gewinn von Konzernen streiten, die grenzübergreifend aktiv sind? Wären bei solchen Konzernen gemeinsame Steuerprüfungen mehrerer Länder möglich?
Die G7 loteten neue Verhaltensregeln für Banker („Banker's Code of Conduct“) aus, um den Kulturwandel in der Branche nach den Verwerfungen der Finanzkrise 2008 voranzutreiben. Bei Großbanken sollen zusätzliche Kapitalpuffer („GLAC“, „TLAC“) sicherstellen, dass im Krisenfall ausreichend Mittel zu deren Sanierung beziehungsweise notfalls Abwicklung zur Verfügung stehen. Der genaue Umfang dieser Puffer ist noch nicht festgelegt. Beim Thema Staatsanleihen machte sich vor allem Deutschland dafür stark, dass Banken solche Papiere künftig mit Eigenkapital in der Bilanz absichern müssen - schließlich habe die Krise gezeigt, dass das Risiko nicht gleich Null ist. Nach den Dresdner Beratungen bilanzierte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, es sei festzustellen, dass es „einen wachsenden Konsens gibt, die bisherige regulatorische Behandlung von Staatsanleihen zu überprüfen“.
Die kritische Lage in dem kleinen Euroland stand zwar nicht ausdrücklich auf der Tagesordnung der Dresdner Beratungen. Doch das Hellas-Drama war ebenfalls Thema - schon allein deshalb, weil in Dresden auch die Spitzen der Geldgeber Athens vertreten waren: Christine Lagarde (Internationaler Währungsfonds/IWF), Mario Draghi (Europäische Zentralbank/EZB), Jeroen Dijsselbloem (Eurogruppe) und Pierre Moscovici (EU-Kommission). Die Athener Lesart, dass eine Einigung mit den Geldgebern greifbar sei, teilte in Dresden niemand.
iesen, sie beschaffen sich Geld zunehmend auch auf anderen Wegen. Die G7 berieten über Lücken im Kampf gegen solche Finanzströme sowie über neue Wege, um Vermögenswerte von Terroristen schnell einfrieren zu können und Finanzströme generell transparenter zu machen.
Über ein internationales Hilfspaket sollen gut 40 Milliarden Dollar für die Ukraine bereitgestellt werden. Der IWF steuert rund 17,5 Milliarden Dollar bei. Hinzu kommen Hilfen einzelner westlicher Staaten. Weil das nicht reicht, verhandelt die ukrainische Regierung mit weiteren Geldgebern - darunter auch Russland -, um Kiews Staatsschulden auf ein tragfähiges Niveau zu senken. 15 Milliarden Dollar sollen durch Restrukturierungen zusammenkommen. Dabei geht es um den Verzicht auf Forderungen, niedrigere Zinsen sowie Laufzeitverlängerungen. Die G7 sagten der Regierung in Kiew ihre Unterstützung bei den laufenden Reformen zu.
Die G7 befassten sich auch mit dem möglichen Aufstieg des chinesischen Yuan (Renminbi) zu einer Weltwährung. Dabei geht es um eine Ausweitung des Währungskorbs des IWF. Bisher sind neben dem US-Dollar und dem Euro das britische Pfund und der japanische Yen in dem Korb enthalten. Daraus setzen sich die sogenannten Sonderziehungsrechte (SZR) zusammen - eine künstliche, vom IWF geschaffene Währungseinheit. Im Herbst könnte eine Entscheidung in Sachen Yuan fallen. Die Eingliederung in den Währungskorb soll nicht nur Chinas Gewicht in der Weltwirtschaft widerspiegeln. Die anderen Top-Wirtschaftsmächte hoffen auch, dass Peking seine Währung weniger kontrolliert. Der IWF hatte China aufgerufen, für einen freien Wechselkurs zu sorgen. Der Yuan ist eng an den Dollar gekoppelt.
Die westlichen Industrieländer loten eine gemeinsame Linie bei der von China initiierten Entwicklungsbank für Asien (AIIB) aus, die mehr Geld für die Infrastruktur in Asien mobilisieren soll. Zu den Gründungsmitgliedern gehören auch G7-Länder wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Die US-Regierung sieht die AIIB dagegen skeptisch. Auch Japan und Kanada als weitere G7-Staaten gehören bisher nicht zu den AIIB-Gründungsmitgliedern. Die USA dominieren im Internationalen Währungsfonds und in der Weltbank.
Die wirtschaftliche Lage des Landes spitzte sich wieder zu: Zum Jahresstart fiel Griechenland zurück in die Rezession. Das nationale Statistikamt Elstat bestätigte seine erste Schätzung, wonach das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2015 um 0,2 Prozent schrumpfte. Im Schlussquartal 2014 hatte es einen Rückgang von 0,4 Prozent gegeben. Bei zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit negativen Wachstumsraten sprechen Ökonomen von einer Rezession.
Berichte über eine von den Geldgebern gesetzte Frist für eine Einigung bis zum 4. Juni wurden nicht bestätigt. Nicht ausgeschlossen wird jedoch, dass die Geldgeber angesichts der bisher geringen Fortschritte Athen ein ultimatives Angebot für ein Kompromisspaket vorlegen. Ohne verbindliche Reformzusagen der seit vier Monaten amtierenden griechischen Links-Rechts-Regierung bleiben internationale Hilfen von 7,2 Milliarden Euro weiter blockiert.
Anleger gucken auf das Treffen der G7-Finanzminister
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zeigte sich zuversichtlich, dass ein Kompromiss gefunden wird. „Das ist ein sehr schwieriges Thema, das in den nächsten Tagen und Wochen gelöst werden wird“, sagte Juncker am Freitag in Tokio nach einem Gipfeltreffen der EU mit Japan. „Wir werden es lösen.“
In einem Gastbeitrag für den „Focus“ mahnte der Chef des Eurorettungsfonds ESM, Klaus Regling: „Verweigert sich die griechische Regierung dem Reformprozess, spielt sie mit der Zukunft des Landes.“ Das Risiko sei dann groß, „dass die Opfer der Griechen umsonst gewesen“ seien, schrieb Regling.
Griechenland war in Dresden kein offizielles Thema der G7-Beratungen. Doch zu dem zweitägigen Finanzgipfel waren neben Lagarde auch EZB-Präsident Mario Draghi, Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und EU-Währungskommissar Pierre Moscovici angereist. Damit waren die Chefs sämtlicher Geldgeber vertreten, die mit Athen verhandeln.
Zur G7-Gruppe gehören Deutschland, die USA, Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada. Das Ministertreffen diente der Vorbereitung des G7-Gipfels der Staats- und Regierungschefs am 7. und 8. Juni auf Schloss Elmau in Bayern.