Gabriel Zucman Piketty-Schüler wettert gegen die Schweiz

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Keine Gnade mit "Zwergstaaten wie Luxemburg"

"Frankreich, Deutschland und Italien können die Schweiz zur Aufgabe ihres Bankgeheimnisses zwingen, wenn sie gemeinsam Einfuhrzölle von 30 Prozent auf Waren erheben, die sie aus der Eidgenossenschaft importieren", schreibt Zucman. Der Grund: Die Kosten würden die Einnahmen übersteigen, die Schweizer Banken aus der Steuerflucht erzielen. Der Ausschluss der Schweiz vom Europäischen Binnenmarkt ist keine abwegige Idee. Nach dem die Schweizer per Volksentscheid die Personenfreizügigkeit massiv einschränken wollen, ist das Verhältnis angespannt. Nicht wenige Parlamentarier in Brüssel fordern, die Rechte der Schweiz im Handel mit Europa einzuschränken – sollte die Schweiz nicht einlenken.

Es wäre durchaus sinnvoll, in den Gesprächen mit der Regierung in Bern die Steuerfrage erneut auf die Tagesordnung zu heben und auch dort, eine wirksame Lösung einzufordern. Denn es kann nicht sein, dass "die Schweiz (…)  nur das vom Buffet Europa [nimmt], was ihr schmeckt", wie FDP-Chef Christian Lindner nach dem Migrationsvotum richtig feststellte. Die Drohung Zucmans, die Schweiz den Handel mit Europa zu erschweren, erscheint demnach sympathisch und nicht ausgeschlossen.

Welche Strafen Steuertricksern drohen

Anders verhält es sich mit Luxemburg, dem Gründungsmitglied der Europäischen Union bzw. deren Vorgänger, der Europäischen Gemeinschaften. Dem Land kann der Zugang zum Binnenmarkt nicht verwehrt werden. Zucmans Lösung: Der Rauswurf aus der EU.

"Bei Zwergstaaten (wie Luxemburg), die von Schattenfinanzen leben, müsste man weiter gehen, und zwar bis hin zu Maßnahmen, die einem Finanzembargo gleichkämen – und vielleicht bis zum Ausschluss aus der Europäischen Union", schreibt der Franzose in seinem Buch. Die Steueroasen mögen zwar Finanzriesen sein, aber ökonomisch und politisch seien sie Zwerge und massiv vom Handel abhängig. Das sei ihre Schwachstelle. "Dort muss der Zwang ansetzen."

Dieser Kampf lasse sich nicht nur auf europäische Ebene führen, sondern könnte auch weltweit Erfolg haben, so Zucman. Würde man die USA mit ins Boot holen (und Großbritannien), könne man auch Hongkong, die Bahamas und die Cayman Islands zum Einlenken zwingen. Bei letztere läge ein angemessener Strafzoll bei 100 Prozent.

Zehn goldene Regeln für die Selbstanzeige

Dass es soweit nicht kommen wird, weiß auch Zucman. Zu radikal ist sein Ansatz, zu zerstritten die Weltgemeinschaft, um gemeinsam gegen die Steueroasen vorzugehen. Nicht mal Europa spricht ja mit einer Sprache. Dass mit Jean-Claude Juncker ein Mann zum EU-Kommissionspräsident gewählt werden soll, der fast zwei Jahrzehnte die Regierung Luxemburg anführte und im Europawahlkampf alle Angriffe auf das Luxemburger Bankwesen abblockte, sei für ihn eine "große Enttäuschung", sagt Zucman. Junckers Bilanz sei "erschreckend". Seine Ernennung sei keine gute Nachricht für all diejenigen, die auf Steuergerechtigkeit hoffen.

Auch wenn sein Buch "Steueroasen – Wo der Wohlstand der Nationen versteckt wird" wenig verändern wird, lesenswert ist es allemal. Weil es zeigt, wie groß der finanzielle Schaden durch Steuerbetrug ist und dass die Gerechtigkeitsdebatte noch lange nicht beendet ist.

Man spürt, wie sauer Zucman über die Steuerflucht der Reichen ist. "Mit höflichen Floskel kommen wir nicht weiter", unterstreicht er gegenüber WirtschaftsWoche Online. Nur Druck helfe. Seine Ansätze sind provokant und radikal – und dürften deshalb bei den Verlierern durch die Schuldenkrise in Frankreich, Italien oder Spanien, die nicht weniger aufgewühlt sind als Zucman, für Aufsehen sorgen.

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