Damit würde sich die Chefetagen-Kultur börsennotierter Schweizer Unternehmen erheblich ändern. Das Land bekäme das schärfste Aktienrecht der Welt. Unisono warnen Unternehmen, dass so weitgehende Einschränkungen der Wettbewerbsfähigkeit schweren Schaden zufügen würden. Dagegen holte der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse mit einer massiven Werbekampagne aus, bei der kräftig die Keule "Drohender Jobverlust“ geschwungen wurde: "Die Initiative schwächt den Werkplatz Schweiz“, ist überall im Land auf Riesenpostern neben den Gesichtern erfolgreicher Unternehmer zu lesen. Die millionenschwere Kampagne zur Rettung der Millionen-Boni schien Wirkung zu zeigen. Die Zustimmung zur „Minder-Initiative“ ging zurück.
Doch inzwischen erscheint die Annahme als ziemlich sicher. Mehr als 60 Prozent der Schweizer wollen laut Umfragen dafür stimmen. Unfreiwillig hat dazu der bestbezahlte Manager der Schweiz beigetragen. Ausgerechnet in der heißen Phase des Meinungskampfes zur „Abzocker-Initiative“ wurde bekannt, dass sich Daniel Vasella - der scheidende Präsident des Schweizer Pharmariesen Novartis - mit dem Vorstand auf eine Abfindung von sage und schreibe 72 Millionen Franken (58,5 Millionen Euro) verständigt hatte.
Das Geld sollte dafür fließen, dass der 59-Jährige, der vorher bei Novartis schon hunderte Millionen verdient hatte, sechs Jahre lang nicht zur Konkurrenz geht. Die Empörung der Eidgenossen war enorm. Diese "Selbstbedienungsmentalität“ erschüttere das Vertrauen in die Wirtschaft, schimpfte auch Justizministerin Simonetta Sommaruga. Als Vasella schließlich seinen Verzicht auf die Abfindung bekanntgab, war alles zu spät. "Man kann nicht auf etwas verzichten, was einem gar nicht zusteht“, erklärte Minder - und erntete Beifall.
Angesichts hoch fliegender Emotionen gehen sachlich nachvollziehbare Bedenken gegen das Minder-Modell unter, wie es scheint. Kritiker weisen zum Beispiel darauf hin, dass der Zwang zu jährlichen Verwaltungsratswahlen sich als eine Art Einfallstor für Hedgefonds und "Heuschrecken“-Investoren erweisen könnten, die Schweizer Unternehmen unter ihre Kontrolle bringen wollen.
Obwohl selbst die politische Linke und die Gewerkschaften nicht einhellig hinter der Minder-Initiative stehen, hat ein von der Regierung in Bern unterbreiteten Gegenvorschlag wohl keine allzu großen Chancen. Er würde im Falle der Ablehnung der Minder-Initiative in Kraft treten. Auch mit dem Gegenvorschlag soll Abzockerei bekämpft werden.
Allerdings viel stärker auf der Basis von Freiwilligkeit - ohne Drohung mit dem Knast.