Gasvorkommen Rumänien, das Powerhouse des Ostens

„Die Energiekarte muss Rumänien jetzt spielen,“ sagt auch Andreas Lier, Präsident der deutsch-rumänischen Handelskammer Quelle: imago images

Noch unerschlossene Gasfelder, beste Bedingungen für Wind und Solar: Rumänien kann in den kommenden Jahren dick ins Energie-Geschäft einsteigen. Fehlt nur noch die Einigung von Staat und Wirtschaft.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Plötzlich soll alles ganz schnell gehen. Spätestens zum Jahresende will Rumäniens Energieminister Virgil Popescu eine Entscheidung. Der staatliche rumänische Erdgasproduzent Romgaz und das zu 51 Prozent zum österreichischen OMV-Konzern gehörende Energieunternehmen OMV Petrom sollen bekannt geben, ob sie in die Ausbeutung des Gasfeldes Neptun Deep vor der rumänischen Schwarzmeerküste investieren. „Ich möchte das, weil es eine besondere Marktsituation ist,“ sagte der Minister kürzlich am Rande einer Konferenz mit osteuropäischen Kollegen und Versorgern in Bukarest. „Erdgas wird auf dem Markt benötigt, und Rumänien kann eine Rolle spielen.“

Rumäniens reiche Gasvorkommen an Land und auch vor der Schwarzmeerküste sind bekannt und einer der Gründe, warum gerade auch deutsche Unternehmen in dem südosteuropäischen Land eine Zukunft sehen. Nach den Niederlanden zählt Rumänien die zweitgrößten Ressourcen in der Europäischen Union. Seit vielen Jahren versorgt es sich zum überwiegenden Teil aus eigenen Quellen. Für die Gewinnung von Strom aus Wind- und Solarkraft gilt Rumänien ebenfalls als prädestiniert. Einer der weltweit größten Windparks mit 240 Anlagen unweit von Constanța fördert seit mehr als zehn Jahren Energie. Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und dem Stop russischer Gaslieferungen nach Europa wächst der Druck auf die Regierung in Bukarest, die technisch anspruchsvoll in einer Tiefe zwischen 100 und 1700 Metern verborgenen Gasvorkommen von schätzungsweise nahezu 200 Milliarden Kubikmetern auszubeuten. Zum Vergleich: Das ist in etwa die Menge, die Russland zuletzt in einem Jahr in die EU lieferte. Nachbarstaaten wie Ungarn, Bulgarien, Serbien und Moldau könnten mitversorgt und aus der Abhängigkeit von Russland befreit werden.

„Rumänien muss die Energiekarte jetzt spielen“, sagt auch Andreas Lier, Präsident der deutsch-rumänischen Handelskammer und Länderchef von BASF in Rumänien und Bulgarien. Derzeit würden etwa zehn bis zwanzig Prozent des Gasbedarfs zugekauft. „In wenigen Jahren wäre das Land kompletter Selbstversorger. Das Land braucht etwa zehn Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Allein basierend auf den neuen Offshore-Lagerstätten vor der Küste könnte sich Rumänien 20 Jahre selbst versorgen und in dem Land und in Europa signifikanten Mehrwert schaffen,“ so Lier. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Energiekrise sieht die Auslandshandelskammer ergänzende Vorteile für einen Standort, der Dank ausgezeichneter Universitäten und dem Ehrgeiz der Menschen längst den Wandel von der verlängerten Werkbank zum Innovationshub vollzogen hat.

Die hohen Energiepreise beschleunigen die Abwanderung der Industrie – und machen Osteuropa zum neuen China.
von Karin Finkenzeller, Max Haerder, Henryk Hielscher, Stephan Knieps, Christian Ramthun, Jürgen Salz, Christian Schlesiger, Jan Schulte, Aleksandra Fedorska

Doch die von Energieminister Popescu zur Eile gedrängten Unternehmen zieren sich. „Wir haben immer gesagt, dass eine endgültige Investment-Entscheidung zwölf Monate braucht,“ bremst Christina Verchere, Chefin von OMV Petrom. Damit schiebt sie die Frist auf Mitte nächsten Jahres hinaus. „Das Projekt Neptun Deep verändert die Spielregeln für unser Unternehmen und für das ganze Land, indem es Energiesicherheit bietet und das Land zu einem regionalen Knotenpunkt macht, betont die Managerin. Aber auch: „Der richtige regulatorische Rahmen muss vorhanden sein. Wenn es den nicht gibt, sinkt die Investitionsbereitschaft.“

Was Verchere anspricht, ist die offene Frage, mit wie viel Entgegenkommen des Staates die Unternehmen rechnen dürfen, wenn sie viele Milliarden in das Projekt Neptun Deep stecken. Exxon Mobile ist 2019 im Zorn über ein Offshore-Gesetz der damals amtierenden Regierung ausgestiegen, das die Unternehmen zu einer Sondergewinnsteuer verpflichtete und die Hälfte des gewonnenen Gases für den Export ausschloss.

Das rumänische Parlament hatte zwar im vergangenen Mai die vorgesehenen Steuern gesenkt. Ein Vorkaufsrecht für den rumänischen Staat soll es nun auch nur noch im Fall einer Energiekrise geben. OMV sieht dennoch weiter „gewissen Klärungsbedarf“, was den freien Markt angeht. Răzvan Popescu, CEO des Staatsunternehmens Romgaz, das den Exxon-Anteil an Neptun Deep aufkaufte, formuliert diplomatisch: „Die Gasförderung im Schwarzen Meer ist ein Ziel, auf das sich der gesamte Staat angesichts seines strategischen Potenzials konzentrieren muss.“

Aus Sicht der Unternehmen nachvollziehbar: Sie rechnen mit Investitionskosten in Höhe von rund 16 Milliarden Euro. Weder OMV Petrom noch Romgaz haben Erfahrung mit Tiefseebohrungen und müssen sich Unterstützung holen.

Gaspreis: Was der Großhandel mit dem Endkundenpreis zu tun hat

„Je länger sich das Projekt verzögert, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt realisiert wird,“ warnt Otilia Nuțu. Sie ist Expertin für Energie- und Infrastrukturthemen beim Bukarester Think Tank Expert Forum und berät auch die Weltbank. „Wir sollten bereits jetzt eine wichtige Rolle in der Region spielen, denn jetzt haben wir eine Gas-Krise.“ In zehn Jahren, gibt sie zu Bedenken, werden sich die einstigen Abnehmer von russischem Gas angepasst haben. Außerdem werde der Gas-Verbrauch in Europa insgesamt wegen der Ziele zur CO2-Reduktion abnehmen.“

Allerdings haben auch die Unternehmen ein Interesse daran, dass bei Neptun Deep endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. „Das Projekt ist für das Land von entscheidender Bedeutung, da die Onshore-Gasförderung rückläufig ist und es wichtig ist, neue Quellen zu finden,“ räumt OMV Petrom-Chefin Verchere ein. Während Romgaz seine Produktion in zuletzt durch die Entdeckung eines rund 30 Milliarden Kubikmeter umfassenden Onshore-Vorkommens im Osten Rumäniens bei Buzău leicht steigern konnte, weist Expertin Nuțu auf einen raschen Produktionsrückgang von OMV Petrom hin. Bereits 2019 sei die Schließung oder Veräußerung von mehr als der Hälfte der Förderstellen in den folgenden drei bis vier Jahren erwogen worden. Zudem habe das Unternehmen eine Verringerung seiner Produktion um sieben Prozent im Jahr 2022 angekündigt.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%